Studie: Unternehmen laufen trotz ihrer Chefs – meist ziellos, ohne Feedback und freudlos

 

Es gibt also viele Unternehmen, die funktionieren nicht wegen, sondern trotz ihrer Führungskräfte. Was sich auch daran übrigens zeigt, dass sie, wenn diese Leute gefeuert werden oder von selbst gehen, keineswegs zusammenbrechen. Anders als sich die Führungskräfte natürlich jeweils erhofften, denn sie sind ja meist von dem Glauben beseelt, dass der Laden ohne sie nicht läuft.

Nur einmal habe ich einen Abteilungsleiter, der gleichzeitig zu höheren Weihen berufen wurde und vorübergehend die doppelte Chef-Rolle innehatte, sagen hören: „Jetzt, wo ich meine frühere Abteilung quasi alleine laufen lasse, frage ich mich, wozu die mich überhaupt gebraucht haben – die läuft ganz prima ohne mich.“

Der hat aber einfach etwas richtig gemacht: seinen Leuten beigebracht, alleine zu laufen. Ohne sich das selbst klar zu machen, interessanterweise. Aber das war ein Mann, der Zeit für sein Segelhobby brauchte – der musste einfach delegieren, um das noch tun zu können. Man sollte drüber nachdenken, ob solche Leute eher zu Chefs taugen…die gar keine Zeit haben, ihre Leute zu kujonieren, deren Kreativität in Schach zu halten, viel Zeit aufs Demotivieren zu verwenden undundund.

 

Wissensmanagement doch nicht ohne Spuren?

Könnte das bedeuten, das im Zeitalter von Wissensmanagement die Mitarbeiter auch so in der Spur laufen? Und vielleicht sogar besser, weil selbstbestimmter – siehe die vielen Umfragen zur Arbeitszufriedenheit, die steigt, je selbstbestimmter jemand arbeiten darf.

Anyway: Dies Umfrage hier wurde von gleich dreien erhoben, die es genau wissen wollten: Der Managementberatung Information Factory,  dem Onlineportal stellenanzeigen.de und dem Fachblatt „Personalwirtschaft“. Sie befragten 2000 Angestellte, Führungskräfte und Personalabteilungsleute und das Ergebnis gibt prima Stoff für einen neuen „Stromberg“ oder besser noch eine französische Komödie ab:

– Jeder dritte Mitarbeiter – 33 Prozent – bekommt von seinem keine Chef klaren Ziele vorgegeben. Fragt sich nur:  Wie soll er sie dann erreichen? Oder wenigstens ansteuern?

– Gerade mal 42 Prozent meinen, dass ihr Chef zu ihnen offen und ehrlich ist – was nicht gerade eine ganz prima Ausgangsbasis für Teamarbeit und Erfüllung von Unternehmenszielen ist.

– Und es kommt noch besser: 46 Prozent der Befragten sagen, dass sie nie Feedback von ihren Vorgesetzten bekommen. Sie arbeiten irgendwie in einem Vakuum.

 

Führungskräfte ohne Fähigkeit zur Selbstreflektion

Das Lustige wie Tragische daran: Die Führungskräfte selbst haben ein völlig anderes, konträres Bild von sich: Sie meinen durchaus, sie gäben klare Ziele vor und würden regelmäßig Feedback geben.

Und so richtig drollig wird es bei dem – unerlässlichen – Kriterium: kann ein Chef seine Leute mitnehmen, sie begeistern für die Aufgaben?

– 75 Prozent der Vorgesetzten glauben, sie transportierten Begeisterung

– das sehen aber nur 36 Prozent der Mitarbeiter so.

 

By the way: Das kann ich unterschreiben – nach den Antworten in den Fragebögen „Nahaufnahme“ hier im Management-Blog: Die allermeisten Protagonisten geben spontan im ersten Anlauf auf die Frage, wie ihre Mitarbeiter sie sehen, die stupide Antwort: Hoffentlich so, wie ich mich sehe. Erst nach meinem Nachbohren kommt dann meist im zweiten Anlauf eine zaghafte, intelligentere Antwort.

Und weiter im Text…

Wirkungsvolle Zusammenarbeit mit dem Chef? Pustekuchen

Die Auswirkungen sind verheerend: Nur 43 Prozent der Mitarbeiter halten die Zusammenarbeit mit der nächsthöheren Hierarchieebene für wirkungsvoll. Und wofür sich die Top-Entscheider als Letztverantwortliche schämen sollten: Nur 45 Prozent der Mitarbeiter empfinden Freude bei der Arbeit – und das bei den regelrecht arbeitswütigen Deutschen.

