Dienstreisen in die USA: Auf welche Details es ankommt
Dienstreisen in die USA nehmen wieder zu, die Einreiseformalitäten werden weniger. Trotzdem gelten weiterhin strenge inhaltliche Einreisekontrollen. Insbesondere Viel-Reisende sollten gut abwägen, welche rechtliche Grundlage für ihren speziellen Reisezweck am ehesten Erfolg verspricht und mit welchen Argumenten sie die Behörden überzeugen können. Wer Fehler macht, kommt womöglich gar nicht erst an seinem Ziel an, warnt Sabine Paul, Arbeitsrechtexpertin von KPMG Law.

Sabine Paul (KPMG Law/ PR)
Lebenslang nie mehr ohne Visum
Weil es oft schnell gehen muss und Reisen nach dem geschäftlichen Bedarf kurzfristig geplant werden, liegt oft eine Dienstreise mit dem US- Reisegenehmigungssystem ESTA (Electronic System for Travel Authorization) nahe. Doch in der Praxis gibt es dabei eine Reihe von schwierigen Details und Risikofaktoren. Dazu gehören insbesondere Ablehnungen eines ESTA-Antrags, Visums- und vergangene Einreiseverweigerungen. Wird der ESTA-Antrag abgelehnt, so ist der Reisende grundsätzlich lebenslang von einer visumsfreien Einreise im Rahmen des sogenannten Visa Waiver Program ausgeschlossen. Stattdessen ist für jede USA-Reise ein eigenes Visum – etwa ein B-1-Geschäftsreisevisum – erforderlich. Je nach Vorgeschichte ist zusätzlich noch ein Waiver-Verfahren zu durchlaufen, das den US-Behörden noch einmal mehr Ermessensspiegelraum einräumt.
Warnzeichen
Begleitende Familie macht mißtrauisch
Viele frühere Aufenthalte in den USA kann die Skepsis der Einreisebeamten wecken. Insbesondere, wenn keine längeren Pausen dazwischenlagen, ebenso wie wiederholte längere Einreisen über jeweils mehrere Wochen. Umso mehr, wenn die Reisen zusammen mit der Familie unternommen wurden.
Sehr junge Experten sorgen für Zweifel
Ein weiterer Grund für Nachfragen kann auch das geringe Alter von angeblichen Spezialisten für bestimmte geschäftliche Meetings sein. Hier wird zuweilen angezweifelt, ob jüngere Mitarbeiter für Fachmessen oder Vertrieb die nötige Expertise und Erfahrung mitbringen oder ob sie schon lange genug im Unternehmen sind.
Alle diese Umstände können die Beamten der Einwanderungsbehörde als Indiz dafür werten, dass der Antragsteller einen längerfristigen Aufenthalt in den USA planen könnte. Für den Reisenden bedeutet das eine sogenannte Secondary inspection, eine vertiefte und einem Verhör ähnliche intensive Befragung in separaten Räumen. Das Wichtigste in dieser Situation: Ruhe bewahren, selbstbewusst und ohne Unsicherheit den nur vorübergehenden Einreisezweck erläutern.

