Wie wär’s mal mit Entmystifizierung der Digitalisierung?

… fragt Wissenschaftler Michael Hartmann von der GGS German Graduate School of Management & Law in Heilbronn

Michael Hartmann (Foto: GGS)

Wie wäre es mal mit Entmystifizierung der Digitalisierung?

Deutschland ist im Digitalisierungsfieber. Es wird fleißig über Transformation und Disruption gesprochen, von radikaler Veränderung ist jedoch nur wenig zu spüren. So ist auf das W-LAN im ICE nach Berlin nach wie vor wenig Verlass. Und während das Zeitalter der Industrie 4.0 gerade erst verkündet wird, befürchten bereits jetzt viele Menschen in Deutschland beruflich abgehängt zu werden.

 

Wenn jeder etwas anderes unter Digitalisierung versteht

Die Wurzel allen Übels ist: jeder versteht unter Digitalisierung etwas anderes. Das führt zu Missverständnissen, die Menschen reden aneinander vorbei, keiner traut sich nachzufragen. Keiner will old fashioned sein. Das Ergebnis: Fast alle sind verunsichert.

 

Gurus und selbsternannte Experten

Die Trendsetter, selbsternannte Gurus und Digitalexperten beherrschen die Medien und machen alle anderen glauben, nur sie hätten keine Ahnung. Die Dauerbotschaften heißen: Deutschland verpasse den Digitaltrend, nur Deutschland habe enormen Nachholbedarf undsoweiter. Wir werden damit automatisch zu Getriebenen – ohne die Möglichkeit, selbst gestalten zu können. Und das ist eine Vorstellung, die bei den meisten Unbehagen und Zukunftsängste auslöst. Mehr noch, Vordenker wie Unternehmenslenker lassen ihre eigenen Leute so dastehen wie Dummbatzen. Beschweren sich sogar noch in Umfragen über deren mangelnden Digital-Einsatz.

 

Ohne Mitarbeiter geht gar nichts

Für den digitalen Fortschritt brauchen die Unternehmen tatsächlich und flächendeckend das Wissen in den Mitarbeiterköpfen. Die Mitarbeiter sind es, die mit Ihren Ideen digitale Innovationen überhaupt erst schaffen und zum Einsatz bringen können.

Sind diese Köpfe durch Skepsis und Zukunftsängste blockiert, können sie kaum noch einen Wandel vollziehen – und erst recht nicht über Nacht. So kann sich keine Digitalisierungskultur bilden. Wir stecken im Teufelskreis: Digitalisierung hemmt damit genau die Kräfte, die notwendig sind, um die Digitalisierung voran zu treiben. Nur wie kann man nun dem Teufelskreis entkommen?

 

Wenn Manager und Politiker mal endlich konkret würden

Wie wäre es mit Entmystifizierung der Digitalisierung? Dazu müssen Manager und Politiker in ihren Aussagen nur mal konkret werden. Geht es um den Ausbau eines Glasfaserkabelnetzwerks, oder um ein neues IT-Geschäftsmodell? Beides hat zwar mit Digitalisierung zu tun, wirkt sich aber ganz anders auf Arbeits- und Konsumwelt aus. Erst wenn jeder konkret sagt, was er jeweils unter Digitalisierung versteht, endet die Ungewissheit, die die anderen in die Defensive treibt.

Dazu gehört auch, dass Digitalisierung nicht immer mit radikalen Veränderungen gleichgesetzt wird. Selbst wenn unser nächster Kühlschrank vielleicht automatisch dafür sorgt, dass immer genügend Milch vorhanden ist, werden wir trotzdem noch einkaufen gehen. Der Mensch mit seinen Bedürfnissen gehört in den Mittelpunkt der Digitalisierung-Überlegungen. Auch wenn uns alle Gurus und selbsternannte Experten klarmachen wollen, dass wir alle um das goldene Digitalisierungs-Kalb herumzutanzen hätten.

 

Lese-Tipp: Jeder dritte in Deutschland fühlt sich überfordert von der Digitalisierung und 16 Millionen Deutsche sind nicht mal im Internet: 

https://www.cio.de/a/jeder-dritte-fuehlt-sich-in-digitaler-welt-ueberfordert,3574708?tap=df8a0f6af9dd5ae70827a2299e7fa290&utm_source=Wirtschaftsnews&utm_medium=email&utm_campaign=newsletter&r=3687208142345634&lid=808424&pm_ln=7

 

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Ja – Digitalisierung – wie auch andere drastische Veränderungen in den Unternehmen – braucht vor allem den Einsatz und die Ideen der Mitarbeiter. Ohne Vertrauen ist das nicht zu haben. Dass Digitalisierung ein Klammerbegriff ist und oft nicht gesagt wird, ob es gerade um Infrastruktur, Tools oder Geschäftsprozesse geht, führt jedoch zur Verunsicherung. Hier stimme ich Ihnen zu.

    Doch vor allem fehlt mir in Unternehmen und Gesellschaft weitgehend die
    menschliche Seite der Digitalisierung. Heißt: Ohne Offenheit, Einbeziehung der Mitarbeiter, Unsicherheitstoleranz und kooperative Führung riskieren wir „digitale Monster“, die weder Kunden noch Mitarbeitern noch Unternehmen Nutzen bringen.

    Vor kurzem las ich den Slogan eines Beratungs-Instituts „Top-down zur Digitalisierung“. Ach ja? Sicher sollten die Führungskräfte an der Spitze eine Vorstellung davon haben, worum es geht. Und im günstigsten Fall auch schon eine vage Strategie. Doch gerade in High-Tech-Unternehmen verstehen Systemdesigner, IT-Spezialisten, Programmierer, Ingenieure, Vertriebler und Kundenbetreuer im Detail mehr von Digitalisierung als ihre Chefs. Das ist überhaupt kein Problem, solange die Suche nach innovativen digitalen Konzepten und Lösungen nicht nur in der Chefetage stattfindet – dominiert von externen Gurus.

    Wenn „Betroffene“ frühzeitig einbezogen werden und experimentieren dürfen,
    steigt die Chance, dass die Folgen digitaler Veränderungen allen Beteiligten zugutekommen.

  2. Michael Hartmann trifft den Nagel auf den Kopf. Die Mystifizierung der Digitalisierung verunsichert. Ist man nicht IT-Spezialist, kann man als Laie derartig schwammige Begriffe schlecht einschätzen und ist durch das eigene – vorhandene oder durch besagte Gurus erst künstlich erzeugte, vermeintliche – Unwissen verunsichert. Das hemmt natürlich den Schwung in der Mitarbeit zu digitaler Innovation.