Buchauszug Bettina Al-Sadik-Lowinski: „Alpha-Mann und Alpha-Frau. Internationale Topmanager über Strategien zu mehr Gender Diversität und gemischten Führungsspitzen“

Buchauszug Bettina Al-Sadik-Lowinski: „Alpha-Mann und Alpha-Frau: Internationale Topmanager über Strategien zu mehr Gender Diversität und gemischten Führungsspitzen“

 

 

Bettina Al-Sadik (Foto Privat)

Boys-Clubs und Business Meetings- die natürliche Spielwiese der Männer

In der Debatte zu den Ursachen geringer Frauenanteile am Topmanagement spielen Netzwerke einflussreicher Männer eine Rolle, denen nachgesagt wird, Frauen systematisch auszuschließen. Es sind die sogenannten „Old Boys Clubs“. Zusammenhänge von Beziehungspflege und Mitgliedschaften in starken Netzwerken mit Karriereerfolg sind durch die Forschung gut untersucht worden. Hier wird ein Blick auf die Wahrnehmung der Alpha-Männer, und im Anschluss daran der Spitzenfrauen, auf die Karriererelevanz von Netzwerkstrukturen geworfen. Die Alpha-Männer beschreiben ihre Verbindungen als natürliches Resultat von Männerfreundschaften, die sie als selbstverständlich ansehen. Gerade deutsche Führungskräfte beschreiben dabei interne männliche Machtzirkel, die Frauen systematisch ausschließen.

 

Die Spitzenmänner wünschen sich, dass Frauen in den Arenen der Unternehmen, den Meetings, sichtbarer werden und zugleich das Aggressionsverhalten von Männern befrieden. Dafür müssen sich Frauen auf eigene Stärken konzentrieren und gleichzeitig ihre Zurückhaltung aufgeben.

Männerbünde und Wettbewerb bei gleichzeitiger Solidarität sind Kernelemente männlicher Vergemeinschaftung

Der Begriff der Old Boys Netzwerke oder Clubs beschreibt informelle Systeme, in denen sich Männer mit ähnlichem sozialem Hintergrund gegenseitig unterstützen (Webster, 2022). Ursprünglich geht der Begriff zurück auf die Absolventen von privaten britischen Eliteschulen für Jungen. Heute wird der Begriff weiter gefasst und bezeichnet jede Art von geschlossenem System, welches Chancen nur den Mitgliedern ermöglicht (Palmer, 2000; Lalanne, 2022). Es kann also auch Mitglieder einer bestimmten Universität oder Schule unabhängig vom Geschlecht bezeichnen und könnte dann mit einer Alumni Assoziation gleichgesetzt werden.

 

International wird der Begriff in leichten Variationen verwendet. Während in Australien neben Old Boy auch Old Girl Clubs die Alumni von privaten sehr bekannten Eliteschulen bezeichnet, gibt es in Finnland „Brüder Netzwerke“, die von einflussreichen Männern besetzt sind, die sich gegenseitige Vorteile verschaffen. Auch in der Schweiz und den UK, Hong Kong oder in Indien beziehen sich Old Boys Netzwerke auf männliche Absolventen von privaten Eliteschulen. In den USA wird der Begriff überwiegend auf im beruflichen Kontext verwobene einflussreiche Mitglieder bezogen, aber teilweise auch auf die Zugehörigkeit zu den amerikanischen Eliteschulen (McClain, 2018). Der Studentenclub der Old-Boys wird im Zeitablauf zu einem beruflichen Männerclub. Diese Systeme sorgen für eine grundlegende Gruppenstärkung der bereits in der Universität geknüpften Bande. Nach dem Prinzip des Alt-Bekannten und des Vertrauten- Gleichen greifen die Mitglieder bei Arbeitsstellensuche auf die „Old-Boys“ aus zurück. In den Antworten der Topmanager vermischen sich Beispiele von externen Männerclubs mit unternehmensinternen Verbünden, die vor allem bei den deutschen Interviewten genannt wurden.

 

Deutsche Führungskraft: Da ist man halt eben im Kamin und dieser Kamin, der wird halt befeuert. Und er wird nicht notwendigerweise befeuert durch eigene, individuelle Leistung, sondern er ist eben befeuert durch ein Network und ein Boys Netzwerk. Ich habe mal mit X (Unternehmen) für eine Position interviewt und da kam ein interessanter Satz, der hieß dann, „Herr Doktor S., Sie müssen erst einmal Xsianisiert werden.“ Das beschreibt genau dieses Thema. Es ist eben dieser Kamin, dieser X-Kamin, der hat eben eine professionelle Seite, und dann die neben dem eigentlichen Job, diese in Anführungszeichen „soziale“ Seite, aber die ist mehr als sozial. Die ist eben sehr beruflich bedingt und darüber werden dann auch Karrieren gemacht, das ist halt ganz einfach so bei X (Unternehmen).

 

Spanischer CEO: Ich denke, es stimmt, dass Männer diese soziale Ader haben. Wir lieben es, Zeit zusammen zu verbringen, Party zu machen, essen zu gehen, Sport zusammen zu machen, weil wir wie Jungen sind oder große Teenager. Das bleibt bei Männern ein ganzes Leben so, egal wie alt sie werden. Das Gefühl von Freunden umgeben zu sein, Kameraden, unter Männern, trinken und Witze machen, es ist einfach die Wahrheit. Das ist ein Fakt.

 

Ich mache all das, aber nicht innerhalb des Unternehmens. Ganz selten gibt es ein Essen oder eine Party im Unternehmen. Sicher nicht mit Mitarbeitern. Auch selten mit meinem Chef oder Peers. Ich mache das mit Leuten aus anderen Unternehmen. Es geht dabei um Spaß und ein dichtes Netzwerk, was nicht so sehr für die Karriere ist, aber für das Business. Und wenn das Business läuft, dann ist es gut für die Karriere. Ich denke erst kommt der Spaß, weil wir das einfach mögen und dann resultiert das in gute Kontakte für Business. Dann läuft die Karriere.

 

Boys Clubs sind eine Form von Netzwerken, die innerhalb von Unternehmen aktiv werden oder sich über viele Berufszweige hinweg unternehmensunabhängig formieren. Verschiedene Forscher definieren Networking als eine mikropolitische Machttaktik, mit der organisatorische Akteure strategisch-planvoll, bewusst versuchen, das Beziehungsnetzwerk, das sie umgibt, zur Verwirklichung eigener Interessen zu gestalten und zu nutzen (Reiners 2008; Rastetter, 2011). Prozesse werden aus einer sozialen und interessengeleiteten Rationalität erklärbar und nicht mehr vor allem ökonomisch rational (Ortmann, 2003).

