Wenn zwei von drei Mitarbeitern ihren Chef für ungeeignet halten – Gastbeitrag von Management-Coach Jürgen W. Goldfuss

Wenn Führungskräfte nie Chef gelernt haben – Gastbeitrag von Management-Coach und Buchautor Jürgen W. Goldfuss

 

 

Die Zahlen sind alarmierend: Zwei von drei Arbeitnehmer halten ihren Chef für fachlich ungeeignet, zeigt eine Studie der Beratung Rochus Mummert zum Thema Emotionale Führung am Arbeitsplatz. Hierbei ist nicht die Qualifikation als Fachmann oder Fachfrau gemeint, sondern die Fähigkeit, andere Menschen zu führen – die eigentliche Aufgabe einer Führungskraft.

Management-Autor und Coach Jürgen Goldfuß

Management-Autor und Coach Jürgen Goldfuß

Kritik anzunehmen, ist für die allermeisten Chefs ein Problem

Die Umfrage unter 1000 Arbeitnehmern in Deutschland zeigte die häufigsten Mängel der Führungskräfte auf, zum Beispiel der Umgang mit Kritik:80 Prozent der Chefs haben hier offenbar ein Problem, sachlich und emotionsfrei Kritiken anzunehmen und zu verarbeiten.

 

Kritik ohne Verletzungen – Neuland

Ebenso scheint die Fähigkeit, Kritik zu üben ohne Vorwürfe oder Verletzungen, für die Meisten noch Neuland zu sein. Laut einer Studie des Instituts für Konfliktmanagement und Führungskommunikation (IKuF) besitzt jeder dritte direkte Vorgesetzte nicht die Kompetenz, angemessen Feedback zu geben.

 

Führen ist etwas völlig anderes als Fachtätigkeit – nur wissen es die Beförderten?

Empathie, Einfühlungsvermögen, ein Gespür für Menschen – offenbar für die meisten Chefs immer noch Fremdworte. Wer in seiner beruflichen Karriere sich als hervorragender Schräubchendreher profiliert hat, der muss nicht unbedingt auch verstanden haben, dass Führen ein anderes Geschäft ist als die bisherige Fachtätigkeit.

Und wer von der Fachposition in die Führungsposition hineingerutscht ist oder hineingehievt wurde, für den sind Begriffe wie Psychologie Böhmische Dörfer. Der wird auch kaum verstehen, dass er nun nicht mehr dafür bezahlt wird, dass „er es tut“, sondern dass „es getan wird“.

In seinem Buch „Psychopathen – Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann“ führt der Autor Kevin Dutton eine Psychopathen Top-Ten-Liste auf. Danach sind die meisten Psychopathen in Chefetagen zu finden. Führungskräfte träfen häufig Entscheidungen gegen den Willen anderer, ließen Gefühle außen vor und dächten vor allem an sich selbst, so der Autor.

Kein Wunder, dass es so wenige Firmen mit einer angstfreien Kommunikationskultur gibt. Und wie teuer ein solches Klima werden kann, das lässt sich an den aktuellen VW-Meldungen beinahe täglich verfolgen.

 

Der Chef als Seelsorger? Nein, aber Problemlöser

„Muss ich jetzt der Seelsorger meiner Abteilung sein?“ fragte eine angehende Führungskraft auf einem Seminar. Nein, aber sie sollte sich als Problemlöser und Streitschlichter betrachten – und als Verantwortlicher für das Betriebsklima.

Eine Führungskraft muss sich auch ihrer Außenwirkung bewusst sein. So stellte sich bei einem Firmenseminar der Abteilungsleiter breitbeinig, mit offener Jacke und in die Hosentaschen versenkten Händen vor seine Untergebenen und klärte sie über seine zukünftige Erwartungshaltung auf. Die Teilnehmer äußerten nach seinem Abgang unmissverständlich, was sie von seinem Erscheinen hielten. Beim Abschluss-Gespräch machte ich ihn auf seinen suboptimalen Auftritt aufmerksam. Seine Reaktion: „Die sollen sich nicht so anstellen“. Der Elefant im Porzellanladen?

 

Schaffen – nicht Spaß haben

Eine ähnliche Reaktion zeigte ein Schwäbischer Kleinunternehmer, als wir auf das Thema Humor und Spaß am Arbeitsplatz kamen: „Die sollet schaffe und koin Spaß han“. Dementsprechend humorlos zeigte sich das ganze Unternehmen bei der Betriebsbesichtigung.

 

Beziehungskrüppel am Werk

Da fragt man sich schon, wie solche Führungskräfte zukünftig auf Mitarbeiter einer anderen Generation wirken, wie attraktiv sie zukünftig auf den benötigten Personalnachwuchs wirken. Ganz abgesehen davon, ob solche Beziehungskrüppel überhaupt in der Lage sind, multikulturelle Gruppen erfolgreich zu führen.

Auf einer Veranstaltung sagte ein Teilnehmer, der über seine Erfahrungen mit verschiedenen Chefs berichtete: „Deutsche Führungskräfte und Psychologie, das ist so wahrscheinlich wie ein Friedensnobelpreisträger aus Rest Jugoslawien. Nicht ganz ausgeschlossen, aber recht unwahrscheinlich“.