New York (Foto: Kindermann)
Rückkehrwille und Heimatverbundenheit
Besonders interessieren die Amerikaner regelmäßig auf die Rückkehrabsicht und die Verbundenheit zu Deutschland. Zweifel können aufkommen, wenn Antragsteller, vielleicht auch nur entfernte Familienmitglieder in den USA haben.
Empfehlenswert sind deshalb zwei Schritte: Schon im Vorfeld sollte man genau prüfen, ob die geplante Reise unter ESTA gestattet ist und welche Vorkehrungen eventuell auf Grund besonderer Umstände zu treffen sind. Hier kann beispielsweise ein Arbeitgeberschreiben helfen, das den genauen Ablauf einer längeren Dienstreise aufzeigt, die Ansprechpartner benennt und ihre Verfügbarkeit auflistet.
Zum anderen sollten alle belastbaren Tatsachen betont werden, die dafür sprechen, dass der oder die Reisende nach dem geplanten US-Aufenthalt tatsächlich nach Deutschland zurückkehren wird. Typische Argumente sind hier etwa die Familie, die in Deutschland lebt, soziale oder finanzielle Verpflichtungen vor Ort oder auch pflegebedürftige Angehörige.
Ausschließlich erlaubt: Entwicklung von Geschäftschancen
Die wichtigste Frage ist allerdings, ob ESTA dem Grunde nach überhaupt geeignet ist, den geplanten USA-Einsatz aufenthaltsrechtlich abzubilden. In diesem Zusammenhang wird oft davon ausgegangen, alle USA-Aufenthalte bis zu 90 Tagen am Stück seien ESTA-tauglich. Tatsächlich aber sind die 90 Tage an dieser Stelle irrelevant.
Aufenthaltsrechtlich dürfen unter ESTA nur solche geschäftlichen Tätigkeiten ausgeübt werden, die der Entwicklung neuer Geschäftschancen dienen. Dazu gehören Akquise-Besprechungen, Kontaktpflege und Meetings, unabhängig von ihrer Dauer, aber keine produktive Arbeit. Jegliche Erwerbstätigkeit, die den Kernbereich der eigentlichen Tätigkeit des Reisenden im Heimatland betrifft, also die aktive Beteiligung an der Wertschöpfung des Unternehmens, aber auch das Halten von Schulungen oder Trainings, geht über die unter ESTA erlaubten Tätigkeiten hinaus. Dabei spielt die Dauer des Aufenthalts keine Rolle.
Die Grenzen sind fließend, und eine erhebliche Grauzone macht eine sorgfältige Analyse nicht nur der geplanten Reise, sondern auch des Gesamtzusammenhangs empfehlenswert, einschließlich der Vorgeschichte und möglicherweise geplanten Aufenthalten in der Zukunft. So lassen sich rechtzeitig mögliche Gestaltungsspielräume erkennen und nutzen.
Pandemiebezogene Einreisebestimmungen
Vor jeder Einreise muss auch diejeweilige Pandemielage mitberücksichtigt werden. Aktuell darf in die USA nach wie vor nur einreisen, wer vollständig gegen Corona geimpft ist. Andernfalls ist eine National Interest Exception (NIE), erforderlich, die aber einem strengen Ermessen der Behörden unterliegt und nur äußerst restriktiv vergeben wird. Mit den zu Pandemie-Zeiten ausgegebenen NIEs ist diese Ausnahmegenehmigung kaum vergleichbar, weil die Anforderungen inzwischen deutlich angehoben wurden. In Frage kommen zum Beispiel noch Ausnahmen aus medizinischen Gründen. US-Einsätze nicht geimpfter Mitarbeiter sind vor diesem Hintergrund kaum noch durchführbar.

New York (Foto: Kindermann)
Wegfall der Testpflicht
Seit dem 12. Juni 2022 ist die Testpflicht bei der Einreise entfallen. Man braucht nicht mehr – wie früher – einen negativen Covid-Test innerhalb eines Tages vor Abreise nachzuweisen. Dies ist eine erfreuliche Tendenz bei US-Reisen und dürfte auch deutschen und europäischen Dienstreisenden sehr entgegenkommen. Lockerungen im Hinblick auf die Impfpflicht zeichnen sich hingegen nicht ab.
PS von Frederick Iwans, CEO des Prozessfinanzierers Foris bei LinkedIn:

Frederick Iwans (Foto: Foris/PR)
Ein absolut lesenswerter Artikel, den ich als Amerikaner und Grenzgänger zwischen den Kontinenten nur bestätigen kann. Noch ein Hinweis zu einem Aspekt, der eigentlich selbstverständlich sein sollte: Wenn ein Visaverfahren für einen Umzug in die USA in Deutschland angestoßen, aber noch nicht abgeschlossen ist, sollte man auf keinen Fall schon einmal in die USA übersiedeln im Glauben, man könnte alles von dort aus abschließen. Egal, was irgendein Mitarbeiter im Konsulat sagen sollte.
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