Fünf Fragen an Insolvenzverwalter Malte Köster: Macht die Firma pleite, bleiben viele Überstunden womöglich unbezahlt

Wenn die Firma kriselt, klotzen sicher manche Mitarbeiter besonders ran, um zu helfen, sie zu retten. Wenn die Belegschaft meistens schon viel zu reduziert ist für die viele Arbeit. Doch was sie wissen sollten: Die Überstunden, die sie in der Zeit ansammeln, könnten reine Liebesmüh bleiben – und ohne Lohn, oder fast nichts. Warum, das erklärt Insolvenzveralter Malte Köster aus Bremen.

 

 

Malte Köster (Foto: C.Tödtmann)

 

Herr Köster, durch die Lokalpresse ging vor einigen Monaten der Insolvenzfall eines Pflegedienstes in  Bönen in der Nähe von Dortmund, wo beispielsweise ein 62-jähriger Mitarbeiter, der einen Intensivpatienten pflegte, rund 850 Überstunden angehäuft hatte. Nachdem sein Arbeitgeber pleite ging, soll er die Überstunden nicht mehr in voller Höhe ausbezahlt bekommen, sondern nur noch einen Bruchteil. Wieso?

Köster: Die Löhne der Beschäftigten – und dazu zählen auch angehäufte Überstunden – werden nur für die vergangenen drei Monate vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in voller Höhe ausbezahlt. Hier sind die gesetzlichen Vorgaben sehr eindeutig. Dieses Geld ist das sogenannte Insolvenzgeld. Für Überstunden aus der Zeit, die länger als drei Monate zurück liegt, bekommen die Beschäftigten nur eine Quote auf ihre Forderungen.

Das deutsche Insolvenzrecht stellt alle Forderungen im Grundsatz gleich und bestimmt damit eben auch, dass Beschäftigte nicht anders behandelt werden als andere Gläubiger des insolventen Betriebes – zum Beispiel Lieferanten, Vermieter oder Banken. Die Zahlen vom statistischen Bundesamt zeigen, dass Gläubiger fast nie ihre vollen Forderungen beglichen bekommen – wieviel, das richtet sich nach der sogenannten Quote.

 

Wie hoch ist so eine Quote in der Regel?

Das variiert sehr stark. Im statistischen Durchschnitt liegt die Quote wohl irgendwo im einstelligen Prozentbereich. Entsprechend berechnet sich dann der Anteil der geschuldeten Summe. Im besten Fall erreicht die Quote 100 Prozent – aber das ist ausgesprochen selten. Alles im unteren bis mittleren zweistelligen Bereich ist schon ordentlich, setzt aber meist auch einen laufenden Betrieb voraus. Aber jeder Fall ist anders. Ein wesentliches Element der Arbeit eines Insolvenzverwalter ist es immer, eine möglichst hohe Quote zur Befriedigung der Ansprüche der Gläubiger zusammenzubekommen.

 

Wie oft erleben Sie es als Insolvenzverwalter, dass Mitarbeiter Überstunden angehäuft haben, womöglich um ihr Unternehmen noch zu retten und hinterher nur noch diesen Bruchteil ihres Geldes bekommen?

In der Praxis kommt das leider recht häufig vor. Insbesondere in Unternehmen mit einem hohen Anteil an gewerblichen Beschäftigten, also Mitarbeitern in der Produktion. Weniger in der Verwaltung. Hier kommt man als Insolvenzverwalter leider häufig zu spät und muss mit den gegebenen Fakten arbeiten. Man darf aber auch eins nicht vergessen: Die Sanierung im Insolvenzverfahren hat immer auch die Sicherung von Arbeitsplätzen zum Ziel. Für viele Beschäftigte ist das wichtiger als verlorene Überstunden.

 

In welchen Branchen passiert das am häufigsten, dass Mitarbeiter ihr Unternehmen retten wollen, viele Überstunden machen und nicht gleich auf Bezahlung dringen? 

Nach meiner Erfahrung in der Baubranche. Aber hier kann man auch nicht alle Unternehmen über einen Kamm scheren. Die meisten Unternehmen gehen ja schon verantwortungsbewusst mit Überstunden um und halten sich an die gesetzlichen Vorgaben.

 

Und dann sind die Arbeitnehmer umso enttäuschter, weil sie von dieser Rechtslage nichts ahnten, oder? 

Ja, das ist so. Vielen ist das Risiko überhaupt nicht bewusst und wenn sie dann mit den Fakten konfrontiert werden, fallen sie aus allen Wolken. Dann muss man offen, sensibel und feinfühlig kommunizieren. Das Problem zu ignorieren, hilft ja nichts.

 

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