Arbeitszeugnisse: Ein lästiges Ärgernis, hochjubelnd – und überflüssig

Eine Untersuchung der Haufe-Gruppe zu Arbeitszeugnissen zeigt, dass alle Beteiligten unzufrieden sind: Die Zeugnis-Schreiber wie die betroffenen Mitarbeiter. Sie sind oft falsch, lassen lange auf sich warten – und unehrlich obendrein.

 

„Ausländer halten das deutsche Gewese um Arbeitszeugnisse immer erst mal für einen Witz“, erzählt Arbeitsrechtler Boris Dzida von Freshfields. International üblich seien nur ganz kurze Zeugnisse, die sich auf die Fakten beschränken. Da wird die Funktion beschrieben und allenfalls ein Satz zu der Person geschrieben, der aber „nie so hochjubelnd, wie es hierzulande selbstverständlich geworden ist“.

 

„Stets zur vollsten Zufriedenheit“

Jeder Mitarbeiter achtet darauf, dass um Himmels willen die Floskel „stets zur vollsten Zufriedenheit“ in seinem Zeugnis auftaucht. Alles andere wird als inakzeptabel und kaum vorzeigbar empfunden.

Boris Dzida, Arbeitsrechtler und Partner bei Freshfields

Boris Dzida, Arbeitsrechtler und Partner bei Freshfields

Die Folgen berichtet Arbeitsrechtler Dzida: Kaum ein Personaler nehme diese Formel-Bewertungen noch ernst. Wichtig sind die Zeugnisse aber laut Dzida dennoch: „Wer sie nicht vorweisen kann, dem schadet´s – wer sie hat, dem nützen sie dennoch weinig.“

 

Personalabteilungen kommen ins Japsen

Das ewige Ärgernis beim Thema Zeugnis so Dzida: Den Mitarbeitern auf dem Sprung dauert es zu lange, bis ihr Zeugnis fertig ist. „Kaum sollen Personalabteilungen das Papier schneller als in einem Monat fertig machen, kommen sie ins Japsen.“

Die Freiburger Haufe-Gruppe wollte es genau wissen und hat Personaler sowie Führungskräfte in über 400 Unternehmen mit 250 Mitarbeitern und weiteren gut 200 Zeugnisempfängern befragt. Das Fazit: Das Arbeitspapier bereitet eigentlich keinem Beteiligtem Freude. 86 Prozent der Führungskräfte und 81 Prozent der Personaler sind mit der Zeugniserstellung unzufrieden.

 

Als Dauer-Ärgernis entpuppen sich das wochenlange Warten, falsche Job-Beschreibungen oder gar unzulässige Formulierungen, Führungskräfte dagegen fühlen sich sogar mit den Formulierungen und Abstimmungen überfordert.

 

Was die Personaler und Vorgesetzten nervt…. 

  • Pro Zeugnis wendet die Hälfte der befragten Mitglieder von Personalabteilungen  mehr als eine Stunde auf,  rund ein Viertel sogar mehr als drei Stunden. Die Vorgesetzten benötigen – obendrauf – nochmal so viel Zeit.

 

  • Der Abstimmungsprozess zwischen Personalabteilung und Führungskräften läuft überwiegend über die klassischen  Kanäle wie Hauspost, Mail oder Telefon und ist daher aufwändig, zeitraubend und fehleranfällig. Vorgesetzte  (31 Prozent) wie Personaler (44 Prozent) werfen sich gegenseitig vor, die Zeugnisse zu lange auf dem Tisch liegen zu lassen.

 

  • Nur 18 Prozent der befragten Personaler fühlen sich sicher, was die rechtliche Korrektheit der Zeugnistexte und der Bewertungen angeht. Dramatischer klingt diese Zahl: 82 Prozent sind unsicher beim Zeugnis-Formulieren.

 

  • Mehr als ein Drittel der Personaler hat keinen Überblick über den aktuellen Stand der Zeugnisse im Unternehmen.

 

  • Immerhin 60 Prozent der befragten Personaler und 47 Prozent der Führungskräfte wünschen sich allgemein mehr Hilfestellung beim Zeugniserstellen. 15 Prozent nutzen spezielle Zeugnismanagement-Programme.

 

Was die Mitarbeiter nervt….

– Über die Hälfte der Mitarbeiter müssen einen Monat und länger auf ihr Zeugnis warten.

– Bei mehr als jedem zweiten Angestellten (53 Prozent) ist das Zeugnis unvollständig. In 46 Prozent der Fälle ist die Tätigkeitsbeschreibung sogar falsch: Meist fehlen Aufgaben und Tätigkeitsbereiche (46 Prozent).

