Wenn Betriebsräte schachern, kungeln oder selbst die Hand aufhalten. Interview mit Arbeitsrechtler Philipp Byers

Interview mit Arbeitsrechtler Philipp Byers von Watson Farley & Williams über Betriebsräte die kungeln, für sich selbst die Hand aufhalten oder andere persönliche Vorteile herausschlagen wollen. Manchmal sogar auf Kosten der Kollegen. Das alles passiert hinter verschlossenen Türen. Denn was wirklich im Betriebsrat vorgeht, erfahren die Kollegen ja nicht – sie geben nur alle vier Jahre ihre Stimme ab. Auf gut Glück. Bei dem Automobilhersteller Porsche gab es laut „FAZ“ sogar im vergangenen Jahr Gerüchte, dass der Betriebsrat von Kollegen mit befristeten Verträgen Geld genommen habe bekam, um sie in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.  

 

Philipp Byers (Foto: Watson Farley & Williams)

 

Herr Byers, der Geschäftsführer der Flugbegleitergewerkschaft UFO, Nicoley Baublies, soll laut „Welt am Sonntag“ eine Million Euro für sich selbst, persönlich, gefordert haben, damit er dem Lufthansa-Rettungspaket zustimmt. Die Gewerkschaft Ufo dementierte. Dennoch: Kommen solche ungewöhnlichen Ansinnen bei Verhandlungen mit Betriebsräten öfter vor?

Byers: Überraschen tun sie mich jedenfalls nicht mehr. So führte ich zum Beispiel für einen oberpfälzischen Automobilzulieferer Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Arbeitszeit. Zu meiner großen Überraschung thematisierte der Betriebsrat dabei plötzlich die angebliche Knausrigkeit des Arbeitgebers bezüglich Betriebsratsschulungen und forderte letztlich für seine wohlwollende Begleitung der Verhandlungen` eine mehrtägigen Betriebsratsschulung in einem Vier-Sterne-Hotel an der Ostsee. Außerdem wollte er für alle freigestellten Betriebsratsmitglieder Diensthandys und Notebooks. So etwas passiert heute öfter als noch vor fünf Jahren. Doch solche Unverschämtheiten sind nicht die Regel, die meisten Betriebsräte verhalten sich korrekt, aber es gibt eben auch schwarze Schafe.

 

Manche Betriebsräte schachern auch zugunsten Einzelner auf Kosten der restlichen Belegschaft. Wenn sie verlangen, dass die Geschäftsführer eine – durchaus berechtigte – Abmahnung zurücknehmen und sich dafür im Gegenzug darauf einlassen, dass eine attraktive Teilzeitstelle nicht unternehmensintern ausgeschrieben wird. In dem Fall wurden nicht nur die anderen Interessenten um ihre Bewerbungschancen gebracht, sondern die anderen Kollegen weiter unter Pflichtverstößen der abgemahnten Kollegin leiden mussten. Kann die Belegschaft solche Unkorrektheiten von Betriebsräten überhaupt mitbekommen? Die Verhandlungen und Sitzungen sind ja hinter verschlossenen Türen und die Protokolle nicht für die Belegschaft bestimmt.

Nein, die Belegschaft hat leider meist keine Chance, davon etwas zu erfahren. Solche Gespräche finden im kleinen Kreis statt und dabei sind die Betriebsräte dann oft noch in der Überzahl. Wenn die Arbeitgeberseite auf solche rechtswidrigen Vorschläge nicht eingeht und stattdessen diesen Missbrauch von Verhandlungen publik machen will, streitet es die andere Seite einfach ab. Wie soll der Arbeitgeber das dann noch beweisen können?
In einem anderen Fall habe ich für einen Call-Center-Betreiber in NRW mit dessen Betriebsrat eine neue Betriebsvereinbarung zur IT-Nutzung am Arbeitsplatz verhandelt. Zeitgleich fanden separate Verhandlungen mit dem Betriebsrat über Entlassungen statt. Der Betriebsrat signalisierte in den Verhandlungen Zugeständnisse für weitreichender IT-Kontrollen wie die Möglichkeit der Aufzeichnung von Kundentelefonaten, wenn der Arbeitgeber im Gegenzug höhere Abfindungszahlungen im Sozialplan wegen des Personalabbaus zahle. Beide Verhandlungen hatten eigentlich inhaltlich nichts miteinander zu tun.