 

Mikropolitik ist nach Neubauer (2006) „das Arsenal jener alltäglichen ‚kleinen‘ Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen“. Organisationen sind hier definiert als Arenen, in denen die Mitwirkenden interessensgeleitet intervenieren und verhandeln. In diesem Zusammenhang spielen die zugrundeliegenden Motive für Netzwerke eine Rolle. Max Weber definiert Macht in dieser Rationalität als Chance den eignen Willen innerhalb einer sozialen Beziehung auch gegen Widerstreben durchzusetzen (Weber, 1972). Persönliche Macht ergibt sich anders als hierarchische Macht aus dem mikrotaktischen Verhalten zu dem Networking gehört. Jede Führungskraft ist in ein Netzwerk von internen und externen Beziehungen eingebunden. Die sich individuell abgeleitete Matrix von Beziehungen ist dynamisch, da sich jedes Mitglied mit dem Erwerb von Machtmitteln beschäftigt.

 

Macht wird konkret, wenn sie auf der Beziehungsebene als Machttaktik aufgebaut, ausgebaut und genutzt wird. Zur mikropolitischen Kompetenz gehört das Erkennen von mikropolitischen Strategien anderer und die Integration geeigneter mikropolitischer Taktiken in das eigene Handlungsrepertoire (Cornils, 2020). Networking und das Bilden von tragfähigen Stakeholder Beziehungen, also enger Koalitionen, sind aufstiegsfördernde Strategien. Eng verbunden mit Networking, ist die Taktik Koalitionen zu bilden. Führungskräfte im Management haben in der Regel eine Fülle von Stakeholder wie Kollegen, Mitarbeiter, Vorgesetzte, Dienstleister, Geschäftspartner und viele andere. Jeder dieser Akteure hat das Ziel bestimmte Interessen durchzusetzen und ist auf situativ richtige Taktiken angewiesen.

 

Deutsche Führungskraft: Es gibt genügend Unternehmen, glaube ich, in denen diese Kultur dieser Bündelei durchaus ausgeprägt ist. Es gibt aber auch Unternehmen, in denen es, es zum guten Ton gehört, dass dort Frauen ganz normal auch mit dabei sind. Da gibt es halt diese sozialen Events, wobei, die haben insgesamt eine ganz andere Dynamik und da ist es jetzt nicht notwendigerweise damit verbunden. Ich glaube, da ist der soziale Aspekt dann ein ausgeprägterer, als eben in diesem klassischen Männer-Barbecue-und- „Wir reden über Autos, Fußball und Frauen“- Kind of Thing. Ich glaube, es hängt natürlich immer von dem Unternehmen ab. Aber es ist, glaube ich, unheimlich schwer für eine Frau, sich da reinzureklamieren und ich glaube auch nicht notwendigerweise, dass sie daran Freude hätte.

 

Grundelemente aller hierarchischen Ordnung sind Ausschluss und Vergemeinschaftung (Türk, 1995). Spezifische Ausschlussmechanismen sichern die Realisierung exklusiven Chancen, die über Netzwerken realisiert werden. Frauen im Management sind von dem Ausschluss oder fehlenden Zugang zu karriererelevanten Netzwerken besonders häufig betroffen. Dieses Phänomen lässt sich aus dem Zusammenhang von Geschlecht, Vergemeinschaftung und sozialer Schließung erklären. Max Weber (1972) prägte den Begriff der „sozialen Schließung“ und bezeichnet damit die Monopolisierung von Privilegien, Macht und Ressourcen.  Vergemeinschaftung und soziale Schließung zählen zu zentralen Funktionen und Wirkungsweisen von Männernetzwerken (Jüngling, 2009). Die Prinzipien der Vergemeinschaftung ähneln jenen rein homogen zusammengesetzten männlichen Gemeinschaften oder Männerbünden, wie sie im Militär, in Kirchen, Männerclubs und Burschenschaften zu finden sind (Doppler, 2007).

 

Japanischer CEO: Es ist richtig. Wir haben viele Männer-Clubs. Golf ist da ein typisches Beispiel. Ich spiele zwei Mal im Monat Golf. Ich gehöre zu einem Club und habe Freunde dort, bin Mitglied und klar, da sind Senior Führungskräfte. Die reden immer übers Geschäft, Politik, Zeitungsartikel. Da ist keine Frau dabei, um es ganz ehrlich zu sagen. Da schließen wir Verbindungen, vielleicht über das Golf spielen hinaus. Ich kann zum Hörer greifen und einen davon anrufen und ihn was fragen. Informationen bekommen über Geschäfte. Das ist so. Das sind Männer Clubs, die sogenannten. Ich bevorzuge es, ehrlich gesagt, nur mit meinen männlichen Freunden zu trinken. Mit diesen Drinks oder Essen baue ich meine Business Beziehungen aus und bekomme Informationen über andere Unternehmen, Insider Informationen.

 

Das ist der japanische Stil, vielleicht auch US oder Europa. Männer Welten. Die Frage ist, wie Frauen da hineinkommen? Ich habe da keine Antwort darauf. Aber ich habe einige sehr hohe Frauen kennengelernt. Auch in der Regierung. Die haben ihr eigenes Netzwerk. Vielleicht ein Netzwerk unter Frauen. An einem Punkt werden Männer erkennen, dass sie auch in die Frauennetzwerke hineinmüssen, weil es für das Business besser wäre. Ein gemischtes Netzwerk? Nicht so einfach denke ich. Weil viele Frauen Kinder haben. Ich spiele am Wochenende Golf und meine Frau ist bei den Kindern. Sie beschwert sich dann. Deshalb gehe ich nur zwei Mal im Monat.

 

In Teamspielen lernen Jungen und Männer früh, miteinander zu kooperieren und gleichzeitig Konkurrenten zu sein. Pierre Bourdieu (1982) nennt dies die „ernsten Spiele des Wettbewerbs“, die Männer unter sich austragen. Männlicher Habitus wird demnach in einem nur Männern vorbehaltenen Raum „konstruiert und vollendet“, in dem sich Wettbewerb unter Männern abspielt. Die Wettbewerbsspiele, die Bourdieu anführt, werden in verschiedenen Handlungsfeldern gespielt, wie beispielsweise der Wirtschaft, der Politik, Wissenschaft und weiteren Bereichen. Auch Vereine und Freundschaftskreise zählen hierzu. Frauen kommt dabei eine nicht unwichtige Rolle zu, die der Zuschauerinnen, die den Männern ein möglichst positives Bild ihrer selbst zurückspiegeln.

