Freizeit? Urlaub? Fehlanzeige, die Mehrheit der Angestellten bleibt im Hab-acht-Modus, arbeitet permanent das Minimum weg – und die Unternehmen genießen und schweigen

60 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland beantworten Mails und Anrufe nach Feierabend und im Urlaub, 40 Prozent reagieren sofort und 30 Prozent arbeiten im Urlaub weiter, belegt eine Randstad-Umfrage. Ein Missstand, von dem die meisten Unternehmen schweigend profitieren und lieber nicht dran rühren oder es auch nur ansprechen. 

 

 

Immer und prompt

Die Unternehmen thematisieren es lieber nicht – und dafür haben sie ihre Gründe. „Die Mehrzahl der Arbeitnehmer ist in den Ferien und außerhalb ihrer Arbeitszeit und für berufliche Mails sowie Telefonate erreichbar“, vermeldet der Personaldienstleister Randstad. Warum? Weil es ihr Arbeitgeber, ihre Vorgesetzten so erwarten. Dass sie immer erreichbar sind und stets bereit, ihr Familienleben, ihre Freizeit und – noch schlimmer jedenfalls rechtlich gesehen – ihren Urlaub zu unterbrechen. Mal länger, mal kürzer. Weltweit in 34 Ländern.

Mehr noch, viele scheinen lauernd auf dem Sprung zu sein: 44 Prozent von denen antworten – sofort. Sie machen anscheinend das, was man in manchen Branchen  Bereitschaftsdienst nennt – was da aber auch vergütet wird.

 

Warum die Urlaubsunterbrechungen gravierend sind? Denn – so lernte ich im Sommer bei einer Recherche – unterbrochener Urlaub ist eigentlich kein Urlaub mehr. Denn er wurde ja unterbrochen. Die Folge? Möglicherweise müsste er streng genommen noch einmal gewährt werden, hieß es bei den Experten. Rechtsprechung gebe es dazu noch nicht.

 

Jeder dritte arbeitet im Urlaub weiter

Wie viel bei dem Thema Arbeiten-rund-um-die-Uhr im Argen liegt, zeigt auch dieses Umfrageergebnis: 30 Prozent der Befragten in Deutschland arbeiten auch im Urlaub und an Feiertagen weiter laut Randstad.

 

Das Motiv: Um Himmels willen die Erwartung der Chefs erfüllen

Warum sie das tun? „43 Prozent der Befragten sagen, dass ihr Arbeitgeber von ihnen erwartet, permanent verfügbar zu sein“, referiert Personalprofi Klaus Depner bei Randstad Deutschland. Und weiter: „Dabei zeigen Studien, dass dies auf Dauer ungesund für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist – auf eine dauerhafte Überlastung können krankheitsbedingte Ausfälle folgen, die dann aufgefangen werden müssen.“ Das scheint Vorgesetzte wie Unternehmenslenker aber auch nicht zu beeindrucken.

 

Gesetze als Schall und Rauch?

Was helfen könnte? Gesetze anscheinend nicht. Das zeigt das Beispiel der Franzosen, die zwar ein Gesetz zum Recht auf Abschalten haben, aber wo 48 Prozent der Befragten beklagen, am Feierabend erreichbar sein zu müssen.  Noch mehr als hierzulande.

Das erinnert an das deutsche Entgelttransparenzgesetz, das ursprünglich ungleiche Bezahlungen verhindern helfen sollte. Aber leider, so wie es gestrickt ist, das Ziel nicht im Entferntesten erreicht. Was auch allen Profis von vornherein klar war. Gesetze dieser Art scheinen Unternehmen als Arbeitgeber nicht so recht zu schrecken. Und wie sich dann erweist, hat das auch keine Konsequenzen.

 

Wer will schon seine Mitarbeiter vor digitalem Stress schützen, wenn sie doch brav arbeiten

Insofern dürfte der fromme Wunsch von Randstad-Personalprofi Depner von den Unternehmen kaum ernst genommen werden: „Die permanente Erreichbarkeit wird schnell zum Bumerang, daher sollten Unternehmen Maßnahmen erarbeiten, um ihre Mitarbeiter vor digitalem Stress schützen.“ Wenn sie das wollten, würden sie die Missstände nicht seit so vielen Jahren zulassen und beide Augen zudrücken.

 

Und im Gegenteil: Keineswegs wollen sie auch nur andenken, wie die verdorbenen Urlaubstage und Wochenenden wieder gut gemacht werden können. Irgendwie, wenigstens durch Gutschreiben der einzelnen Stunden oder durch Geld.

Denn bei der nächsten Kündigungswelle, der nächsten Restrukturierung oder dem nächsten Vorgesetztenwechsel ist jeder eventuell erworbene Credit ohnehin perdu. Und der freiwillige Arbeitseifer vergessen.

 

PS: Der MDR vermeldet heute, dass 2018 fast jeder fünfte Beschäftigte an Sonn- und Feiertagen arbeitete. Da sind die oben genannten nicht einmal mit drin.

 

 

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Die Arbeitnehmer haben Angst und kennen selten deren eigenen Rechte. Davon profitieren die Arbeitgeber um deren eigenen Interessen zu verteidigen. Die Menschen werden nicht nur als Kostenstelle sondern auch oft als nur „Ressourcen“ betrachtet. Wo bleibt dabei Social Corporate Responsibility and Ethik?