Es gibt also noch viel zu tun.

http://www.vortragsredner.de/vortragsredner/details/juergen-w-goldfuss.html

 

 

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Alle Kommentare [12]

  1. Herr Goldfuß beschreibt exakt die Situation, welche ich in den letzten Jahren und extrem ausgeprägt im ersten Halbjahr bei meinem Arbeitgeber erlebte. Der Höhepunkt war die im Artikel geschilderte Pose mit den Händen in den Taschen, als ein für das Geschäftsfeld verantwortlicher vor die Mitarbeiter trat um ihnen zu erklären, dass das Werk in dem ich arbeitete, geschlossen wird. Er hatte auch noch die Unverfrorenheit uns zu erklären, dass das Management inklusive seiner eigenen Person in der Vergangenheit erhebliche strategische Fehler gemacht hat, dies leider dazu führt, dass wir unseren Job verlieren, er aber seinen „Gott sei Dank“ behält.

  2. Ja, leider ist festzustellen, dass Führung und Organisation in Unternehmen und Organisationen zu einem Problem werden. Vieles ist einfach natürlich gewachsen und passt zu den heutigen Erfordernissen nicht mehr. Auch die Beratungsfirmen mit Ihren BWL-Weisheiten, die von jungen Abgängern repräsentiert werden, sind meiner Überzeugung nach nicht mehr zeitgemäß.

    Eine Führungskraft kann in einem Unternehmen oder einer Abteilung sehr erfolgreich sein, während diese bei einer anderen Aufgabe oder in einem anderen Umfeld völlig scheitert. 2/3 des Erfolges erfolgt jedoch über Menschen, daher ist dies ganz wichtig. Menschen sind die Kunden und Menschen sind die Handelnden. Eine Sogwirkung ist besser als Druckwirkung. Diese Tatsache ist weder in der Werbung noch in der Führung so richtig bewusst. Sogwirkung soll sagen: „Kunden und Personal sollen das Gefühl haben, hier richtig zu sein.“

    Es geht immer um das Zusammenspiel von Leistungen und Kosten. Bis 39% der Produktivität wird vergeudet durch Kommunikationsmängel und schlechte Führung. Bis 60% der Führungskräfte bewerten/führen Mitarbeiter unzureichend, somit geht viel Potential verloren. Hier gilt es anzusetzen.

    S. Wüst, Mauern
    http://www.wuest-weiterbildung.com

  3. Guten Tag Herr Goldfuß,

    ein toller – und leider wahrer – Artikel. Das Thema ist immens wichtig. Gerade im Bereich der KMU werden viele Ressourcen und Finanzmittel verschwendet, weil die Führungskultur nicht funktioniert. Ein tägliches Drama.
    Sehr geehrter Herr Goldfuß, ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer weiteren Arbeit.

    Beste Grüße
    Carsten Seiffert

  4. In einer Studie von Egon Zehnder International wird eine neue Führungskultur eingefordert. Bei fast allen 1500 Teilnehmern korrelierte der berufliche Erfolg auffällig mit der Emotionalen Intelligenz. So stellt sogar Reinhard Grasse, Personalchef bei Siemens fest, „dass Soziale Kompetenz wichtiger denn je ist…“ Zur Optimierung des Verhaltens beim Menschen reichen aber „offene Seminare oder Vernastaltungen“ die man sich mal „reinzieht“ nicht aus. Da es nur eine Frage der Zeit ist, dass man wieder in die „alten Muster“ zurückfällt. Wenn man aber Führungskräften nicht die notwendige Zeit zur persönlichen Weiterbildung gibt, braucht man sich nicht wundern welche Führungsqualität in den Firmen vorhanden ist. „Nichts weist darauf hin, dass unser Hirn je die Fähigkeit einbüßt, weiter dazu zu lernen…“ (Prof. Michael Merzenich, Universität San Francisco). Vor allem wird dies in der disruptiven digitalen Wirtschaft der entscheidende Erfolgsfaktor sein, ob die Führung die Mitarbeiter einbinden, intelligent vernetzen und ihn für den individuellen Umgang mit Kollegen, Kunden und Wettbewerber sowie externen Partner ausbilden und für den Corporate Cultural Change fit machen. Siehe dazu mein eBook „Führung 5.0: Intelligent vernetzen – unterstützen – entfalten“ auf http://www.bookboon.com gegen Gebühr herunterladbar. Viel Spaß beim Lesen.

  5. Sie treffen den Nagel auf den Kopf, lieber Herr Goldfuss! All das, was Sie nennen und sehr treffend beschreiben, kann man in der Tat seit Ewigkeiten beobachten. Es scheint sich trotz der enormen Menge an Management- und Führungsliteratur sowie des florierenden Geschäfts des Coachings von Führungskräften, wenig verändert zu haben. Die bevorzugte Beförderungspikitik des „Peterprinzips“ ist nach wie vor vorherrschend. Das unterstreicht wieder Ihre Theorie, dass mangelndes Einfühlungsvermögen und EQ fehlen, um stärkenorientiert und kompetenzorientiert Talent Manegement zu betreiben bei manchen Entscheidungsträgern.

