Umfrage: Jeder dritte glaubt, seine Firma übervorteile Frauen beim Thema Lohn

 

Glaubensfragen, wo man Gewissheit haben könnte – im 21. Jahrhundert

Manchmal beschäftigen sich Umfragen auch mit Glaubensfragen – wo man am Ende eigentlich lieber Gewissheit hätte, wie ist es denn jetzt? Die Job- und Karriereplattform Glassdoor beispielsweise hat 8000 Arbeitnehmer befagt, ob sie denn glauben, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit gleichen Lohn in ihrer Firma bekommen.

 

Da sagten 73 Prozent der Befragten, dass sie glauben, dass Männer und Frauen in ihrem Unternehmen in puncto Lohn gleich behandelt werden. Eine Glaubensfrage also – auf deren Bestätigung oder Entkräftung ich neugieriger wäre als auf das, was die Mehrheit glaubt.

Sieht man dies mal aus Unternehmenssicht, so ist es doch nett, dass der Betriebsfrieden an der Stelle nicht gefährdet ist. Und interessant ist es, dass die 73 Prozent der Antwortgeber Männer und Frauen gleichermassen waren, präzisiert Glassdoor auf  Nachfrage hin: 73  Prozent der deutschen Arbeitnehmer glauben, dass Frauen und Männer in ihrem Unternehmen für die gleiche Arbeit auch gleich bezahlt werden. Bei den Männern sind es 74 Prozent, bei den Frauen 71 Prozent.

Nur man weiß es dann eben doch nicht, weil ja in den Arbeitsverträgen – übrigens oft nichtige – Geheimhaltungsklauseln stehen und das Thema ohnehin hierzulande irgendwie peinlich ist. Den Unternehmen kommt diese Kultur entgegen, müssten sie doch sonst herumargumentieren. Oder wenn ein Mitarbeiter unter Androhung von Kündigung erfolgreich sein  Gehalt hochgeschraubt hat, auch den anderen Kollegen diese Wohltat womöglich angedeihen lassen. Die nicht drohen, sich gar nicht trauen oder die Faust in der Tasche machen oder lieber nicht über Lohngerechtigkeit in ihrer Firma oder ihrer Abteilung nachdenken, um sich nicht ärgern zu müssen.

 

Jeder dritte bezweifelt Lohngerechtigkeit in seiner Firma

Im Klartext sagt die Umfrage weiter: Umgekehrt glauben doch immerhin 29 Prozent der Frauen nicht an die  Gerechtigkeit ihres Arbeitgebers und auch 26 Prozent der Männer. Wenig ist das nicht, fast jede und jeder dritte.

 

Andrew Chamberlain, Chief-Economist von Glassdoor

Andrew Chamberlain, Chief-Economist von Glassdoor

Andrew Chamberlain, Chief Economist bei Glassdoor: „Das, obwohl viele Studien das Gegenteil beweisen, seit vielen Jahren Maßnahmen wie der Equal Pay Day bestehen und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend an einem Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit arbeitet.“ Merkwürdig daher: „Obwohl offenkundig Lohnunterschiede bestehen, glaubt die Mehrheit der Arbeitnehmer, dass es an ihrem Arbeitsplatz keinen Gender Pay Gap gibt“, sagt Chamberlain.

 

Naive deutsche Arbeitnehmer?

Sind deutsche Arbeitnehmer etwa so naiv? Dass Löhne gerecht sind, ist ungefähr so richtig wie die  Annahme, dass in Gerichten Gerechtigkeit hergestellt wird oder dass es den Osterhasen gibt.

 

 

Billigere Managerinnen, kleinere Dienstwagen – Headhunter kein Gehaltscoach

Die Lohngerechtigkeit wird übrigens nicht höher mit steigender Hierarchieebene. Ich höre selbst über Managerinnen von Headhuntern, dass sie weniger Gehalt als Männer bekommen – und die müssen es ja wissen. Sogar, dass Managerinnen die kleineren, billigeren Dienstwagen bekommen als Männer, erzählen sie.

