Whistleblower schützen statt sie feuern – nicht freiwillig, also bald mit Gesetzeszwang. Gastbeitrag von Anwalt Enno Appel.

Eine EU-Richtlinie zum Whistleblower-Schutz zwingt Unternehmen bald zum Handeln. Gastbeitrag von Enno Appel von Herbert Smith Freehills

Wer in einem Unternehmen in Deutschland auf Missstände hinweist, riskiert seine postwendende Entlassung. Eine EU-Richtlinie will das ändern und stellt Mindestanforderungen für den Whistleblowerschutz auf, den die Unternehmen mit  Hinweisgebersysteme dann umsetzen sollen. Spätestens in drei Jahren muss alles stehen.

 

Enno Appel (Foto: Presse)

 

Produktmängel, Diskriminierung, Korruption, sexuelle Übergriffe – es gibt einiges, was falsch laufen kann in Unternehmen. Oft sind es gut gehütete Geheimnisse, die nur wenige Personen kennen. Will einer derjenigen etwas gegen so einen Missstand unternehmen, dann steht er meist vor Widerständen: Eingeweihte versuchen, ihn auszubremsen und die Unternehmenslenker sorgen sich ums Firmenimage. Richten sich die Vorwürfe auch noch gegen Vorgesetzte oder die Unternehmensführung, so kämpfen diese obendrein um das eigene Überleben im Job – ein Kampf, den Whistleblower ohne rechtlichen Schutz kaum gewinnen können.

 

Repressalien im Unternehmen gegen Whistleblower

In der Praxis werden Whistleblower oft im Unternehmen isoliert. Die Repressalien gehen bis zum Job-Verlust. Kein Wunder also, dass es sich viele zwei Mal überlegen, ob sie ihr Wissen öffentlich machen oder doch lieber schweigen. Aus Sicht des Top-Managements ist das ein Problem, denn es erschwert die Abhilfe und die Schadensbegrenzung.

Die EU will Whistleblowern nun durch eine Richtlinie schützen: durch Hinweisgebersysteme im Unternehmen. Die Kommission will sie bis Mai 2019 verabschieden, die Mitgliedsstaaten sollen sie bis Mai 2021 umsetzen.

 

Strafandrohungen für Manager und Unternehmen

Und zwar mit „wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen“. Im Klartext: Deutschen Unternehmen und Managern drohen hohe Strafen, wenn sie den Whistleblowern keine Anonymität gewährleisten oder sie behindern.

 

Hinweisgebersysteme gibt es in Deutschland zumindest in den Großunternehmen, seit klar ist, dass Top-Manager sich andernfalls Kontrollversagen vorwerfen lassen müssen und mit ihrem Privatvermögen haften. Darüber hinaus müssen bereits heute Banken Whistleblowing-Systeme einrichten und unterhalten, um sicherzustellen, dass Mitarbeiter Verstöße melden können. Bald werden andere Branchen wie Industrieunternehmen, nicht regulierte Dienstleister und Handelsunternehmen, dasselbe tun müssen. Und zwar alle Unternehmen mit mindestens 50 Mitarbeitern oder mit einem Jahresumsatz von mehr als zehn Millionen Euro.

Was genau ist ihre Pflicht? Unternehmen sollen vertrauliche Kommunikationswege zwischen Unternehmensführung und Arbeitnehmern schaffen. So können Arbeitnehmer leichter auf einen Missstand aufmerksam machen, die Führung wird schnell informiert und kann frühzeitig reagieren.

 

Drei Eskalationsstufen: Ansprechen, Behörde einweihen, Öffentlichkeit informieren

Das Hinweisgebersystem soll drei Stufen haben: Zuerst soll der Hinweisgeber seinen eigenen Arbeitgeber ansprechen. Erst wenn dieser nicht reagiert, kann er sich im zweiten Schritt an die Behörden und im dritten Schritt an die Öffentlichkeit wenden. Für das Unternehmen kann dieser Zeitgewinn sehr wertvoll sein: Reagiert das Management zügig und behebt das Problem, so kann es im günstigsten Fall Millionen-Strafen und eine öffentliche Rufschädigung vermeiden.

 

Neue Pflichten für Unternehmen

Der Startpunkt sind anonyme Meldewege, die jeder Mitarbeiter nutzen kann. Das sind  elektronische Plattformen, auf denen man anonym Verstöße melden kann und die eine geschützte Kommunikation mit der zuständigen Abteilung ermöglichen. Aber auch Telefonhotlines, eine Postanschrift, E-Mail-Adressen oder ein Ombudsmann gehören zu den möglichen Meldewegen, wenn sie anonyme, geschützte Kommunikation gewährleisten. So können Mitarbeiter ihre Namen geheim halten und Informationen ohne Angst an die Unternehmensführung weiterleiten.

Das Unternehmen muss alle Meldewege intern und extern – also auch etwa zu Behörden – klar definieren. Es muss auch die Person festlegen, die dafür zuständig ist, auf Meldungen zu reagieren und die nächsten Schritte einzuleiten.
Wenn eine Meldung eingeht, muss die Unternehmensführung die Sache aufklären und dem Arbeitnehmer/Whistleblower in einer angemessenen Zeit antworten. Und dabei seine Anonymität wahren. Außerdem muss der Arbeitgeber den Whistleblower schützen – Sanktionen oder gar Kündigungen sind tabu.

 

Liegt erst mal ein Whistleblower-Hinweis vor, dürfen Unternehmen sie nicht ignorieren. Zu groß ist die Gefahr, dass man sich dem Vorwurf aussetzt, Missstände nicht abgestellt zu haben, obwohl man sie kannte.

 

Verbesserung der Corporate Governance

Die Richtlinie soll die Corporate Governance in Deutschland verbessern. Auch, damit es nicht mehr zu Urteilen wie dem vom Juli 2011 kommt: Damals verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Deutschland wegen Verletzung von Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention: Ein Unternehmen hatte einer Whistleblowerin fristlos gekündigt, und deutsche Gerichte hielten die fristlose Kündigung einer Whistleblowerin für gerechtfertigt, obwohl die Betroffene erst vorbildlich intern auf Gesetzesverstöße hingewiesen hatte. Erst nachdem ihr Arbeitgeber keine Reaktion auf ihren Hinweis zeigte, hatte sie Strafanzeige bei den Behörden erstattet.

 

 

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