 

Männer stehen sich als Partner-Gegner gegenüber. Der Wettbewerb trennt also Männer nicht voneinander, sondern ist ein wesentliches Mittel männlicher Vergemeinschaftung (Meuser, 2003). Wettbewerb und Solidarität sind dabei zentrale Elemente. Studentenverbindungen sind gute Beispiele hierfür. In ihnen erleben Männer Konkurrenzdruck bei gleichzeitiger Kameradschaft. Trinkrituale, bei denen Männer um die Wette gegeneinander und miteinander trinken veranschaulichen den scheinbaren Gegensatz. Das Mensur-Schlagen ist ein anderes Beispiel, wo in dem wechselseitigen Versuch den anderen zu verletzen, Gemeinschaft gestiftet wird.

 

Der Konstruktion von Männlichkeit liegt eine Logik der Unterscheidung von Dominanzverhalten anderen Männern, sekundär aber auch Frauen gegenüber, zu Grunde, welches Bourdieu (1982) als „Libido dominandi“ bezeichnet. Der erste männliche Freundeskreis, die Clique, verdeutlicht die Abgrenzung gegenüber Frauen, die oft mit einer Abwertung einhergeht. Darin kommt auch die „Stärke schwacher Beziehungen“ zum Ausdruck. Männer profitieren voneinander, ohne sich zwangläufig sympathisch oder in der Sache einig zu sein. Wettbewerbsdenken trägt dazu bei, Beziehungen instrumentell zu bewerten und von sich als Person zu trennen.

 

Es sind männliche Vergemeinschaftungspraxen, auf denen männerbündische Netzwerke basieren. Für männerbündische Strukturen in Unternehmen ist die Stabilisierung männlicher Identität ein zentrales Motiv. Dabei konstruiert sich Männlichkeit trotz des Wandels hin zu mehr Gender Diversität im Management über die Führungstätigkeit. In den Interviews beschreiben vor allem europäische und japanische Alpha-Männer den Ausschluss von Frauen aus internen Netzwerken. Die in Asien und Russland tätigen Männer bewerten das Thema positiver und berichten von für Frauen offenen Netzwerken.

 

Networking im chinesischen Kontext bekommt besondere Bedeutung vor dem Hintergrund chinesischer Guangxi-Prinzipien, die gesellschaftlich fest verankert sind und somit weitaus größere Bedeutung für Karrieren bekommen können als das Networking im rein westlichen Verständnis. Guangxi kann als ein definiertes System betrachtet werden, das verwendet wird, um Gefälligkeiten auszutauschen und Ziele zu erreichen (Yang, 1986). Diese Gefälligkeiten sind ein gleichwertiger Austausch zwischen zwei oder drei Parteien, verstoßen gegen keine Regeln und sind als solche in der engen Definition des Begriffs nicht korrupt. Chinesen sind sich des Guangxi sehr bewusst, wenn es darum geht, Beziehungen aufzubauen, zwischenmenschliche Bindungen zu intensivieren und persönliche Abhängigkeit aufzubauen. Nach Leung (2002) übt Guanxi Macht über die eigene Karriere aus und hat einen signifikanten Einfluss auf das Erreichen persönlicher Ziele.

 

Obwohl Männer und Frauen Guangxi dieselbe starke Wirkung zusprechen, sehen sie den Nutzen für ihre Karrieren unterschiedlich. Studien zu folge, sind Männer eher in der Lage, Guangxi relationships aufzubauen. Guangxi ist dabei assoziiert mit „face“, dem Selbst-Image was jemand öffentlich anstrebt. Der Grund für eine weniger starke Nutzung von Guangxi bei Frauen wird hauptsächlich darin gesehen, dass traditionell der Ruf einer Frau in der chinesischen Gesellschaft leiden könnte, wenn sie zu starke Verbindungen zu Männern mit dem Ziel aufbauen, in ihrer Karriere aufzusteigen.

 

GM China: Netzwerke? Meinen Sie Guangxi oder die Verbindungen zu Ausländern. Das funktioniert etwas anders. Ohne Guangxi geht in China nichts. Frauen machen das genau wie Männer. Manchmal ist es vielleicht für Männer einfacher, im Norden. Aber hier in Shanghai sind Frauen stark darin. Unternehmerinnen machen ihre Geschäfte genau wie die Männer mit Guangxi. Vielleicht müssen Frauen manchmal mehr aufpassen, aber die wissen schon, was sie wollen, im Umgang mit männlichen Geschäftspartnern.

 

CEO Deutschland: Ich kann es nachvollziehen. Ich kann es sehr gut nachvollziehen sogar und ich habe es auch so erlebt. Ich habe es aber nie so gespielt. Ich fand es durchaus auch immer mal wieder lästig. Also ich muss dazu sagen, diese Boys-Clubs, um dieses Wort zu nehmen, ich weiß, dass es sie gibt und sie haben mich immer wahnsinnig angekaast, weil ich gar nicht der Typ bin, der das tut. Also abgesehen davon, dass ich kein Barbecue mag, also kein Fleisch esse. Aber sagen wir mal so, es klingt stereotyp. Es ist in der Tat so, es ist die Realität, so, wie ich sie in den unterschiedlichsten Kulturkreisen, in den unterschiedlichsten Unternehmen kennengelernt habe.

 

Holländischer CEO: Ich habe mich das öfter gefragt, wie das wohl wäre, wenn ich eine Frau wäre. Auf den langen Fahrten. Wie würde das wohl gehen? Die Witze waren oft, naja…. Ich habe darauf keine Antwort. Ich denke, man muss seine Limits ganz klar machen. Dann bekommt man auch Respekt. Ich selbst habe mich auch an zwei Abenden ausgeklinkt, weil ich genug hatte. Zwei Abende war ich dabei und zwei nicht. Das wurde dann respektiert. Es ist schwieriger für eine Frau. Da würde viel mehr Druck entstehen. Man muss irgendwie einen guten Kontakt herstellen, aber immer seine eigenen Grenzen klarmachen. Auch ich muss das. Einer der Ausländer erzählte mir in China, dass er abends eigentlich zu müde war. Und am nächsten Tag waren die Entscheidungen alle beim Abendessen gefallen, ohne ihn. Man muss da mit, ob man will oder nicht.

 

Frauen müssen ihren eigenen Weg finden, an dem Tisch dabei zu sein. Wenn sie sagen, dass sie nicht an dem Dinner teilnehmen, hmm, dann sind sie nicht Teil der wichtigen Diskussionen. Die Frage wäre dann, wie sie Teil der wichtigen Diskussionen sein könnten und gleichzeitig ihre eigenen Grenzen durchsetzen. Ich denke, wenn man das gar nicht will, ist man draußen. Das ist die Wahrheit.

 

Bettina A-Sadik-Lowinski: „Alpha-Mann und Alpha-Frau: Internationale Topmanager über Strategien zu mehr Gender Diversität und gemischten Führungsspitzen“, DeGruyter, 364 Seiten, 24,95 Euro.

