Ja es ist wahr, sagt Marco Nink von Gallup im Interview: Zufriedene Mitarbeiter bescheren Unternehmen mehr Umsatz und Gewinn

Geben glückliche Kühe mehr Milch? Und machen Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern höhere Gewinne? Diese Frage hat die Managementgurus lange bewegt, eine eindeutige – belegbare – Antwort, gab es nicht. Das Beratungsunternehmen Gallup hat nun ein Meta-Analyse mit einer Langzeitbetrachtung aus vielen Unternehmen und weltweit vorgelegt und siehe da: Ja, es lässt sich an den Zahlen – mehr Gewinn und Umsatz – ablesen, wenn Mitarbeiter zufrieden sind, beantwortet Marco Nink von Gallup im Interview. 

 

Marco Nink (Foto: Privat)

 

Herr Nink, aus Ihrem Haus kommt eine neue Langzeitstudie, die eine Antwort auf eine alte Streitfrage gibt, über die sich schon in den 90-er Jahren zumindest die Manager uneins waren: Geben glückliche Kühe mehr Milch? Hat es positive Auswirkung auf Umsatz und Gewinn eines Unternehmens, wenn sich die Mitarbeiter dort gewertschätzt fühlen?

Nink: Alle vier Jahre analysieren wir alle unsere Kundenprojekte weltweit, wenn wir von denen auch Geschäftszahlen haben. Das sind in der jüngsten Untersuchung 276 Unternehmen aus 54 Branchen mit 2,7 Millionen Mitarbeitern in 96 Ländern. Alles Unternehmen, die wissen wollen, was ihnen Qualität in der Führung bringt. Was sie davon haben, wenn Mitarbeiter ihr Arbeitsumfeld positiv wahrnehmen. Ob sich ihr Fokus auf diese Themen, auf Coaching und Weiterentwicklung von Führungskräften, für sie auszahlt. Ob sie ihre Maßnahmen auf der Kostenseite sehen können durch weniger Fehlzeiten, Fluktuation, Diebstähle, Arbeitsunfälle oder Qualitätsmängel und auf der Wachstumsseite mehr Produktivität, Rentabilität und Kundenloyalität.

 

 

Wie sehen die konkreten Ergebnisse aus?

Hier ein Beispiel: Die Fluktuationskosten einer Firma mit 2.000 Mitarbeitern betrugen 2019 jährlich rund 2,5 Millionen Euro. Sinkt bei einem Unternehmen mit 2.000 Mitarbeitern den Anteil seiner emotional ungebundenen Mitarbeiter um fünf Prozentpunkte – also von 16 auf elf Prozent – und gleichzeitig steigt der Anteil der emotional hoch gebunden Mitarbeiter von 15 Prozent auf 20 Prozent, dann sinken die Fluktuationskosten um mehr als 365.000 Euro.

Ein weiteres Beispiel: Die Vertriebskennzahlen sind besser, wenn die Mitarbeiter in Teams arbeiten, in denen der Chef dafür sorgt, dass das Betriebsklima stimmt: Dann liegt der Absatzerfolg 18 Prozent höher. Zudem: Teams mit hoher emotionaler Bindung schneiden in Bewertungen von Kunden um zehn Prozent besser ab als Teams mit niedriger emotionaler Bindung. Sie sind um 14 bis 18 Prozent produktiver und weisen 41 Prozent weniger Qualitätsmängel auf.

 

In den Medien tauchen namhafte Konzerne wie Mars oder L`Oreal als ihre Kunden auf, gute Adressen für Bewerber. Was ist das konkrete Ergebnis Ihrer Untersuchung, drückt sich die emotionale Bindung der Mitarbeiter am Ende in harten Unternehmenszahlen aus?

Das tut es, ganz klar. Nehmen Mitarbeiter das Arbeitsumfeld und die erlebte Führung positiv wahr, sind die Fehlzeiten dort um 81 Prozent niedriger. Die Fluktuation sinkt um 18 bis 43 Prozent, was in Zeiten des Fachkräftemangels ein unschätzbarer Wert sein kann. Weiter geht es mit dem Vertriebserfolg. Um 18 Prozent steigt er, wenn die Mitarbeiter in Teams arbeiten, wo der Chef dafür sorgt, dass es am Arbeitsplatz stimmt.

 

Also auf den Punkt gebracht: Die Führungskraft macht den Unterschied?

Wir von Gallup raten, die Führungskräfte mit der Wahrnehmung ihres Teams zu konfrontieren und sie in Coachings zu begleiten. Die große Mehrheit ist nicht beratungsresistent. Viele Führungskräfte merken dann, „Ich habe es mir anders vorgestellt, als es mein Team sieht.“

 

 

Coaching ist ein gutes Stichwort: In Deutschland haben sie einen negativen Beigeschmack, sie klingen wie Nachhilfe nötig zu haben. Anders als in den USA, wo Führungskräfte es als Bonus empfinden und stolz drauf sind. Weil sie es der Firma wert sind, dass sie in sie investiert.  

Das Image der Coachings hat sich auch in Deutschland deutlich ins Positive gedreht, aber es hat lange gedauert. Früher wurde ich angeguckt wie ein Verbrecher, wenn ich Coachings anriet. Viele Führungskräfte haben nie gelernt, zu führen. Dann schließen sie nur von sich auf andere, dass alle es so haben wollen wie sie selbst. Durch die Langzeitanalyse ist klarer geworden, dass Unternehmen ihre Führungskräfte in Coachings begleiten müssen. Denn beispielsweise das Bedürfnis der Mitarbeiter nach Lob und Anerkennung finden wir weltweit.

