Ein Teller Salat mit Insolvenzrechtler Malte Köster: Wenn Pflegeheime pleite gehen und ihre Bewohner womöglich in Zelten landen

Ein Teller Salat mit Insolvenzrechtler Malte Köster

 

(Foto: C.Tödtmann)

 

Gehen Pflegeheime pleite, müssen die Bewohner womöglich in Zelten untergebracht werden, erzählt mir Malte Köster, Insolvenzverwalter aus Bremen. Rund 1.000 Heimbewohnern in Norddeutschland wäre es beinahe schon so ergangen. Das war Mitte vergangenen Jahres. Die betroffene Gemeinde hatte die Pläne für deren Evakuierung schon in der Schublade, erzählt er. Es war kurz vor knapp, beinahe wäre das Szenario Realität geworden.

 

Wie es so weit kommen konnte? Ihre Pflegeheim-Kette hatte Insolvenz angemeldet. Zahlungsunfähig war sie wegen ihrer eigenen Mietverträge, die Indexklauseln enthielten. Durch die Inflation stiegen dann die Mieten und diese höheren Kosten konnte der Betreiber nicht weiterreichen an die Bewohner, berichtet Köster. Die Einnahmen von den Kassen kamen zu spät – und hätten auch nicht ausgereicht.

 

Ähnlich dramatisch lief es auch kurz vor Silvester. Köster war schon involviert, als eine Gruppe mit einer Reihe von Pflegeheimen in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. „Die Lage war dramatisch“, erzählt der Bremer. Die Geschäftsführerin rief ihn voller Verzweiflung  an, als kein einziger Mitarbeiter zum Dienstbeginn erschienen war. Die reagierten so, weil ihr Weihnachtsgeld ausgeblieben war. Damit war die Versorgung der alten Menschen zusammengebrochen. Der Ausweg? Sie sollten verteilt werden auf die umliegenden Krankenhäuser. Wie die Situation dann doch noch abgewendet wurde? Köster kannte einige Zeitarbeitsunternehmen, die Pflegekräfte verleihen und die sprangen in letzter Sekunde ein, erzählt der Jurist.

 

Warum ausgerechnet Pflegeheime derzeit solche Liquiditätsprobleme haben? Von denen man annimmt, sie führten Wartelisten für mögliche Kunden? Mitnichten, die Situation ist komplex, erklärt Köster. Jedenfalls seit dem Lockdown. Da gab es Menschen, die ihren Verwandten im Pflegeheim nur vom Bürgersteig aus zuwinken durften. Pflegeheimbewohner, die die Welt nicht mehr verstanden. Schwer Kranke, die starben, ohne dass ihre Angehörigen in diesen letzten Stunden bei  ihnen sein durften.

 

Heime werden nicht mehr voll

Diese Bilder aus der Corona-Zeit haben sich eingebrannt. Es habe sich herumgesprochen, wie einsam die Menschen in Heimen waren, als die Pandemie kam. Wenn sie lange Zeit ohne Besucher und mit Maskenpflicht im Einzelzimmer verharren mussten. Tatsächlich scheuen sich deshalb heute ältere Menschen, in ein Heim zu gehen, hört der Insolvenzrechtler Malte Köster von Pflegeheimbetreibern. Dass ihre Heime deshalb Plätze frei hätten. Die Kunden bleiben aus, wo ohnehin nur 15 Prozent aller Menschen ihr Lebensende in einem Heim verbringen. Das Problematische daran sei: Pflegeheime seien erst dann profitabel und damit überlebensfähig, wenn sie zu 95 bis 98 Prozent belegt sind, erzählt der Bremer.

 

Doch Köster trifft derzeit auf Pflegeheime, die zu rund 70 Prozent belegt sind. Die haben keine Chance mehr, sich aus der Falle zu befreien. Alle Heime bekommen dasselbe Geld, durch gute Leistungen lassen sich die Einnahmen nicht optimieren, weiß Köster.

 

Voll belegte Heime, die dennoch rote Zahlen schreiben

Und die Inflation mit ihren gestiegenen Preisen und höheren Energiekosten verschärft die Lage obendrein. Ein Heim kann sogar zu 100 Prozent belegt sein und es verbrennt trotzdem Geld, erzählt der Bremer Köster. Das liege an der Art der Vergütung. Die Vergütung orientiert sich an der Situation, wie sie längst überholt ist. An zu niedrigen Einkaufspreisen, an Mieten, wie sie vor zwei Jahren noch waren und an Tarifgehältern für Krankenpfleger, die am Markt heute gar nicht verfügbar sind. Als die Leiharbeitnehmer an deren Stelle noch nicht in großer Zahl – nolens volens – angeheuert und viel teurer bezahlt werden mussten. Gerade diese Lohnkosten würden durch die Leihpfleger bis zu dreimal so teuer, so der Bremer. Das alles sind Kosten, die sich nicht weiterreichen lassen. Denn: Nachverhandlungen mit Krankenkassen gebe es nur sechs bis neun Monate später und dann käme auch zu wenig Geld, berichtet der Jurist  Köster.

 

130 Pflegeheime waren schon 2023 allein in Nordrhein-Westfalen insolvent, fünfmal so viele wie 2022 laut „Rheinischer Post“ und titelte „Zahl der Insolvenzen in der Pflege steigt rapide“. Die Bewohner hatten meist Glück, weil andere Betreiber ihre Häuser übernahmen. „Es gibt wahnsinnig viele Insolvenzen von Pflegeheimen, das geht vom Familienbetrieb mit 50 Plätzen bis zum Konzern mit 2.500 Mitarbeitern.“

 

Das Personalproblem haben auch Kliniken. Deren Lohnkosten explodieren nicht wegen der langjährigen treuen Mitarbeiter, die zu Tariflohn und schlechteren Bedingungen arbeiten. Sondern durch die entliehenen Pfleger von Leiharbeitsfirmen mit deutlich höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen. Die Kliniken kommen sie dreimal so teuer, sagt Köster

 

Lesetipp: Plötzlich verkehrte Welt – und bald überall so? In den Kliniken beneiden die Stammbelegschaften die Zeitarbeitnehmer | Management-Blog (wiwo.de)

 

 

Salat mit gegrilltem Lachs im Basil´s (Foto: C. Tödtmann)

 

 

 

 

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