Alpha-Mann und Alpha-Frau (degruyter.com)

 

 

Verschiedene Wissenschaftler haben sich mit der Frage des Einflusses von Netzwerken auf Karrierechancen und Aufstiegsmöglichkeiten beschäftigt. Den Einfluss von sogenannten „Schattenstrukturen“ (aus dem engl. „shadow structures“) innerhalb von Unternehmen beschreiben Forscher wie Kanter (1977) und decken auf, wie Frauen und Minderheitsgruppierungen von informellen Informationen und sozialen Aktivitäten ausgeschlossen werden. Die Folge daraus, so die Forscher, ist primär ein schlechterer Zugang zu Beförderungschancen. Diese Argumentation steht im Einklang mit den Vorteilen, die den sogenannten „Old-Boy“ Netzwerken zugeschrieben werden, in denen in der Regel einflussreiche Männer Mitglied sind und durch ihre Zugehörigkeit Zugang zu Einfluss und Status erhalten. Die Mitgliedschaft in diesen Netzwerken wird auch verbunden mit informellem Zugang zu karriererelevanten Informationen und einer erhöhten Chance zu Beförderungen (Hogan 2008; Oakley, 2000). Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ein Ausschluss aus den Netzwerken, den Zugang zu wichtigen Informationen erschwert oder unmöglich macht und Auswirkungen auf den Aufstieg in einem Unternehmen hat. Auch der Zugang zu guten Positionen im Markt wird ohne Netzwerk erschwert.

 

Französischer CEO: Ja das stimmt alles. Ich spiele Golf und ich liebe Barbecue und ich mache so Geschäfte. Gerade habe ich ein Fußballspiel für alle Kunden organisiert. Wir haben viel Spaß, die Familien kommen alle, die Kinder. Wir trinken zusammen, es ist eine große Familie. So kann ich als CEO nahbarer werden, mich mit den normalen Mitarbeitern mischen.

 


Innerhalb des Unternehmens läuft das nicht. Gerade in Frankreich haben wir keine Burschenschaften wie in den USA, aber wir haben eine spezielle Beziehung der Absolventen der gleichen Schulen. Ich denke nicht, dass man seine Karriere dadurch macht, viel Zeit mit internen Beziehungen zu verbringen. Sicher, wenn man Beziehungen hat, hilft das schon. Aber am besten geht das, wenn die Leute, die die eigene Karriere beeinflussen können, sich an einen erinnern. Laut und klar sprechen während der Meetings. In den Meetings beobachten die Entscheider und manchmal identifizieren sie Kandidaten dort.

 

Eigentlich ist es verrückt. Man nimmt das Mikro, redet drei Minuten brillant, jeder erinnert sich und man kommt auf die Liste der fast Tracks. Nur weil man drei Minuten brillant geredet hat. Es ist schon verrückt. In Frankreich ist es so. Du bist Ingenieur dieser Ecole. Dann nimmst Du einen Ingenieur von Deiner Universität für den Job. Egal ob Mann oder Frau. Das ist gleich. Das Netzwerk der Ecole ist ausschlaggeben, nicht das Geschlecht. Ob Frauen da mitmachen sollten? Ich denke, sie sollten, ganz klar.

 

CFO Deutschland: Also sagen wir mal so, ich fand diese Boys Clubs immer lästig. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich mich da immer zu hundert Prozent entziehen hätte können. Sagen wir es mal so, jetzt in prozentualen Anteilen: An etwa fünf Prozent habe ich teilgenommen. Also von eben hundert Treffen bin ich eben zu fünf Treffen gegangen, so ungefähr. Vielleicht waren es auch zehn, also zehn Prozent. Warum geht man da hin? Es geht ganz einfach darum, ein enges Netzwerk zu pflegen. Man ist mit dem Line Manager dort, man ist mit seinem Abteilungsleiter dort. Es geht eben darum, das Gesicht zu zeigen, es soll die Karriere befördern. Streckenweise, für mich war es immer ein bisschen bündeln sozusagen.

 

Was ich im UK erlebt hatte, war dann eben halt ein Club. Dann war es eben halt ein guter Ton, dass man eben einem Club angehört hat, teilweise eben halt auch ein reiner Gentlemen-Club, wo eben nur Männer reingehen konnten. Man war unter sich und es war halt eben fast schon wie eine Kaste. Das hatte eben etwas sehr Konservatives an sich, etwas sehr eben Bündlerisches oder früher waren es eben diese Verbindungen, diese studentischen Verbindungen. Ein Überbleibsel eines Relikts aus längst vergangenen Zeiten, an denen man halt gerne festhält. In Deutschland ist es dann die Grillparty bei jemandem zuhause, wo halt die Frauen auch nicht mit dabei sind. Aber die Hierarchie ist mit dabei. Die Vorgesetzten, die klassischen Alpha-Tiere, verharren dann in ihrer Rolle und die Themen werden dann relativ schnell sehr, sehr eindimensional. Die können sich bei den Treffen „entsprechend produzieren“. Und eben, es gibt genügend Leute, die sich da sehr, sehr wohlfühlen da drin.

 

Für viele stellt es sicherlich auch eine gewisse Flucht dar, so nach dem Motto, in der Tat, „Was soll ich zuhause machen? Da sitzt meine Frau mit den beiden kleinen Kindern. Also bevor ich jetzt die Kinder ins Bett bringe und ich weiß nicht was, dann bin ich doch lieber mit meinen Kumpels oder ich gehe am Samstag zum Golf.“ Und ja, da ist sehr viel Wahres dran.

 

Holländischer CEO: Na klar, mache ich das. Ich nehme dann zwei Whisky, obwohl ich eigentlich nicht viel trinke, aber für meinen Kunden ist es wichtig. Er mag über Strategien reden, wenn wir im Auto herumfahren. Weite Strecken. Einmal bis Kroatien. So ohne Plan. Abends dann trinken. Ich musste da mit und habe meine eigene Agenda im Hinterkopf behalten und den Moment gesucht die Dinge anzusprechen, die ich wollte. Ich habe also zwei bis drei Drinks genommen, weil ich wusste, dass es nicht gut ankommt, wenn ich das ablehne. Ich weiß aber jederzeit, was ich erreichen will, bei solchen Abenden.

 

Befragt nach der Bedeutung von „Old Boys Clubs“ für die eigene Karriere unterscheiden die Alpha-Männer zwischen Businessnetzwerken außerhalb des Unternehmens und internen Beziehungen. Die Mehrheit pflegt externe Netzwerke mit Mitgliedern aus anderen Unternehmen. Primäre Motivation, gerade bei den Expat CEO ist es, gemeinsam Hobbies nachzugehen, Sport zu machen und als guter Nebeneffekt Kontakte für das Geschäftsleben aufzubauen. Einige der CEOs, die in China tätig sind, schildern, dass hier auch selbstverständlich Frauen dabei sind, wenn sie das Hobby teilen.