 

Chef werden? Nein danke

Den Tiefstpunkt markiert denn auch diese Erkenntnis: Nur noch 35 Prozent der Mitarbeiter würden selbst gerne den Chef geben und dieselbe Zahl von Angestellten denkt, dass sie selbst es besser könnten als ihr unmittelbarer Vorgesetzter. 

 

Gäbe es gute Chefs, wären die Unternehmen weiter

Das diese Horrorergebnisse nicht sein müssen, scheint allen Beteiligten klar zu sein: Denn es glauben 90 Prozent aller Befragten durchaus, dass theoretisch „gute Führungskräfte die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens deutlich verbessern und die Arbeitgeberattraktivität steigern können.“

Die Konsequenz: „Somit ist die Führungsrolle weiterhin alles andere als obsolet.“ Im Klartext soll das wohl heißen, gäbe es nur gute Chefs, wären die Unternehmen weiter.

 

Schuld ist die schlechte Ausbildung der Chefs

Die Kritik der Studienverantwortlichen: „Das vermag aber die derzeitige Führungskräfteentwicklung in vielen deutschen Unternehmen wohl nicht zu leisten: So üben mehr als zwei Drittel aller Befragten, 69 Prozent, Kritik daran, wie Führungskräfte auf ihre Rolle vorbereitet werden, nahezu genauso viele, 67 Prozent,  fordern bessere Unterstützung für Führungskräfte durch die Personalabteilung und rund 40 Prozent bemängeln das aktuelle Angebot an Führungsprogrammen in Unternehmen.“

 

Was sich die Mitarbeiter vom Chef wünschen

…ist denn durchaus im Sinne des Unternehmens: Fähigkeit zu erfolgreicher Kommunikation, Fähigkeiten, die Belange der Mitarbeiter zu verstehen und arbeitsbezogene, fachliche Beziehungen zu Mitarbeitern aufbauen und pflegen zu können.

 

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„Zur Studie: Durchgeführt wurde sie von Information Factory zusammen mit seinen Partnern stellenanzeigen.de und „Personalwirtschaft“ durch, die Befragung fand von März 2015 bis Ende Juni 2015 statt. Das Booklet und Grafiken dazu stehen unter dem folgenden Link zum Download bereit:

www.information-factory.com/Deutschland-fuehrt.“

 

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Alle Kommentare [1]

  1. Hallo Frau Tödtmann,

    aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass „Chef sein“ nicht so einfach ist, insbesondere wenn sich die Rolle vom Kollegen zum Vorgesetzten wandelt. So eine Situation ist immer mit Hürden versehen. Schwierig sind aber auch die Bedürfnisse und Anliegen der Geführten zu ergründen. Viele haben häufig einfach zu große Angst, sich kritisch zu äußern, auch wenn man es explizit einfordert. Im letzten Punkt tun sich die meisten Chefs schwer, denn sie wollen, so glaube ich, ihr Selbstbild nicht ankratzen. Dabei könnten sie so viel von Ihren Mitarbeitern lernen, würden sie sich bloß trauen zu fragen!
    Sie schreiben, dass 75% der Vorgesetzten glauben, dass sie Begeisterung transportieren. Das kommt aber bei den Mitarbeitern ganz anders an. Der Grund kann m. E. an verschiedenen Dingen liegen: Zum einen an der Diskrepanz zwischen der Selbst- und Fremdwahrnehmung, weil man die Fremdwahrnehmung mangels Nachfragen nicht kennt. Meine Mitarbeiterin meldete mir z.B. mal zurück, dass ich zu wenig Lob verteile. Ich war dagegen sehr zufrieden mit Ihrer Arbeit, habe es aber nicht bemerkt, diese Tatsache durch Lob zum Ausdruck zu bringen.
    Zum anderen finden sich überdurschnittlich viele Personen mit egozentrischen und narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen in Führungspositionen wieder. Diese haben am ehesten sich selbst im Fokus und verfügen i.d.R. über ein hohes Machtmotiv. Da verliert man schnell den Blick für die Bedürfnisse der Mitarbeiter. Da ist der Schritt zum unzufriedenen Mitarbeiter, der sich nicht wahrgenommen und gewertschätzt fühlt, nicht weit.

    Viele Grüße,

    Jochen