Moderne Manager: Scheitern ist keine Option, – oder etwa doch?
Konkret: Kann Uli Hoeneß aus Compliance-Sicht Präsident des FC Bayern München werden? Diesen Freitag wird er gewählt werden. Gast-Kommentar von Peter Fissenewert, Compliance-Anwalt bei Buse Heberer Fromm in Berlin.
http://hd.welt.de/Sport-edition/article159610384/Die-Rueckkehr-des-Koenigs.html

Peter Fissenewert von Buse Heberer Fromm
Allzu harte Strafen der Gesellschaft
Ist das nun die typische bayerische Wurschtigkeit oder steckt dahinter vielleicht so etwas wie ein modernes Compliance-Verständnis? Der Wunsch von Uli Hoeneß wirkt angesichts seines Steuerhinterziehungs-Skandals zunächst skurril. Aber hindert ihn die Verurteilung daran, aus Compliance-Gründen tatsächlich wieder Präsident zu werden?
Viele meiner Compliance-Kollegen schütteln den Kopf und sagen „das geht gar nicht. In der freien Wirtschaft wäre so etwas nicht möglich“. Aber stimmt das wirklich? Ist es richtig, dass gescheiterte Manager auf Dauer, also quasi lebenslang, nicht mehr auf vergleichbare Managerposten zurückkehren können? Muss das so sein?
Das Scheitern und der Fehltritt werden in Deutschland vom Gesetzgeber wie von der Gesellschaft hart bestraft. Das Scheitern führt zu ihrer Stigmatisierung. Der Fall Hoeneß zeigt deshalb auch, dass und wie es einen Kulturwandel geben könnte. Wenn sich nämlich Reue, Strafverbüßung und starke Sachkenntnis vereinen und Sympathie hinzukommt, kann dies zu einer Loyalität der Öffentlichkeit führen, die nach einer Krise sogar stärkend wirkt.
Typisch deutsch: alles auf die Spitze treiben – auch Compliance
Hier ist also etwas mehr Gelassenheit im Umgang und Diskussion mit Compliance gefragt. Wir Deutschen neigen mittlerweile dazu, alles erdenklich Mögliche unter Compliance-Gesichtspunkten zu sehen. Das ist im Grundsatz zu begrüßen. Allerdings: Es ist es auch typisch deutsch, alles auf die Spitze zu treiben. Auch das Thema Compliance.
Sieht man sich die Compliance-Programme vieler Unternehmen an, wird klar, dass Compliance um der Compliance willen geschaffen wurde. Ohne dass man sich darüber Gedanken gemacht hat, was Compliance eigentlich wirklich bezwecken soll.
Compliance bedeutet – kurz gesagt -nichts anderes als das Beachten von Gesetzen und Richtlinien. Jedoch: Verstößt die Kandidatur von Uli Hoeneß gegen ein Gesetz? Manager dürfen keine Unternehmen für eine Dauer von fünf Jahren leiten, wenn sie wegen einer Straftat verurteilt wurden. Bei dem Katalog der Straftaten sind einige gellistet, allerdings nicht die Steuerhinterziehung.
So gesehen stünde einer Kandidatur von Uli Hoeneß nichts im Wege. Und natürlich kann man den FC Bayern mit einem Unternehmen vergleichen, sogar mit einem Konzern.
Zweierlei Maß und Neidkultur
Bereits im Vorfeld der Verurteilung von Uli Hoeneß gab es ja ein sogenanntes Compliance-Geschmäckle, weil die meisten im Aufsichtsrat an Uli Hoeneß festgehalten haben – obwohl schon gegen ihn ermittelt wurde und Bestrafung drohte. Die meisten im Aufsichtsrat von FC Bayern sind Spitzenmanager von Großkonzernen, die ihrerseits ja erheblichen Wert auf Compliance legen. Martin Winterkorn als noch amtierendes Aufsichtsratsmitglied kann davon ein besonderes Lied singen. Er musste als VW-Vorstand wegen der Compliance-Verstöße seinen Hut nehmen. Und viele Mitarbeiter der im Aufsichtsrat des FC Bayern vertretenen Konzerne müssen eben auch gehen, wenn sie sich Compliance-Vergehen vorhalten lassen müssen, die erheblich geringer sind als eine Steuerhinterziehung. Sie werden ihren Job verlieren und im Übrigen bei keinem anderen Unternehmen einen vergleichbaren Job bekommen.
