Management-Coach Goldfuß über den drolligen Englisch-Wahn der Personaler: Human-Ressources-Management ohne Ressourcen

Dass echt cool keine Temperaturangabe bedeutet, das ist wohl inzwischen jedem klar. Dass man aber bald ohne Englischkenntnisse kein Deutsch mehr versteht, das sieht Jürgen Goldfuß, Coach und Management-Autor, nicht ein. Auch ein Ex-WiWo-Kollege parierte schon vor einigen Jahren eine Pressemitteilung in englischer Sprache über deutsche Sachverhalte von einem deutschen Unternehmen so: Er antwortet auf französisch. Eine Antwort bekam er darauf nie. So schnell war Weltmann Krause dann am Ende.

 

…im Kostensparwahn  

Noch ein Beispiel gefällig? Eine vermeintlich pfiffiger PR-Manager aus dem Headquarter einer sehr großen US-Law-Firm ließ seine Pressemitteilung über die deutsche Presseabteilung an deutsche Medien auf englisch versenden – um die Übersetzungskosten zu sparen. Mit durchschlagendem Erfolg: Keine einzige Reaktion gab´s, niemand hat reagiert oder die Meldung veröffentlicht, erzählte mir eine Sprecherin hinter vorgehaltener Hand: „Ich hab´s denen in USA doch gleich gesagt.“ Fazit: Dann hätte man sich auch die Kosten einer Pressemeldung sparen können. Bei 200 bis 300 Mails am Tag gibt’s nicht mehr viel Ressourcen für lange Übersetzungen, von denen unklar ist, ob sich der Zeiteinsatz lohnt.

 

… oder Angst vor Haftung

Eine überraschende Info erhielt ich dagegen bei einer der Big-Four-Gesellschaften, warum sie eine teure, aufwändige Studie den deutschen Kunden – man wollte mit ihr die Mittelständler ansprechen, die keineswegs als Firmensprache englisch haben –  nicht übersetzt hatten: Man will nicht haften, wenn ein Unternehmenskunde den Tipps und Ratschlägen in der Studie folgt – damit aber auf der Nase landet und Schadenersatz fordert. Ob sich deutsche Mittelständler massenhaft anwerben lassen mit englischsprachigen Studien über deutsche Belange?     

Goldfuß hat jetzt die Englischhuberei der Personaler aufs Korn genommen – ein Gastbeitrag: 

 

Management-Autor und Coach Jürgen Goldfuß

 

Human-Ressource-Management ohne Ressourcen

Nix mehr Deutsch? Dass Personalabteilungen sich Human Resource Management nennen, obwohl in vielen Fällen laut den Mitarbeitern gar keine Ressourcen gemanaged werden, daran hat man sich mittlerweile gewöhnt. Welche intelligent klingenden Wortschöpfungen in der Branche sonst noch herumgeistern, das zeigt der Blick in eine Personalzeitung. Übrigens: die folgenden Begriffe wurden nicht erfunden, sondern existieren schwarz auf weiß in gemischter Groß/Kleinschreibung, nachlesbar in einer HRS-Publikation.

Da werden recruiter informiert über Chatbots, Candidate Experience, Employer Branding, Active Sourcing und Mobile Recruiting. Wichtig ist auch der Handlungsbedarf bei den Touch Points. Top-Performer berichten über ihre Social-Media-Strategie und die Zusammenarbeit mit Job- und Talent-Recommendern.

 

Titel für die eigene Wichtigkeit: Head of Employer Branding and Social Innovation

Die Kreativität bei der Titelfindung scheint unbegrenzt zu sein. Da gibt es den Head of Employer Branding and Social Innovation und den Global Director Employer Branding. Da berichtet der Director Group Human Resources über Employer Value Proposition, old-school Personaler und Hiring Manager.

Im War for Talents geht es dann um Employer-Branding-Strategien, Bullet-Point-Listen und Soft-Skill-Wunschbilder. Ein Head of Sales und ein Head of Key-account-Management informieren über Technologie-Cluster, ein anderer über die Virtual Reality-Panorama-Galerie.