 

Mehrere der Männer erläutern, dass sie in ihrem Unternehmen vor Ort keine Netzwerkaktivitäten pflegen, die einzelne Gruppen ausschließen. Sie begründen das mit ihrer verantwortlichen Rolle in der Landesorganisation und dem Wert, die Mitarbeiter gleich zu behandeln. Gerade in China entspricht das der gängigen Businesspraxis und gemeinsame Abende finden mit Frauen und Männern gleichermaßen statt. Die Netzwerkaktivitäten verlagern sich auf außerhalb des Unternehmens. Da sie selbst bereits an der Spitze der Macht angekommen sind, sind nützliche interne Beziehungen nicht vor Ort, sondern im weit entfernten Mutterhaus angesiedelt.

 

Französischer CEO: Sie haben Recht. Ich mache das auch. Sport und so- männliches bonding, Beziehungspflege. Ich mache auch gern Musik. Ich hatte immer männliche Freunde und wir haben zusammen unsere Zeit verbracht. Aber das ist ja nicht exklusiv. Meine Frau hat auch ihre Girls-Runden. Für mich sind diese Freundschaften Zeit für mich. Teil meiner persönlichen Entwicklung, Beziehungspflege. Männer Bindungen sind für mich Freundschaften. Das hat nichts mit „wir gehen jetzt mal trinken“ zu tun. Das gibt es in China. Abendessen und dann muss man dann betrunken werden, als Business Ritual. Da sind übrigens auch Frauen in hohen Positionen mit dabei. Es ist nicht so mein Ding. Ich habe keinen guten Drink mit Leuten, die ich kaum kenne oder mit Mitarbeitern. Mit mir würde man nicht unbedingt trinken gehen wollen.

 

Nur wenige der Männer, die sich selbst als eher introvertiert sehen, halten nicht viel von den üblichen Trink- und Grillabenden, die im englischsprachigen Raum für die Männerrunden stehen.  Sie gehören der Minderheitsgruppe von männlichen Führungskräften an, die soziale Zusammenkünfte unter Männern aber auch gemischte Events meiden, weil sie nicht ihrer Grundpersönlichkeit entsprechen. Sie berichten, dass dieses Verhalten auch bei diesen Männern zu kritischen Bemerkungen oder Wertungen führte. Bei ihnen selbst vollzog sich der Aufstieg über andere Mechanismen, die keinen Schwerpunkt auf Vernetzung haben, wohl aber auf Sponsoring. Sie kommen zu dem Schluss, dass es trotzdem für sie als Mann immer leichter war, Karriere zu machen als für eine Frau.

 

US CEO: Was für ein interessanter Gesprächsstart. Es ist beleidigend zu glauben, dass alle Männer gleich ticken, genauso wie es beleidigend wäre zu glauben, dass alle Frauen gleich ticken. Ich selbst spiele kein Golf, ich trinke nicht. Ich bin ein Introvertierter. Ich mag die Gesellschaft meiner Frau als Freund und als Partnerin mehr als alles. Wenn ich diese blöden Interviewfragen von Zeitungen bekomme „Mit wem würden Sie gern essen gehen?“ Dann sage ich „Mit meiner Frau“. Weil ich dann ganz ich selbst sein kann. Ich bin also nicht der richtige für diese Frage. Ich mag es nicht, das trinken und golfen. Ich bin ein Arbeiter. Ich weiß, dass andere denken, dass ich nicht in ihrem Club bin.

 

Unabhängig davon ist es klar, dass es für Männer bisher einfacher war, egal welchen Weg sie wählen. Das ändert sich aber gerade. Ich glaube, es hängt auch davon ab, was man als Boys-Club definiert. Ist es leichter für Männer? Historisch gesehen, eindeutig ja. Ich glaube in jeder Gesellschaft wird die dominante Gruppe die befördern, die ihnen ähnlich sind, eher als die die anders sind. Ich glaube das gilt für einen Stamm in Australien, wie für Jugendliche in Schottland, die im Park trinken am Samstag. Das ist also nicht erstaunlich, dass das als Boys Club gesehen werden kann. Ich bin mir nicht so sicher, ob diese Boys Clubs so viel Wert haben. Bis zur Mitte der Karriere sind sie wertvoll, aber darüber hinaus, bis zum CEO, muss man performen. Ich würde es als Netzwerk und nicht als Boys-Club bezeichnen, da das zwei unterschiedliche Dinge sind. Ein Netzwerk von Beziehungen ist natürlich von Vorteil. Solange man es nicht nur zum Trinken oder Golf nutzt. Wenn Frauen das als Boys-Clubs interpretieren, denke ich, dass das Wort Netzwerk positiver wäre. Netzwerke sind positiv, wenn sie richtig genutzt werden. So wie ich ausschließlich LinkedIn nutze, keine anderen Social-Media-Kanäle. So wie wir uns für diese Forschung vernetzt haben. Sie machen etwas Sinnvolles. Das hat ein sinnvolles Ziel. Also ist es gut zu Netzwerken, egal ob sechzig oder einundzwanzig, egal ob Mann oder Frau.

 

Australischer Executive: Ich komme nach Hause und verbringe Zeit mit der Familie. Ich spiele kein Golf. Ich habe definitiv keinen Boys Club. Ich habe aber definitiv männliche Freunde, aber auch weibliche Freunde. Der Grund, warum ich nach Hause gehe, ist bei meiner Familie zu sein, meiner Frau, meinen Töchtern und meinem Sohn. Früher gab es das wirklich, aber auch heute immer noch, diese Kerle, die zur Arbeit gehen und dann trinken gehen, rumhängen. Traditionell ist es nun mal so, dass die Frauen für die Erziehung zuständig waren. Ich denke erst in der letzten Generation ändert sich das. Aber es ändert sich noch nicht so viel, wie nötig wäre. Bei meiner Schwester ist der Ehemann zu Hause und sie ist die Senior Führungskraft. Meine andere Schwester leitet ihr eigenes Unternehmen. Ich komme also aus einem eher untypischen Umfeld.

 

In der Literatur werden auch die sogenannten „Neuen Old Boys“-Netzwerke diskutiert. Damit gemeint sind Netzwerke, die sich durch die Internet Communities gegründet haben. Gab es am Anfang die Hoffnung, dass diese sich hinsichtlich der Diversity von den „Old Boys“ Netzwerken unterscheiden, kommen Forscher zu der Erkenntnis, dass sie zwar von außen betrachtet jünger und trendiger scheinen, im Kern aber viele Gemeinsamkeiten mit den alten Strukturen aufweisen. Der Grund wird darin gesehen, dass auch in der Internetindustrie eine Mehrheit der entscheidenden Toppositionen von Männern bekleidet wird (Griffith, 2000). Technologie ist seit je her ein Bereich, in dem Frauen Mangelware sind und die „Neuen Old Boys Netzwerke“ erschweren den Aufstieg für die wenigen Frauen, die es in diesem Bereich versuchen.