Einmal scheitern, tief fallen
Denn Scheitern ist in Deutschland keine Option. Wer scheitert, fällt tief. Einmal gescheitert, immer gescheitert. Hinzu kommt eine Neidkultur, die uns leider auch den Blick auf die rechtlichen, psychologischen, ökonomischen und verfassungsrechtlichen Begleitumstände und Hintergründe vernebelt.
Muss man nicht genauer hinsehen? Was will Compliance, was will Compliance erreichen, was will Compliance verhindern? Was sie keinesfalls will ist: Gescheiterten Managern auf Dauer ein Berufsverbot auferlegen. Das ist nicht Sinn und Zweck von Gesetzen und Richtlinien.
Im Idealfall führt eine gute Compliance zu einer guten Unternehmenskultur. Und zu solch einer guten Unternehmenskultur gehört auch, dass man Verstöße gegen Gesetze und Richtlinien sanktioniert. Genauso gehört aber dazu, dass man nach der Sanktionierung und dem Gelernten aus dem Fehler dem Gescheiterten eine neue Chance gibt. Die Unternehmenskultur reicht aber allein nicht aus.
Fehlende Scheiterkultur: Fehler machen und trotzdem weiterleben dürfen
Wir brauchen auch ein Scheiterkultur, was hierzulande etwas Neues wäre. Es muss möglich sein, Risiken einzugehen und Fehler zu machen und im schlimmsten Fall trotzdem weiterleben zu können und nicht in Schimpf und Schande unterzugehen. Und scheitern darf nicht lebenslänglich“ oder Berufsverbot bedeuten. Stattdessen müssen wir Gescheiterten helfen und können aus Fehlern lernen.
Die Rückkehr eines gestrauchelten Königs
Weder Geschäft, noch das Normale, das Menschliche darf auf der Strecke bleiben. Und dabei darf auch der neidische Blick auf die Tabelle oder ein Gehalt nicht das transparente Denken vernebeln. Stehen wir uns nicht allzu oft mit unseren Regeln im Weg und verhindern Möglichkeiten oder Geschehnisse, ohne genau zu wissen, was hier eigentlich gemacht wurde? Fehler dürfen gemacht werden und aus Fehlern kann man lernen. Wir sollten Managern, Präsidenten, Ministern nach ihrem Scheitern, nach dem Verbüßen ihrer Strafe, eine neue Chance geben. Die Wiederwahl von Uli Hoeneß ist die Rückkehr eines gestrauchelten Königs.
ja!
Jeder Mensch sollte eine zweite Chance bekommen. Aus Fehlern lernen ist eine gute Motivation. Einer nimmt zwei Rolex Uhren aus der Schweiz mit und vergisst diese beim Zoll anzumelden. Strafe bezahlt und gut ist. Strafe abgesessen und gut ist. Seine Leistungen für den Verein sind unstrittig. Wenn ein großer Sportkonzern sagt, Uli ich habe genug ndavon, dann nimm es, ist doch alles gut. Nut das versteuern darf nicht vergessen werden.
Nein! Herr Hoeneß dürfte jetzt nicht auf eben jenen Posten des Präsidenten zurückkehren.
ja, die Compliance wird in Deutschland übertrieben und oftmals zum Selbstzweck,
ja, leider akzeptieren wir Scheitern zu wenig und wir begreifen es schon gar nicht als Chance und
ja, jeder hat eine zweite Chance verdient.
Und dennoch:
Die zweite Chance hat Herr Hoeneß – zu Recht – längst von der Justiz und von seinem Verein bekommen. Aber er ist nicht einfach gescheitert, sondern er hat sich aus einer herausgehobenen Position mit hoher Strahlkaft und großer öffentlicher, ja sogar politischer Bedeutung einer schweren Verfehlung schuldig gemacht. Da sind allein bei der Neubesetzung der Position einfach andere, höhere Compliance-Maßstäbe anzulegen, um das Amt nicht zu beschädigen.
Das Signal einer flexiblen Compliance in Abhängigkeit von der Person oder der Position ist hier fatal.
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Das Thema Scheitern ist derzeit aktuell und sollte in den verschiedensten Bereichen dirskutiert werden und ebenfalls jedem, der scheitert, eine neue Chance geben werden. Ein Mal scheitern bedeutet nicht, dass man auch in weiterer Zukunft an neuen Projekten scheitern muss. VG Doris B.