Arbeitsrecht-Serie mit Anwalt Christoph Abeln: Die Tricks, wie Unternehmen Führungskräfte loswerden (Teil 4) – Versetzt nach Kiel von heute auf morgen

Arbeitsrecht-Serie (4) mit Christoph Abeln: Heute München, morgen Kiel – wenn man über Nacht weit weg versetzt wird

Unternehmen greifen immer öfter zu Tricks, wenn sie sich von Führungskräften trennen möchten. Versetzen besipielsweise Arbeitgeber eine Führungskraft von heute auf morgen an einen weit entfernten Arbeitsort, kann das eine Methode sein, sie loszuwerden. Serie von Arbeitsrechtler Christoph Abeln von der gleichnamigen Arbeitsrechtskanzlei.

Arbeitsrechtler Christoph Abeln

Arbeitsrechtler Christoph Abeln

 

Muss man sich darauf einlassen, von heute auf morgen ohne jede Vorwarnung hunderte Kilometer weit weg versetzt zu werden? Womöglich ohne Begründung? So lief es bei dem Filialleiter einer Versicherung, der mehr als zwanzig Jahre bereits in Berlin gearbeitet hatte – und dort auch mit seiner Familie lebte.

 

Heute Berlin, morgen Köln

Am Rande einer Fortbildung in der Zentrale in Köln eröffnete ihm sein Vorgesetzter, dass sich sein Arbeitsplatz ab sofort in Köln befände. Er könne direkt hier im Rheinland bleiben, gleich morgen ginge es los.

Mit diesem Versetzungstrick setzen Unternehmen – typischerweise altgediente –  Führungskräfte unter Druck, damit sie aufgeben und die Firma von selbst verlassen. Ohne goldenen Handschlag.

 

Sie werden woanders gebraucht

Die Begründungen sind mannigfaltig: Mal heißt es, dass der aktuelle Job wegfalle etwa wegen Restrukturierung. Mal sagt man dem Mitarbeiter:„Ihre Erfahrungen werden an anderer Stelle gebraucht“, und „Helfen Sie uns, in Kiel die neue Filiale aufzubauen, so wie Sie es erfolgreich in Berlin getan haben“. Die härteste Variante: Das Unternehmen gibt einfach gar keine Begründung an und zeigt der Führungskraft die kalte Schulter.

 

Abrakadabra, Ihre Stelle ist weg

Der häufigsten Fall: Man sagt ihr, die aktuelle Stelle sei leiderleider nicht mehr existent und nur noch an diesem weit entfernten, abgelegenen Ort sei überhaupt noch eine Stelle frei.

 

Vertrackte Versetzungsklauseln

Sicher können Unternehmen nicht einfach so den Arbeitsort ihrer Mitarbeiter so im Handstreich und über Nacht ändern. Schon gar nicht über hunderte von Kilometer. Grundsätzlich. Aber weil 99 Prozent  der Führungskräfte in ihrem Vertrag eine sogenannte Versetzungsklausel stehen haben, geht es eben doch. Die lautet dann ungefähr so „…behalten wir uns vor, Sie an einem Ort unserer Wahl zu beschäftigen…“. Oder im Vertrag ist gar nicht erst ein Arbeitsort bestimmt.

 

Erst mal gehorchen – sicherheitshalber

Schon sicherheitshalber sollte man solch in dem Fall erst mal gehorchen. Wer es nicht tut, riskiert, dass man ihm Arbeitsverweigerung unterstellt – und liefert schon damit einen sofortigen Kündigungsgrund. Ohne Abfindung.

Klar ist: Nicht einmal eine konkrete Frist muss das Unternehmen bei solch einer Versetzung einhalten, sagt das Bundesarbeitsgericht. Es muss nur in all diesen Fällen nur „billiges Ermessen“ ausüben – nicht zu verwechseln mit dem viel weiterem, „freien Ermessen“.

 

Erforderlich: Interessensabwägung

Danach muss die Firma die wechselseitigen Interessen abwägen  Damit sind also beide Seiten gemeint, also auch der Arbeitnehmer. Und in dessen Interesse dürfte ein solch fixer Umzug in einen hunderte Kilometern entfernten Ort nie sein.

Die Folge: Arbeitgeber, die ihre Führungskräfte so unter Druck setzen, handeln rechtswidrig. Dagegen wehren kann man sich innerhalb weniger Tage mit einer sogenannten einstweiligen Verfügung, der der Anwalt beim Gericht stellt. Einstweilige Verfügungen helfen demjenigen, der eine schnelle gerichtliche Entscheidung braucht. So schnell, dass er nicht auf ein Urteil warten kann. Dazu muss sein Anwalt einen Antrag bei Gericht stellen, in dem er seinen Anspruch und einen Grund benennt. Meist entscheiden der Richter innerhalb einer Woche und eine normale Gerichtsverhandlung zur endgültigen Klärung erfolgt später. In der Regel Monate später.

 

Einstweilige Verfügung zum Druck-Aufbauen

Leicht ist es nicht, einstweilige Verfügungen zu erkämpfen. Denn: Sie sind außerordentlich schwierig und nur in absoluten Ausnahmefällen durchsetzbar. Aber bereits das bloße Verfahren kann als Möglichkeit dienen, um mit einem wortkargen Arbeitgeber ins Gespräch zu kommen und eine einvernehmliche Lösung zu finden.

 

Geht der Versetzte vors Gericht, prüft der Richter  

Kommt es zu einem Prozess, muss das Unternehmen offen legen, aus welchem Anlass es den Mitarbeiter versetzen will. Außerdem muss es nachweisen können, dass es auch die persönlichen Interessen des Mitarbeiters sorgfältig abgewogen hat: Soziale Bindungen, familiäre Unterhaltsverpflichtungen oder medizinische Notwendigkeiten können zugunsten des Mitarbeiters eine Rolle spielen.

 

Über zwei Stunden Pendeln wird es eng für die Firma

Sobald die Versetzung einen gerade noch hinnehmbaren Pendelradius von vielleicht zwei Stunden täglich überschreitet, wird es für das Unternehmen eng.  Es muss nämlich auch nachweisen, dass es für den Arbeitnehmer am bisherigen Arbeitsort nichts mehr zu tun gibt. Und weil viele räumliche Versetzungen nur der Schikane dienen, wird die Versetzung oft bereits daran scheitern.

 

In diesem Zusammenhang ist interessant: Gibt es einen Betriebsrat, muss der nicht nur angehört werden, sondern der – räumlichen – Versetzung auch zustimmen laut Paragraf 99 Betriebsverfassungsgesetz. Auch der kann also ein Veto einlegen und die Versetzung verhindern.

 

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