 

CEO US: Ich sehe jetzt neue Arten von Boys Clubs. Ich sehe das in Silicon Valley, in den STEM Jobs mit weniger als zehn Prozent Frauen. Es geht um Computer, Coding, vierundzwanzig Stunden am Tag. Das machen die Jungs scheinbar lieber als die Frauen. Es gibt einfach mehr Männer dort.

 

Auf die Frage, wie Frauen in relevante Netzwerke im Unternehmen kommen können, gibt es verschiedene Sichtweisen und auch nachdenkliche Momente. Den Männern ist bewusst, dass Frauen bei Männerrunden oder längeren Ausflügen in einem Dilemma sein könnten, welches oftmals als der „feine Grad“ beschrieben wird. Sie kennen Beispiele von Frauen, die mit stereotypen männlichen Verhalten in Trinkrunden ihren „Mann standen“. Und sie beschreiben auch, die Möglichkeit sozial geächtet zu werden, wenn eine Frau männliches Feierverhalten im Geschäftsumfeld adaptiert.

 

Japanischer CEO: Ja, früher war das sehr normal. In Japan ist Golf Freizeit, aber auch um Business Kontakte zu pflegen. Manchmal auch eine Ausrede, um raus zu kommen, jemanden zu treffen. Diese Männer Clubs haben also eine Menge von Gründen. Aus Sicht einer Frau ist das natürlich merkwürdig. Wir haben auch Barbecue und das Trinken. Nach der Arbeit Essen gehen und dann trinken, das ist Tradition, vor allem auch mit Kunden. Jetzt wird das alles etwas weniger. Jetzt wollen einige das nicht mehr. Sie bevorzugen Frühstückstreffen oder Mittagessen. Das ist der neue Kompromiss. Aber es gibt immer noch viele Männer, die den alten Stil bevorzugen.

 

Ich selbst passe sehr auf solche Dinge auf, da ich fünf Frauen unter mir habe und sieben Männer. Wir machen dann Mittagstermine, denn abends wollen viele Frauen nicht kommen, wegen der Kinder. Und es gibt jetzt auch Mitarbeiter, die tatsächlich Geld für Überstunden am Abend verlangen. Es ist auch eine Generationenfrage. Im Unternehmen denke ich ist es jetzt halb und halb bei den Männern. Frauen müssen ihr Unternehmen leider sehr sorgsam wählen, wählen in welche Kultur sie kommen.
Ein Beispiel aus den Medien ist von einer Politikerin. Sie beschrieb in einem Interview, dass sie niemals ein Abendmeeting mit Trinkerei ausgelassen hat. Das hat sehr kontroverse Reaktionen ausgelöst. Einige sagen, so müssen wir Frauen das machen. Andere meinen, das sei Vergangenheit. Früher bekamen die Politikerinnen, die abends mit ausgegangen sind, bessere Positionen. Heute gibt es dazu gemischte differenzierte Reaktionen. In einigen Unternehmen läuft es weiter so, in anderen nicht. Für Beförderungen ist der soziale Aspekt wichtig. Bei gleicher Qualifikation, wenn eine Führungskraft nicht am Sozialleben teilnehmen kann, dann ist es ein Minusfaktor, egal ob Mann oder Frau.

 

Russischer CEO: Ich denke, das ist irgendwie Vergangenheit. Vielleicht in der Vergangenheit, da war es so, aber heute sehe ich keinen Unterschied in den Karriereverläufen von Männern und Frauen. Ich selbst zum Beispiel trinke kein Bier, ich trinke eh keinen Alkohol und mag kein Barbecue. Ich spiele kein Golf, aber was ich mache ist viel Sport, Judo. Da sind viele Männer, viele Führungskräfte kommen dahin, um Stress abzubauen. Deshalb haben wir unseren Männer Club. Ich gehe auch schwimmen und laufen, da ist nicht wirklich Unterhaltung mit Frauen dabei. Wenn ich Business in China gemacht habe, waren wir oft im Restaurant, im Nachtleben, auch Sauna und haben da unsere Verhandlungen geführt. Wenn Frauen aus Russland dazu kamen, hatte ich meine chinesische Partnerin und sie ist mit den Frauen gegangen. Dann haben wir hinterher verhandelt.

 

Meine chinesischen Geschäftspartnerinnen hatten immer männliche Mitarbeiter dabei und die sind dann hinterher für die Nachverhandlungen mitgegangen. Der Kern, wie sie Geschäfte machen, war derselbe. Die Verhandlungen wurden im Konferenzraum geführt. Hinterher waren die Männer unter sich. Wenn die Frau die Entscheiderin war, gab es aus meiner Sicht keinen Unterschied, bis auf, dass sie beim Ausgehen nicht in der Männergruppe war.

 

Deutscher Marketingleiter: Bei einigem kann ich zustimmen, bei anderen nicht. Wo ich auf jeden Fall zustimmen würde, ist, dass Männer länger im Büro bleiben, um die Kinder nicht mehr zu sehen. Das ist bei mir auf gar keinen Fall der Fall, aber ich habe ganz viele davon beobachtet. Wenige, die so wirklich mit anpacken und nochmal einkaufen und so. Ich kannte da einige, für die war es ganz nett, wenn da die Kinder noch auf einen Gutenachtkuss kamen, aber ansonsten keine Arbeit mehr. Ich persönlich habe das 1997 noch in Australien gesehen, dieses Barbecue und trinken und Club und so weiter. Aber das baut sich sehr stark ab, finde ich. Weil wir Männer nun auch mehr Verantwortung übernehmen, im Haus helfen. Ich glaube, das, was die Amerikaner so oder Engländer so Butch nennen, diese Männerclique, das verändert sich gerade.

Männer empfehlen mehr eigene Frauen-Clubs und Solidarität unter Frauen

Die Männer reflektieren verschiedene Möglichkeiten, wie Frauen ihr Netzwerkverhalten stärken können. Neben der Empfehlung geschickt bei den Männern mitzumischen, stehen eigene Frauennetzwerke oben auf der Liste der Empfehlungen. Die Männer sehen weiterhin zu wenig kritische Masse in den verschiedenen Ländern. Außerdem beobachten sie eine Schwäche bei einiger Frauen, die diese an effektiver Unterstützung hindert. Sie beobachten mangelnde Solidarität vieler Frauen, mit besonders erfolgreichen Geschlechtsgenossinnen. Männer beobachten, wie Frauen andere Frauen durch Bias und negative Urteile ihrer Kompetenz in ihrer Position schwächen. Diejenigen Männer, die sich ausführlich mit Diversitätsfragen beschäftigt haben, verstehen die Gründe dafür, dass Frauen weiterhin nicht gelernt haben, gleichzeitig im Wettbewerb zueinander zu stehen und Solidarität zu leben.