 

Aber eben nicht antrainiertes Loben, das die Mitarbeiter ihren Chefs nicht wirklich abnehmen?

Jeder Mensch hat individuelle Präferenzen, einer will ein Vier-Augen-Gespräch, ein anderer möchte eine wertschätzende Email, ein weiterer will, dass der Bereichsleiter seine Belobigung hört, der nächste freut sich über eine Erwähnung im Teammeeting,  und der übernächste ist stolz auf einen Jahres-Award auf der Bühne vor der gesamten Belegschaft. Oder: einer braucht es einmal die Woche, ein anderer zehrt das ganze Jahr von einem Lob. Grundsätzlich geht es um wertschätzende Kultur und für alle gilt, dass Lob an ein bestimmtes Ereignis gebunden, zeitnah erfolgen, ernst gemeint, gut begründet und konkret formuliert sein sollte.

 

Dumm nur, dass Führungskräften kaum Zeit für ihre Führungsaufgabe zugebilligt wird.

Richtig, Führung erledigt sich nicht nebenbei, sondern ist mit Zeit und Mühe verbunden. Als Faustregel gilt: ein Drittel bis die Hälfte ihrer Arbeitszeit sollten Führungskräfte ausschließlich mit Führung verbringen. Oft verhindert das aber schon die Teamgröße. Die optimale Teamgröße liegt bei fünf bis zehn, darüber können Führungskräfte ihre Aufgabe kaum händeln. Oder: Nehmen sie die Bewertungsplattformen zum Beispiel: da beklagen die Mitarbeiter das Führungsverhalten, dass ihr Chef sie ignoriert, dass sie nur ein Rad im Getriebe seien und nicht wahrgenommen würden. Das deckt sich mit unseren Umfragen. Das sind alles Themen, die die Unternehmen beseitigen könnten. Mitarbeiterbefragungen bringen Probleme ans Licht, aber man muss sie dann auch angehen. Auf den Bewertungsplattformen wird es öffentlich und kratzt am Arbeitgeberimage.

 

Ist es denn keine Frage der Unternehmenskultur, was mit schlechten Ergebnissen passiert? Oder dass eben nichts damit passiert?

Ja, eigentlich. 97 Prozent der Führungskräfte halten sich für eine gute Führungskraft. Wir haben Kündigende gefragt, ob sie zu dem Unternehmen zurück gingen, wenn sie dann einen anderen Chef bekämen: Jeder Zweite hat „ja“ gesagt. Und dass ihr Chef etwas gegen ihre Kündigung hätte tun können. Im Klartext heißt das: In 75 Prozent der Fälle ist der Chef der Grund für die Kündigung. Wobei die Führungskraft ja tatsächlich dieselben Bedürfnisse hat. Es ist immer so: wo etwas oben gut funktioniert, kaskadiert es herunter durch die Organisation. Und das gilt auch für das Arbeiten mit den Ergebnissen aus Mitarbeiterbefragungen.

 

Was raten Sie den Unternehmen?

Kurzfristige Schönwetter-Projekte zur Verbesserung der emotionalen Mitarbeiterbindung sollten sie lassen, sie sind zum Scheitern verurteilt. Veränderung beginnt im Kopf und muss vorgelebt werden. Die Unternehmenslenker müssen geschlossen hinter der Initiative und dem Wandel im Unternehmen stehen. Sie müssen als Vorbilder fungieren und Vorbilder installieren.

Der Fehler ist: Meist formuliert die oberste Ebene zwar Ziele, doch kaum sind sie kommuniziert, wendet sich die Unternehmensspitze wieder anderen Themen zu. Dieses Vorgehen vermittelt den Führungskräften und Mitarbeitern die Botschaft: „Allzu wichtig ist uns das Ganze doch nicht, sonst würde sich die Geschäftsführung mehr darum kümmern.“ Daher muss die Geschäftsleitung das Thema Gute Führung nicht nur auf die Agenda setzen, sondern es auch aktiv unterstützen und begleiten. Also über die Ergebnisse aus Mitarbeiterbefragungen reflektieren – auch in Bezug auf ihr eigenes Führungsverhalten – und in Maßnahmen und Aktionen umwandeln.

In der Regel strahlen Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensweisen der Geschäftsleitungsmitglieder auf das Unternehmen aus. Unsere Forschung zeigt, dass die Mitglieder der obersten Führungsriege, die die zentralen emotionalen Bedürfnisse ihrer Teammitglieder erfüllen, sie dazu inspirieren, das erlebte Führungsverhalten weiterzutragen. Anders ausgedrückt: Können Führungskräfte erkennen, dass sich in ihrem direkten Umfeld etwas in die gewünschte Richtung bewegt, dann passen auch sie ihr Führungsverhalten entsprechend an.

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Zur Methode: Die Metaanalyse zum Thema emotionale Mitarbeiterbindung (Engagement) und Performance basiert auf der Befragung von 2.708.538 Mitarbeitern in 276 Unternehmen aus 54 Branchen und 96 Ländern im Laufe der vergangenen vier Jahre. Durch die Verknüpfung der Befragungsdaten mit „harten“ Unternehmenskennzahlen belegt die Metaanalyse wiederholt den Einfluss von emotionaler Mitarbeiterbindung auf Kosten und Wachstum.

 

 

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