Was muss man jetzt an Vertriebs- und Preisen ändern, damit das Überleben der Firma klappt? Pricing-Experte Gregor Buchwald von der Unternehmensberatung Roll & Pastuch hat für den Management-Blog eine Analyse aus dem Home Office geschrieben.
Es gibt nicht die Silberkugel für die Krise und nicht alle möglichen Maßnahmen sind für alle Unternehmen gleich geeignet. Trotzdem kämpfen die meisten Unternehmen mit den gleichen Herausforderungen: Projekte werden gestoppt, sicher geglaubte Aufträge brechen weg, Hygienevorschriften erschweren die Kommunikation mit Kunden und den reibungslosen Ablauf in der Vertriebsorganisation. Die folgenden Sofortmaßnahmen sollen dem Umsatzeinbruch und dem drohenden Liquiditätsengpass entgegenwirken.
- I. Gehen Sie behutsam mit Ihren Preisen und Konditionen um und vermeiden Sie Preiskriege: Eine der ersten Maßnahmen des Managements in der Krise ist es, den Rotstift herauszuholen und alle Kostenblöcke auf den Prüfstand zu stellen. Der Ertrag eines Unternehmers hängt aber nicht alleine von den Kosten ab. Umso erstaunlicher ist es, dass Preismaßnahmen selten auf den ersten Plätzen des Maßnahmenkatalogs der Führungsetage rangieren. Oft wird die Verantwortung über diese mächtigen Ertragshebel ausschließlich dem Vertrieb überlassen. Das ist falsch. Das Management muss sich einschalten und die Maßnahmen vorgeben. Zu groß ist die Gefahr, dass durch aktionistisches Handeln Preiskriege angezettelt und Vertriebsressourcen nicht effizient eingesetzt werden.
- II. Priorisieren Sie Ihre Kunden, Angebote und Aufträge neu: Wechseln Sie von einer strategischen zu einer taktischen Kundenperspektive. Was Sie jetzt brauchen sind neue Aufträge und Cash. Also priorisieren sie auch dementsprechend. Kunden, die von Krise nicht so stark betroffen sind, sollten ab heute ihre Lieblingskunden sein. Fokussieren Sie sich auf Angebote mit einer hohen Abschlusswahrscheinlichkeit und vergeuden Sie keine Zeit damit, stornierten Aufträgen hinterher zu laufen. Geben Sie Ihrem Vertrieb zusätzlichen Rabattspielraum, damit er neue Aufträge so schnell wie möglich an Land ziehen kann.
- III. Legen Sie die Servicehebel um: Große Investitionen, wie der Einkauf notwendiger Maschinen und Anlagen, werden in der Krise zurückgestellt – Liquidität geht vor. Umso wichtiger ist es das Aftersales-Geschäft in den Mittelpunkt des Handels zu stellen und die verfügbaren Servicepotentiale voll auszuschöpfen:
- 1. Wechseln Sie von einem passiven zu einem aktiven Servicevertrieb. Nutzen Sie die im Neugeschäft freigewordenen Kapazitäten, um den Aftersales neu auszurichten.
- 2. Retrofits, das Nachrüsten einer alten Maschine, sollte den Kunden angeboten werden, für die eine Neumaschine auf absehbarer nicht in Frage kommt.
- 3. Nutzen Sie das Preiserhöhungspotential von ausgewählten Ersatzteilgruppen. Erhöhen Sie die Preise der Ersatzteile – sogenannte Monopolteile -, die kein anderer Anbieter liefert. Aber Finger weg von Fokusprodukten. Wer den Preis von Produkten erhöht, die der Kunde gut kennt und bei denen der Wettbewerb nur einen Mausklick entfernt ist, dem wird der Kunden schnell zeigen, wer der König in der digitalen Beschaffungswelt ist.
- 4. Sparen Sie Ressourcen und werfen Sie die Leistungen aus dem Serviceprogramm, die hohe Fixkosten verursachen, selten nachgefragt werden und für Ihre Positionierung gegenüber dem Wettbewerb wenig Bedeutung haben. Im Gegenzug bepreisen und kommunizieren Sie jetzt die Serviceleistungen, die einen echten Mehrwert bieten und die Sie bis jetzt immer verschenkt haben.
- 5. Die Vermarktung von Garantieverlängerungen ist ein weiteres effektives Instrument, um den Umsatz kurzfristig zu steigern. Die Anwendung darf nicht pauschal und sollte immer in Verbindung mit einem Servicevertrag erfolgen, der eine ordnungsgemäße Wartung und Betrieb sicherstellt.
- IV: Nutzen Sie das kurzfristige Umsatzpotenzial Ihrer Kunden: Neukunden zu gewinnen, ist um ein Vielfaches teurer und dauert länger als die Entwicklung bestehender Kunden. In der Krise haben Sie weder Geld noch Zeit für extensive Marketingmaßnahmen. Nutzen Sie daher das Umsatzpotential Ihrer Bestandskunden, die bis jetzt nur einen kleinen Anteil ihrer Produkte gekauft haben. Überprüfen Sie beispielsweise, wie hoch der Serviceanteil an Ihren verkaufen Maschinen und Anlagen ist. Liegt der Anteil deutlich unter dem Soll-Bedarf“, gilt es im nächsten Schritt, für diese Kunden gezielte Angebote zu schnüren und zu vermarkten.
- V. Selektive Preiserhöhungen – unter dem Kundenradar: Preisanpassungen nach dem Gießkannenprinzip über alle Produkte zu verteilen, ist immer ein stumpfes, wie auch gefährliches Vorgehen. Preiserhöhungen von Produkten, die ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb besitzen oder nicht im Fokus des Kunden stehen – Stichwort: Randsortiment -, lassen sich selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten durchsetzen.
- VI. Krisenmanager– setzen Sie jemanden ein, der die Maßnahmen vermittelt und koordiniert: Die zahlreichen Maßnahmen und -initiativen stellen die ganze Organisationen vor große Herausforderungen. Die operative Umsetzung und die Kontrolle des Maßnahmenpakets sollte durch einen eigens dafür eingesetzten „Krisenmanager“ orchestriert werden, der direkt an den Vorstand berichtet.
Vergessen Sie nicht, dass die „Corona“-Krise in vielen Wirtschaftsbereichen zu einem Rückgang der Nachfrage geführt hat. Es wird im Moment wenig investiert, verbraucht und gekauft. Viele der in der Vergangenheit eingesetzten Marketing-Maßnahmen greifen daher nicht; wo kein Bedarf, da auch keine Nachfrage. Trotz der ungeheuren Dynamik ist jetzt eine ruhige Hand statt Aktionismus gefragt. Da nicht jede Branche gleich stark von der Krise betroffen ist – zum Beispiel so unterschiedlich wie die Automobil- gegenüber der Medizinbranche – , sollten auch die Erwartungen und Ziele differenziert gesetzt werden. Warten Sie nicht auf den großen Wurf und verlieren Sie keine wertvolle Zeit. Schalten Sie jede Maßnahme scharf, sobald Sie ausgearbeitet ist. Gewinnen Sie Kopf und Herzen der Mitarbeiter für die Maßnahmen und setzen Sie einen Krisenmanager für die Koordination Ihres Plan B ein.