– Ebenso viele Mitarbeiter (46 Prozent) wurden gar nicht gefragt, als das Unternehmen die Tätigkeitsbeschreibung vornahm.

– Jeder zweite muss sich über die Wartezeit beschweren (52 Prozent).

 

Was sind die Gründe für derlei Pannen? 40 Prozent der Vorgesetzten haben zu viele andere Tätigkeiten abzuarbeiten, in mehr als jedem fünftem Fall (22 Prozent) gibt es Unstimmigkeiten zwischen den Abteilungen.

 

Überforderte Führungskräfte

Das Resümme des Studienverantwortlichen bei Haufe, Bernhard Muenster: „Die Verantwortung für die richtige und vollständige Tätigkeitsbeschreibung und Leistungsbewertung der Mitarbeiter liegt überwiegend bei den Führungskräften, diese fühlen sich dadurch jedoch überfordert.“, Fatal genug, doch hinzu kommt: „Gleichzeitig funktioniert die Abstimmung zwischen Linie, Personalabteilung und Mitarbeitern nicht so, wie sie sollte.“

Bernhard Muenster von Haufe

Bernhard Muenster, Haufe-Gruppe

Somit ist in den Unternehmen das Erstellen der Zeugnisse eine äußerst ungeliebte Aufgabe. Ganz zu schweigen von den gerichtlichen Auseinandersetzungen mit unzufriedenen Arbeitnehmern.

 

Selbst-Verfasste Zeugnisse

Unproblematisch ist es dagegen bei Führungskräften. Deren Zeugnisse nimmt kaum jemand mehr ernst, weil man nicht weiß, ob sie selbst verfasst sind. Üblich ist diese Vorgehensweise: Hatte der Kandidat mit seinem Ex-Unternehmen einen Aufhebungsvertrag geschlossen, so steht es in jedem zweiten, dass er sich das Zeugnis selbst  schreiben darf.

 

Ausweg: Referenzen einholen

Ob aber Anrufe beim Ex-Arbeitgeber zulässig sind, bei denen sich der neue Arbeitgeber Referenzen geben lassen könnte, das ist immer noch unklar. Sie kommen durchaus vor. Gaben früher die Gerichte ihr o.k. dazu, so führen sie jedoch heute den Datenschutz dagegen zu Felde. Doch klar ist auch: Wie soll ein Kandidat jemals solch einen heimlichen Telefonanruf heraus bekommen und wie soll er ihn beweisen?

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [2]

  1. Kommentierte Arbeitszeugnisse gibt auch nur im deutschsprachigen Raum – eine deutsche Spezialität wie das Tragen des Doktor-Titels. In Frankreich ist es sogar gesetzlich verboten: Im Dokument stehen lediglich Eintrittsdatum, die Funktion und das Austrittsdatum.
    Das Problem des Arbeitszeugnisses liegt aber tiefer. Hierzulande ähneln die Rekrutierungsprozesse zu oft noch der Auswahl einer Hausangestellten in früheren Zeiten; sie musste lückenlose, lobende Referenzen vorlegen, sonst konnte sie sich nur noch als Magd anbieten.

  2. Ein hilfreiches Mittel zur Verbesserung des Zeugnisprozesse stellen regelmäßige Personalbewertungen dar, in denen sowohl die persönliche Leistung als auch Aufgaben abgeglichen werden können. Dies verhindert ungewollte Überraschungen am Ende des Dienstverhältnisses und verkürzt durch bereits vorliegen Aufgaben- und Leistungsprofile den Zeugniserstellungsprozess. Doch an diesen Prozessen scheitern bereits viele Unternehmen. Zudem obliegt es dem Ersteller, sich mit der Zeugnissprache auseinanderzusetzen. Nach unserer Studie zur den Zeugnismängeln vgl: https://www.arbeitszeugnis.de/studien.php fanden wir heraus, dass sowohl kleinere Unternehmen als auch Großkonzerne mit den Maßgaben der wahrheitsgemäßen und wohlwollenden Erstellung von Zeugnissen nur bedingt vertraut sind. Dabei wiesen viele Zeugnisse vermeidbare Fehler und Lücken in der Leistungsbewertung auf, die durch notwendige Nachkorrekturen den Prozess der Zeugniserstellung unnötig verlängerten und zudem Arbeitnehmer in vielen Fällen so verärgerten, dass es eben zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kam.