 

Machen Unternehmenslenker das mit?

Manchmal schon. Je nachdem, was der Betriebsrat für einen Kuhhandel fordert und wie kampflustig das Management ist. Will sich ein Betriebsrat seine Zustimmung ganz plump durch eine Gehaltserhöhung abkaufen lassen, machen die meisten Arbeitgeber nicht mit, jedenfalls was ich sehe. Es wäre auch dumm, denn sie würden eine Geld- oder gar Haftstrafe riskieren wegen Betriebsrätebegünstigung. Dieser Straftatbestand der Betriebsratsbegünstigung ist auch kein zahnloser Tiger. Spätestens der Fall „VW/Peter Hartz“ beweist das Gegenteil. Peter Hartz hatte als damaliger VW-Personalvorstand dem Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert unter anderem überhöhte Gehalts- und Bonuszahlungen gegeben. Hartz wurde dafür zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt und kam gerade noch mit einem blauen Auge davon.

 

… und der Betriebsrat?

Für den Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert kam es dicker. Er wurde zu fast drei Jahren Gefängnis verurteilt und musste davon auch tatsächlich 21 Monate absitzen.
Betriebsräte, die solche Forderungen nach persönlichen Vorteilen stellen, machen sich wegen versuchter Erpressung strafbar. Lässt sich der Arbeitgeber dagegen darauf ein und zahlt und kommt der Fall später doch raus, dann kann das Betriebsratsmitglied wegen Anstiftung oder Beihilfe zur Betriebsratsbegünstigung strafrechtlich dran sein.

 

Gehen Geschäftsführer auch schon mal in die Offensive und machen die dubiosen Taktiken von Arbeitnehmervertretern bekannt? Das wäre für die Kollegen doch interessant zu wissen, wen sie da sonst wieder wählen alle vier Jahre?

Ja, aber das passiert praktisch nie. Soviel Unruhe will kein Unternehmenslenker. Außerdem sind die Grenzen zwischen harten, aber noch zulässigen Forderungen und unzulässigen Erpressungsversuchen von Betriebsräten oft fließend. Beschuldigt der Arbeitgeber den Betriebsrat öffentlich eines Erpressungsversuchs und stellt sich später raus, dass die Forderung doch noch zulässig war, kann das eine
Betriebsratsbehinderung durch den Arbeitgeber sein. Die kann im äußersten Fall auch strafbar sein.
Stellt der Betriebsrat beispielsweise die Bedingung, dass er nur zur betrieblichen Arbeitszeit zustimmt, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsvereinbarung `IT-Nutzung am Arbeitsplatz´ die private Internetnutzung erlaubt, so ist das durchaus ein äußerst grenzwertiger Vorschlag des Betriebsrats. Trotzdem lassen sich viele Unternehmenslenker auf solche heiklen Koppelungsgeschäfte ein.

 

…weil?

Der Grund ist der Zeitfaktor. Wenn ein Unternehmen umstrukturieren und Personal entlassen will, ist das meistens eilig. Langwierige Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan und einen Interessenausgleich gefährden die Finanzierungskonzepte der Banken. Aufs Einschalten einer Einigungsstelle – weil es eben keine Einigung mit den Arbeitnehmervertretern gab – sind Unternehmen nicht scharf. Die können ebenfalls Monate dauern und teuer sind sie obendrein. Gerade in solchen Fällen macht der Arbeitgeber dann oft die Faust in der Tasche und stimmt auch unsittlichen Vorschlägen von Betriebsräten zu.

 

Links: https://www.welt.de/wirtschaft/article209956357/Lufthansa-UFO-Gewerkschafter-fordert-eine-Million-Euro.html?wtrid=newsletter.wirtschaft..wirtschaft..%26pm_cat%5B%5D%3Dwirtschaft&promio=81498.1518543.6097457&r=171575158511243&lid=1518543&pm_ln=6097457

https://www.airliners.de/baublies-millionen-euro-zustimmung-lufthansa-paket/56094

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/porsche-betriebsrat-wird-der-bestechlichkeit-beschuldigt-16081659.html

 

 

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