Buchauszug Stefanie Bilen: „Mut zu Kindern und Karriere“

Buchauszug:Stefanie Bilens „Mut zu Kindern und Karriere“

 

Autorin Stefanie Bilen (Foto: Rieka Anscheit)

Autorin Stefanie Bilen (Foto: Rieka Anscheit)

 

Schlechtes Karma: Wenn der Chef mauert

Tatsächlich gelingt vielen Frauen nur unter großen Anstrengungen überhaupt ein Wiedereinstieg. Mal sind es subtile Bemerkungen und Sticheleien von Vorgesetzten und Kollegen, die Frauen entmutigen, auf ihre alte Stelle zurückzukehren. Mal werden ihnen Steine in den Weg gelegt und ihr Arbeitgeber winkt mit Degradierung und Gehaltskürzung. Die Frankfurt University of Applied Sciences hat in der Studie „Karriereperspektiven
berufstätiger Mütter“ unter 1.801 Teilnehmerinnen herausgefunden, dass jede dritte Mitarbeiterin von ihrem Vorgesetzten nicht ermutigt wurde, frühzeitig in die Firma zurückzukehren. 68 Prozent kehrten dennoch zurück, bekamen jedoch die alte Position nicht zurück (25 Prozent), weil entweder jemand anderes eingesprungen war oder die Stelle gestrichen wurde. Zwei von drei Wiedereinsteigerinnen mussten sich mit einem niedrigeren Tätigkeitsniveau, geringeren Einflussmöglichkeiten, schlechterer
Bezahlung und/oder schlechteren Aufstiegschancen abfinden.

 

Schwanger? „Muss das jetzt sein?“

Anette von Löwenstern kennt diese Entmutigungen nur zu gut. Nicht aus Studien, sondern aus eigener Erfahrung. Die Politikwissenschaftlerin war Abteilungsleiterin für PR-Arbeit und Kommunikation mit einem Team von zehn Mitarbeitern bei einer Pharma-Marketing-Agentur, bevor sie schwanger wurde. Bis dahin galt sie als Leistungsträgerin des Unternehmens, akquirierte große Aufträge nicht nur für ihren Bereich und stand bei ihrem Chef, dem Inhaber, hoch im Kurs. Die frohe Kunde ihrer Schwangerschaft kommentierte der Chef jedoch mit den knappen Worten „Muss denn das jetzt sein?“

Weil er ihr finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung zusagte, wenn sie denn schnell wiederkomme, zeigte die Hamburger Working Mom weiter überdurchschnittlichen Einsatz. Sie reiste quer durch die Republik, moderierte hochschwanger Ärzte-Workshops und freute sich darauf, künftig Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können. Geplant hatte sie eine Elternzeit von zwei Jahren, allerdings bei einem Wiedereinstieg nach drei Monaten auf Teilzeitbasis. Sogar während des Mutterschutzes führte sie noch Kundengespräche und war eingebunden in die Kommunikation im Büro. Ein paar Wochen nach der Geburt saß sie wieder in der Agentur, während eine Kinderfrau mit dem Baby spazieren fuhr und es zum Stillen vorbei brachte.

 

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„Mut zu Kindern und Kariere“,  Stefanie Bilen, 182 Seiten, Oktober 2016, Frankfurter Allgemeine Buch, 24,90 Euro http://www.fazbuch.de/buecher/sachbuecher/mut-zu-kindern-und-karriere

 

Auch für die Firma war es eine schwierige Zeit. Ein wichtiger Kunde vertagte zugesagte Projekte, in anderen Bereichen blieben Aufträge aus. Doch die Stimmung war gut, weswegen Anette von Löwenstern aus allen Wolken fiel, als sie nach einem Urlaub erfuhr, dass ihr und ihrem gesamten Team gekündigt worden war.

 

Zerrissenes Tischtuch

Später wurde ihre Kündigung zwar zurückgenommen, weil sie in Elternzeit gar nicht zulässig ist, aber das Tischtuch war zerrissen. „Ich empfand das Verhalten als absolutes Misstrauensvotum. Aus meiner Sicht hatte ich Größtmögliches geleistet – ganz ohne Würdigung“, erinnert sich von Löwenstern. Das Arbeitsverhältnis wurde unschön beendet und schließlich machte sich die PR-Expertin erfolgreich selbständig – was im Kapitel über Firmengründungen beschrieben wird.

Autorin Anette von Löwenstern

Anette von Löwenstern

Dennoch brauchte Anette von Löwenstern einige Monate, bis sie sich von dieser Erfahrung erholte: „Für mich war es eine große Umstellung, mit 39 Jahren Mutter zu werden. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich an den neuen Rhythmus und die Verantwortung gewöhnt hatte: Die mangelnde Mobilität, die nicht vorhandene Flexibilität… Daran hatte ich zu knabbern und fühlte mich überhaupt nicht groß und stark. In einer solchen Situation so vom Arbeitgeber behandelt zu werden, ist mehr als unangenehm.“

 

 

Positivbeispiele: Mit Schwung zurück zur Arbeit 

Erfreulicherweise gibt es auch andere Arbeitgeber und Vorgesetzte. Und umso wichtiger ist es, sie sichtbar zu machen. Frauke Grotjahn arbeitet in einem solchen Umfeld: die Wirtschaftsingenieurin, die während ihrer sechsmonatigen Elternzeit jede Woche mit ihren Vorgesetzten telefonierte. Sie kehrte nach der Elternzeit in ein neues – fusioniertes – Unternehmen zurück und übernahm eine völlig neue Stelle: Als sogenannter Global Head of Process war die Finanzmanagerin am Aufbau eines weltweiten internen Dienstleistungszentrums beteiligt. Ein halbes Jahr später bekam sie weitere Zuständigkeiten und stieg in das Management-Team eines Projekts auf, das am Firmensitz in Oslo angesiedelt war.

 

Kleine Gemeinheiten der Kollegen

Fortan pendelte sie ein Jahr lang jede Woche für zwei Tage in die norwegische Hauptstadt, bis sie im Sommer 2015 sogar mit der gesamten Familie nach Oslo umzog. Sie war bereit, viel zu geben, forderte aber auch einiges ein, damit sie gemeinsam mit ihrem Mann beide Jobs und das Familienleben mit zwei kleinen Kindern vereinbaren konnte. An normalen Arbeitstagen blieb sie bis 18 Uhr und länger im Büro, zweimal pro Woche ging sie um halb vier, um die Nachmittage mit ihren Kindern zu verbringen – ihr Mann machte in seiner Firma dasselbe. Ihre Kollegen waren nicht begeistert über Frauke Grotjahns Lösung, doch nach vier Wochen hörten die Sticheleien deswegen auf, erzählt sie.

Frauke Grotjahn wundert es nicht, dass es die negativen Reaktionen in der Firma gab: Schließlich war sie die Erste in der Abteilung, die als Mutter Vollzeit in den Job zurückkehrte. Doch sie nahm die kleinen Gemeinheiten ihrer Kollegen sportlich: „Ich habe das Spiel meiner Kollegen mitgespielt. Wer mir abends unwichtige und wenig dringende E-Mails schickte, bekam sofort eine Antwort – ergänzt um einige Fragen und Arbeitsaufträge. Das wirkte, die E-Mails ließen nach.“ …

 

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