Ein Vice President Strategy and Innovation klärt über zielgruppengerechten Content auf, ein weiterer Experte berichtet über Candidate Experience, CV-Parsing und Matching-Algorithmen. Sie entwickeln zum Beispiel EVP, die Employer Value Proposition mit der eine moderne, authentische Employer Brand entwickelt werden kann. Der Mitarbeiter einer Abteilung Labour Law, Labour Relations and Pensions Group informiert über Active Sourcing, Social Media Monitoring, automatisierte Matching-Verfahren und Predictive Analytics.

Ein Fachmagazin bietet Informationen im Recruiting von Inbound Marketing bis Social Referral, von Big Failure bis Best Practice und von People Business bis Chatbots. Beim Thema Team ist Team-Involvement und der Onboarding-Prozess ganz wichtig. Der Head of Recruitment Process Services macht auf Compliance-Checks und Sourcing-Methoden aufmerksam. Entscheidend scheint der Recruiting-Workflow bei der Suche nach Talent Scouts zu sein.

 

Talentry Jobs und Talentry Stories

Im Internet of Things darf auch die Artificial Intelligence und die State-of-the-Art Cloudlösung mit einem Bewerber-Feedbackmodul nicht zu kurz kommen. Wichtig ist, dass das gesamte Hosting dann zu 100 Prozent Made in Germany ist. Auf der Content-Plattform findet man dann Talentry Jobs und Talentry Stories. Der Vorteil: geringere cost-per-hire und die Verkürzung der Time-to-hire. Beim innovativen recruiting ist das Employer Branding Profil wichtig, um innovatives Candidate Relationship Management zu betreiben.

Da gibt es im Bereich Recruiting Content-Autoren und Frontend-Entwickler, die eine Vorauswahl mittels Code-Challenge entwerfen, um die optimalen Mitarbeiter-Benefits sicherzustellen. Letzendes sollen Mitarbeiter sich nicht mit der Work-Life-Balance, die Arbeit und Freude trennt, auseinandersetzen, sondern mit dem Work-Life-Blend, der beides verbindet. Schließlich geht es um das wellbeing, das das commitment der Mitarbeiter fördert. Mit dem Tool Total Reward Optimization werden nach der Conjoint-Analyse die Präferenzen der Mitarbeiter ermittelt. Das search-Business wird schließlich beim Thema Gender Diversity im Executive Search echt herausgefordert.

Zum rechtskonformen, operativen Doing gehören auch eine Car policy, ein konsistentes Grading-System, kurz von den Basics bis zum Long Term Incentive Plan, vielleicht auch ein Retention-Plan, so ein HR-Steering-Partner.

 

Der Foodrunner ist der Aushilfskellner

Wer nun glaubt, nur die HR-Branche leide unter einer babylonischen Sprachverwirrung, nein, auch in der Gastronomie finden sich kreative Wortschöpfungen. So suchte ein Hotelbetrieb einen Backgroundprofi – gemeint war ein Hausmeister, der auch spülen kann – und einen Foodrunner – einen Aushilfskellner. Dass man Begriffe aus anderen Sprachen übernimmt wie etwa Portemonnaie, Boulevard undsoweiter, ist nicht ungewöhnlich. Dass Sprache sich im Laufe der Zeit verändert, gehört zur Evolution. Aber muss es unbedingt im Sekundentakt sein?

 

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Für jeden den es interessiert: Beobachten Sie einmal Menschen und Führungskräfte (die gelegentlich auch Menschen sind), wie sich ihre Haltung und Ausstrahlung verändert, wenn sie von Deutsch auf Englisch (oder eine andere Fremdsprache) wechseln. Dann versteht man, warum die Muttersprache so heißt, wie sie heißt und Authentizität (bis auf wenige Ausnahmen) nur dort möglich ist.

  2. Mit Blick auf das Thema des Artikels lassen sich vielleicht auch für Big-Four-Gesellschaften und US-Law-Firm alternative deutsche Entsprechungen finden. 😉

    Ich gestehe aber, dass ich heute auch nur noch von Recruiting, Assestment oder Change Management spreche und die Suche nach Entsprechungen aufgegeben habe.