 

Die Gründe liegen wiederum in den erlernten Rollen und den weiblichen Regeln für die Gemeinschaft in Frauengruppen, die nicht auf Wettbewerb ausgerichtet waren. Die Männer geben Schützenhilfe, wenn sie Situationen beobachten, in denen Frauen andere Frauen bekämpfen. Sie empfehlen den Kolleginnen unbedingte gegenseitige Unterstützung. Das gilt für die Vernetzung zwischen Frauen in Frauen-Clubs und genauso für die Präsenz mehrerer Frauen in Meetings.

 

CFO Deutschland: Ob jetzt dann eine Parallel-Veranstaltung eingerichtet wird und man es eben ganz einfach in gleicher Form tut, aber halt eben als Frau oder unter Frauen oder ganz bewusst einen Kontrapunkt setzt und eben eine entsprechend gemischte, also eine diverse Veranstaltung dann da ins Leben ruft, das bedarf natürlich dann auch, wenn man jetzt in einer Linien-Organisation ist, natürlich auch entsprechender Umsetzungsstärke, indem dann halt wirklich auch Frauen dann Wortführer werden, die jetzt beispielsweise im Vorstand sind. Bei der Deutschen Telekom beispielsweise mit einer C. oder bei einer PWC mit einer P. Und ich glaube, es wichtig, dass es eben diese Diversität, dass die wesentlich stärker gelebt wird, und auch tatsächlich gemacht wird.

 

CEO US: Ich denke, Frauen schaffen manchmal einen Wettbewerb, der viel grausamer sein kann als bei Männern. Männer sind wie ein stumpfes Instrument. Wir sind wie ein Hammer. Es ist sehr klar, wenn ein Mann einen anderen verprügelt, und ich meine nicht körperlich, ich meine verbal, ich meine, intellektuell. Frauen sind viel mehr wie ein Skalpell. Es gibt eine Annahme, ich denke, dass viele Männer es fördern, dass Frauen sich gegenseitig helfen, weil sie immer noch in der Minderheit sind. Wenn ich mit Frauen aus meinen Teams spreche, erfahre ich öfter, dass sie von einer anderen Frau niedergemacht wurden, anstatt sich gegenseitig zu unterstützen. Anstatt zu sagen: „Oh, das ist fantastisch, dass Frau zum VP-Quality befördert wurde. Das ist super.“ beginnt die Subtilität der Erosion mit ihrer Kompetenz. Negative Kommentare kommen von Frauen. Natürlich mögen nicht alle Frauen alle Frauen, nicht alle Männer mögen alle Männer. Aber wir denken dann öfter „Wow, das sind zwei Frauen in der Höhle des Löwen, man könnte meinen, sie würden sich gegenseitig beschützen, anstatt sich gegenseitig zu opfern“.

 

Deutscher Regionen Leiter: Das deutsche Umfeld ist da vielleicht auch noch fairer, kommt drauf an, wo man fragt. Also, im Osten wird gedolcht, bis zum geht nicht mehr. Da wird auch präventiv intrigiert. Und in Russland war es ganz krass. Also was ich da erlebt habe, wie die Frauen auch untereinander waren. Also, meine Chefin musste einfach die stärkste sein im Wolfsrudel, weil da wirklich auch alle anderen ihren Job haben wollten und das auch sehr eindeutig gemacht haben. Die ist ja jetzt die Leiterin der Ukraine. Also dieses präventiv abmurxen, das hat schon was Stalinistisches.

 

Das ist hier ähnlich, also da hat Deutschland wirklich spezielle Kultur. Von den anderen Ländern in Europa kann ich es nicht sagen, Frankreich ist vielleicht auch noch anders durch diese Elite Kader. Das ist nochmal was anderes. In Amerika war es teilweise auch sehr aggressiv. Also, da wurde auch gut übereinander hergezogen, das was ich erlebt habe. Denn in Amerika ging alles um den letzten Kampf, den Kampf um VP zu werden.

Alpha-Frau kann Aggressionsverhalten von Männern in Meetings befrieden

Meetings sind in Unternehmen wie Arenen, in denen wichtige soziale Prozesse stattfinden. Die Anteile von männlichen und weiblichen Teilnehmern in Meetings hat Auswirkungen auf die sozialen Interaktionen in den Besprechungen. Die Geschlechterzusammensetzung von Teams zeigen signifikante Auswirkungen auf die Teamleistung, Verhaltensmaßstäbe, Bewertungen und soziale Einflüsse. Meetings sind entscheidende Orte, um Mitarbeitern Schlüsselbotschaften zu vermitteln über die Organisationskultur, Organisationsziele und Umgangsformen im Unternehmen.  Die Teilnehmer von Unternehmensmeetings erfahren schnell, welche Rolle sie und ihre Teams im Unternehmen haben. Meetings sind also Arenen, in denen die Teilnehmenden auch erkennen, welchen Stellenwert Gender Diversity in ihren Organisationen hat.

 

Französischer CEO: Die Qualitäten, die sie bringen, mehr Höflichkeit, Frauen sind in gewisser Weise emotional reifer. Männer driften, wenn sie zusammen sind, in diese Geschichte der Jungen ab, was in einem bestimmten Alter wirklich nur noch lächerlich ist. Ich denke, Frauen bringen mehr Reife mit.

 

Forscher wie McGrath (1964) unterscheiden Interaktionen und Beziehungen zwischen den Teilnehmenden, die bereits vor dem Meeting bestehen. Während des Meetings beobachtet er die Dynamik zwischen den Teilnehmenden und den Einfluss auf Ergebnisse des Meetings. In Bezug auf Meetings fanden weitere Forscher wie Baines (2010) und Berger (2015) drei zentrale Aspekte.