  6. Diese Kardinalfrage stellt sich dabei stets, weil wieder und wieder:

    Gibt es eine wirklich protagonistische, zeitgemäße Führungskultur in Unternehmung und/oder Institution?

    Die Nachfrage lautet:

    Ist die Unternehmenskultur im Sinne von Führungsqualitäten wirklich gelebt oder lediglich plakativ?

    Die Beantwortung dieser zwei Fragen steht allem zum hoch exponierten Thema voran.

  7. Wie wahr das alles ist.
    Mein allererster Abteilungsleiter vor 40 Jahren war tatsächlich noch ein guter Chef, der sich auf Menschenführung verstand. Danach ging es gleichmäßig bergab.
    Mein letzter Abteilungsleiter war ein Nerd, muss mal technisch sehr gut gewesen sein, aber im Umgang mit Menschen total ungeschickt, weswegen er in seinem Elfenbeinturm sprich Chefzimmer lebte. Durch den fehlenden Kontakt zum Fußvolk konnte ihn mein narzisstischer Gruppenleiter bestens manipulieren und selbst Fehler, wie beschrieben, praktizieren.

  8. Herr Goldfuss trifft mit diesem Bericht voll ins Schwarze.
    Nur wie heisst es immer so schön : „der Fisch stinkt vom Kopf“.
    In den obersten GF-Ebenen wird zwar immer von „Leader-Ship“ und „Soft-Skills“ gesprochen, auch werden diese in allen Stellenanzeigen besonders hervorgehoben, nur leider so so so…. selten gelebt.
    Am Ende zählen doch immer nur zwei Dinge : 1.) bitte keine Kritik an Vorgesetzten ( sei sie auch noch so konstruktiv ) und 2.) nur messbare Leistung ( Gewinnmaximierung ) hat einen Stellenwert.
    Herr Goldfuss hat vollkommen Recht, dass auf diesem Gebiet zwischen Theorie und Praxis in den meisten Fällen noch immer Welten liegen. Leider !

  9. Hallo Herr Goldfuß, wie recht Sie doch haben und die vielen anderen hier auf diesem Portal als auch zu diesem Thema anderswo. Leider wird der „normale“ Arbeitnehmer, Angestellte oder auch Teamleiter an diesem System nichts ändern. Weil, derjenige der das Kapital hat, hat nun mal das sagen. Dies sind heute nicht mehr die aller hellsten Köpfe und schon gar keine Menschenfreunde. Dem Kapital unterwerfen sich dann eben auch mal Geschäftsführer, Bereichsleiter, Abteilungsleiter – anders kommen sie weder in eine solche Position noch können sie sich in dieser Position halten. Sich dem Kapital zu unterwerfen heist jedoch auch und dass habe ich ebenfalls mehr als einmal schmerzhaft erfahren müssen, die Untergebenen nicht als Menschen zu behandeln. Denn sonst müsste die Führungskraft ja nach oben wieder sprechen und mit den Untergebenen Mitleid haben. Das ist jedoch eine glassklare Schwäche, die in den Führungsetagen von keinem Geduldet wird. Alternative Vorschläge & Konzepte ausarbeiten wäre ja noch eine Möglichkeit. Nur, wo nimmt man dazu die Ressourcen her, wenn man sie vorher abgebaut hat. Fremdvergabe – zu teuer. Newcommer auf die Aufgabe ansetzen – dauert zu lange. „Plug & Play“ – wollte man von mir bei meinem letzten Bewerbungsgespräch. Immerhin – ich war im Gespräch, andere nicht.

  10. Vielleicht fehlt es auch gerade in diesem Fall an einem Umstand, der dringend geändert werden müsste: Wenn strategische Fehlentscheidungen nicht mehr geändert werden, sondern zu Totalverlusten führen, dann müssten die Verantwortlichen eben auch persönlich haftbar gemacht werden. Wenn sich das herumspräche, dann würden Kritik oder abweichende Meinungen vielleicht als Hilfestellung verstanden werden.

  11. Hallo Herr Goldfuss,
    ich bin gerade in der Vorbereitung meines Schnupper-Workshops „Führungstango“ und dabei auf den Blog-Beitrag und die Kommentare gestoßen. Ich kann Ihren Aussagen aus eigener Erfahrung nur zustimmen.
    Doch wie wird man ein besserer Chef? Wie lernt man Feedback zu geben, ohne den Anderen zu verletzen? Und ist gute Führung alleine Chefsache? Was bedeutet „Führung von unten“?
    Antworten auf diese Fragen habe ich selbst beim Erlernen und Tanzen von argentinischem Tango gefunden. Und habe daraus gemeinsam einer bekannten Tangotrainerin ein praxisorientiertes Führungskräfte-Training entwickelt. Die Aussagen in Ihrem Artikel werden fast 1:1 umgesetzt – sozusagen vom Wissen zum Können.