Sind die Headhunter selbst Frauen, begegnet ihnen häufig diese verdrehte Verhaltensweise von Frauen: Dass sie vom Headhunter richtiggehend gecoacht werden wollen, wieviel Gehalt sie vom künftigen Arbeitgeber – dem Auftraggeber des Headhunters immerhin – verlangen können.

 

 

Jeder zehnt findet, Frauen gehören schlechter bezahlt

Laut Glassdoor-Umfrage finden übrigens zehn Prozent der deutschen Befragten gar nicht, dass Männer und Frauen für gleiche Arbeit gleichen Lohn bekommen sollten. In USA trauen sich das immerhin sieben Prozent. Zum Warum sagt die Befragung nichts aus.

 

 

Transparenz als Gegenmittel

Einen frommen Rat hat Glassdoor dann aber zur Hand für Unternehmen, die ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern wollen:Transparente Vergütungspraxis. Denn 61 Prozent der Deutschen (69 Prozent der Frauen, 51 Prozent der Männer) würden sich bei einem Unternehmen, das  Frauen beim Lohn übervorteilt, gar nicht erst bewerben, sagten die Befragten.Wenn man es denn wüßte, wie gesagt.

Chamberlain: „International herrscht Konsens darüber, dass die besten Maßnahmen zur Bekämpfung des Gender Pay Gap gesetzliche Regulierung, Neuerungen hinsichtlich der Firmenpolitik von Unternehmen beim Thema Vergütung sowie generell mehr Gehaltstransparenz auf allen Ebenen sind.“

 

 

Maßnahmen gegen die Gehaltskluft zwischen Männern und Frauen

Wie es weitergehen soll? Laut Glassdoor-Umfrage unter deutschen Arbeitnehmern sind die sinnvollsten Maßnahmen aus Sicht derjenigen, die bei ihrem Arbeitgeber Frauen-Benachteiligung unterstellen:

  • „Gesetzgeber sollten Arbeitgeber dazu zwingen, alle Angestellten mit gleicher Erfahrung für die gleiche Tätigkeit auch gleich zu entlohnen (41 Prozent der Befragten stimmen zu)
  • Arbeitgeber sollten eine neue Unternehmenspolitik rund um das Thema Gehalt und Vergütung einführen (26 Prozent)
  • Frauen sollten Beschwerden und Klagen einreichen, um gleiche Bezahlung durchzusetzen (26 Prozent)
  • Größere interne Transparenz beim Thema Gehalt auf allen Ebenen – zum Beispiel dadurch, dass Personalabteilungen die Gehaltszahlen offenlegen (15 Prozent)
  • Zusicherung des Arbeitgebers zu einer erhöhten Frauenquote in Führungspositionen (14 Prozent)
  • Zusicherung des Arbeitgebers zu einer erhöhten Frauenquote (11 Prozent)“

 

 

Infos zur Studie:

Die Studie wurde vom Marktforschungsinstitut Harris Poll im Auftrag von Glassdoor durchgeführt. In Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada, den Niederlanden, der Schweiz und den USA wurden zwischen dem 1. und 5. Oktober 2015 insgesamt 8.254 Teilnehmer ab 18 Jahren befragt. Berücksichtigt wurden nur Erwachsene, die einer Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Die Online-Befragung beruht nicht auf einer Zufallsstichprobe, weshalb keine theoretischen Stichprobenfehler errechnet werden können.

 

Ohne Berücksichtigung der spezifischen Qualifikation und Tätigkeit verdienen Frauen sogar 22 Prozent weniger als Männer (nicht bereinigter Gender Pay Gap). Quelle: Statistisches Bundesamt, März 2015:

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Indikatoren/QualitaetArbeit/Dimension1/1_5_GenderPayGap.html

 

In diesem Jahr ist der Equal Pay Day in Deutschland am 19. März. Infos: http://www.equalpayday.de/startseite/

 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/Service/volltextsuche,did=214406.html

 

Bericht „Glassdoor Global Gender Pay Gap Survey“ Glassdoor-Studie (auf Englisch) mit Aufschlüsselung der Studienergebnisse nach Geschlecht, Einkommen, Standort und Alter.

https://www.glassdoor.com/press/surveys/

 

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