  • Erstens wurde analysiert, dass es oftmals zu abwertenden Haltungen gegenüber Frauen und ihrer beruflichen Rolle kommt, zum Beispiel in Form von Witzen auf Kosten der Frauen. Darüber hinaus konnte beobachtet werden, wie zum Beispiel Frauen systematisch als Assistentinnen oder Sekretärinnen eingestuft und behandelt wurden.
  • Zweitens verbünden sich Männer mehr mit anderen Männern und dabei spielen alte Bindungen eine wichtige Rolle, die von außen in das Meeting getragen werden und im Meeting gefestigt wurden. Neue Verbindungen zu Frauen werden dadurch erschwert.
  • Diese Punkte führen drittens dazu, dass Frauen sich von ihrer Weiblichkeit distanzierten durch Anpassung ihres Verhaltens und ihrer Einstellungen. Beispiele hierfür sind starke Demonstration von Fachwissen oder das Herunterspielen kritischer Situationen in den Sitzungen durch die weiblichen Teilnehmerinnen selbst. Diese Untersuchung verdeutlicht die zentrale Rolle der Geschlechterkonstruktion in organisatorischen Kontexten, insbesondere in Meetings. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie sich stereotype Konstrukte in Meetings negativ auf Teilnehmerinnen auswirken.

 

CEO Irland: Was tun Männer, um Frauen in Meetings ein wenig zu untergraben? Ich denke, sie reden zu viel, sie unterbrechen, sie erniedrigen sie in gewisser Weise. Sie ändern das Thema ein wenig, ohne dass es offensichtlich ist, so dass Frauen von dort weggelenkt wurden, wo ihre Meinung eigentlich sehr richtig und wichtig war. Ändern das Szenario ein wenig. Du hörst Männer sagen: „Ja, aber du warst noch nie draußen im Feld, oder du warst noch nie bei einem Kunden, wette ich.“ Na und? Die Frau könnte sagen, „Und du warst noch nie in der Produktionsstätte. Du hast nie Qualität verantwortet.“ Anstatt den Einwand aufzulösen, lässt eine Frau sich meiner Meinung nach einschüchtern. Sie könnte sagen, „Der Mann hat Recht. Ich war nicht bei den Kunden. Ich kenne sie nicht so gut wie er, aber der Mann war dafür nicht in den Produktionsstätten. Er kennt sich nicht mit der Produktion aus.“ Frauen machen das selten.

 

Deutscher CFO: Was aber halt unheimlich wichtig ist, gerade für einen CEO, ist eben, diese Atmosphäre zu schaffen, dass Frauen sich in diesen Gesprächskreisen auch wohlfühlen. Und da muss ich halt auch sagen, in einer solchen Situation war ich nie, dass diese Situation geschaffen war, dass sich auch eine Frau wohlfühlt in dem Gespräch, in der unmittelbaren Sitz-Atmosphäre. Nur in einem Fall war es mal anders. Also, wenn selbst ich dann manchmal Gänsehaut bekomme, dann will ich gar nicht wissen, was eine Frau dann darüber gedacht hätte.

 

CEO US: Männer sind unangenehm. Männer streiten sich gerne. Männer gewinnen gerne. Männer schaffen gerne Konflikte, auch wenn es nicht nötig ist. Frauen nehmen in der Regel ein etwas größeres Bild ein. Sie sind weniger an Konflikten interessiert. Sie interessieren sich mehr für den Gruppensieg. Nun, wenn ich ein Profil zeichne, wenn ich ein Pareto zeichne, überlappen sich Männer und Frauen, aber wenn ich sagen wollte, füge das Angenehmste und das sehr hohe Extrem von Annehmbar hinzu, wette ich, dass es hauptsächlich Frauen sind. Auf dem sehr niedrigen Extrem von unangenehm, ich wette, es sind hauptsächlich Männer. Das bedeutet nicht, dass alle Frauen angenehmer sind als alle Männer.

 

CEO Russland: Wenn Frauen im Meeting sind, wird die Atmosphäre sofort eine andere. Erwachsener? Freundlicher, so könnte man es sagen. Dazu müssen die Frauen aber sie selbst sein und nicht in die aggressiven Spielchen unter Männern einsteigen.

Geliebte Männerrunden sollen bleiben, neue Frauen-Power-Netzwerke entstehen

Die Alpha-Männer stehen vor allem zu ihren Boys-Clubs und den Vorteilen, die aus ihnen resultieren, wenn es sich um unternehmensexterne Netzwerke handelt. Nicht alle Führungskräfte denken, dass unternehmensinterne Boys-Clubs wichtig waren für ihren Aufstieg. Vor allem die Expat-CEO halten lokale interne Netzwerke für nicht so bedeutsam wie ihre externen Netzwerke. Sie sehen für die eigene Karriere eher die Bedeutung von Sponsoren und gezielten Stakeholder-Beziehungen im Mutterkonzern. Umfelder, in denen männliche Netzwerke innerhalb von Unternehmen Frauen bewusst ausschließen, werden von den Interviewten negativ beurteilt.

 

Beispiele kommen aus Europa und Japan. Frauen, die Erfolg haben wollen, sollten sich aus Sicht der Alpha-Männer in bestimmten Netzwerkaktivitäten einbinden. Die Frage, wie sie sich als Frauen hier positionieren können, bleibt offen. Die interviewten Männer bleiben in ihrer Dissonanz verhaftet, dass sie eigentlich ihre reinen Männerrunden sehr genießen, aber gleichzeitig wissen, dass Frauen bisher Nachteile dadurch haben, nicht so einfach in die Clubs und Netzwerke aufgenommen zu werden. Die Alpha-Männer sehen die Herausforderung, als Frau unter Männern vor allem bei Abenden unter Alkohol zu bestehen, ohne dass Kontakte die „feinen Linien“ überschreiten. Da, wo es um externe Kontakte geht, werden verschiedene Beispiele gegeben, wie Frauen dieses Problem umgehen können. Die Spitzenmänner denken außerdem, dass Frauen in ihren eigenen Frauen-Clubs und Verbindungen gleiche Vorteile wie Männer erzielen könnten, sehen aber das Problem noch geringerer Reichweiten. Unzureichende gezielte Unterstützung von Frauen untereinander und mangelnder Solidarität zwischen Frauen schwächen qualifizierte Frauen beim Aufstieg bzw. beim Halten von Leitungspositionen.

 

In Meetings haben Frauen einen befriedenden Einfluss auf Männer. Ihre Kernstärken, wie etwas Empathie und Kommunikation, lassen die Effizienz der Meetings steigen. Dieser Mechanismus funktioniert nur, wenn Frauen sich auf ihre Stärken konzentrieren und nicht die männlichen Verhaltensweisen übernehmen.

 

Lesetipp Bettina Al-Sadik-Lowinski:

Was Frauen brauchen für Top-Karrieren: Zielstrebigkeit, Nehmerqualitäten und Solidarität mit anderen Frauen. Interview mit Bettina Al-Sadik. | Management-Blog (wiwo.de)

 

 

 

 

 

 

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Um den Lesefluss nicht zu behindern, wird in Management-Blog-Texten nur die männliche Form genannt, aber immer sind die weibliche und andere Formen gleichermaßen mit gemeint.

 

 

 

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