Vorstellungsgespräche als Laientheater – das Unternehmen kräftig schadet – Buchauszug

Buchauszug aus: „Das beste Anderssein ist Bessersein – Die Geheimnisse echter Service-Excellence“ von Service-Expertin Sabine Hübner und Carsten K. Rath, CEO der Kameha Hotels.

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Sabine Hübner und Carsten K. Rath

Autoren-Team Sabine Hübner, Carsten K. Rath

 

 

Buchauszug exklusiv im Management-Blog:

 

Talentauswahl: Perlen finden statt Klone casten

Das beste Anderssein ist das Bessersein, sagen wir. Und wir sagen: Service-Excellence ist nur mit den richtigen Talenten möglich. Dann müssen wir wohl auch verraten: Wo sind sie denn, die Kandidaten, die anders sind als Otto-Normaltalent? Die besser sind? Die endlich Schluss machen mit dem miserablen Service, der uns allen jeden Tag die gute Laune verdirbt? Wo sind sie, die richtig Richtigen?

Nun: Wir könnten jetzt einstimmen in das große Gejammer namens „Fachkräftemangel“ und Ihnen versichern, dass Sie nur deshalb noch keinen exzellenten Service bieten, weil es sie in unserer mindestens vom Aussterben bedrohten Bevölkerung gar nicht gibt, die exzellenten Fachkräfte. Dass Sie gar nichts dafür können, wenn Ihr Unternehmen noch meilenweit weg ist von Service-Excellence. Dass die Lage also aussichtslos ist. Das tun wir aber nicht.

 

Sag mir, wo die Fachkräfte sind

Denn zum Glück wissen wir genau wie Sie, dass das Unsinn ist. Fachkräftemangel gibt es zwar tatsächlich. Aber nur in wenigen Branchen und Regionen, ansonsten handelt es sich um Medienrummel und um ein wunderbares PR-Argument für alle, die ihre Brötchen mit Personalfragen und Demografieprognosen verdienen – und das sind viele.

Fakt ist: Exzellente Fachkräfte sind da. Sie schauen nur manchmal ein wenig anders aus als die Klischeevorstellung der Personaler. Wir hatten zum Beispiel einmal einen Bewerber aus China, der kaum ein Wort Deutsch sprach. Alles, was er konnte, hatte er sich selbständig mit Online-Programmen beigebracht. Doch er war wild entschlossen, in Deutschland eine Ausbildung und dann Karriere in der Hotelbranche zu machen. Er überzeugte uns. Und nach der Ausbildung zeigte sich: Er war nicht nur in Sachen Service sehr viel besser als seine einheimischen Kolleginnen und Kollegen, sondern übertrumpfte sie außerdem im Fach Rechtschreibung – und schloss seine Prüfungen als bester Absolvent des gesamten Bundeslandes ab.

 

Alles trainierbar, aber nicht die Haltung

Zugegeben: Hier waren wir ein Risiko eingegangen – und es hat sich gelohnt. Wir haben gewagt und gewonnen. Und einmal mehr gesehen: Leidenschaft und Passion sind ein enorm starker Motor. Alles lässt sich trainieren, aber nicht diese Haltung. Der junge Kandidat hat übrigens wirklich Karriere in der Hotelbranche gemacht.

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Redline Verlag 2014,  24,99 Euro

 

Um es einmal zuzuspitzen: Die Zahl der rasend gut aussehenden, blutjungen, top ausgebildeten Bewerber aus gutem Hause mit reichlich Auslandserfahrung, vier verhandlungssicheren Sprachen und Doppelstudium ist begrenzt. Und: Außergewöhnliche Bewerber lassen sich nicht mit gewöhnlichen Recruitingmethoden finden. Denn gewöhnliche Methoden spülen gewöhnlich „geföhnte Bubies und Barbie-Puppen im Business-Look“ ins Unternehmen.

 

Durchschnitt statt Excellence

Nun gibt es Unternehmer, die denken sich: „Ok, dann wähle ich Kandidaten möglichst quer gedacht aus, vielleicht bei einer Wanderung in den Alpen, auf einer Lego-Baustelle oder in einem Internet-Ballerspiel!“ Alle diese Fälle gibt es tatsächlich! Nur fürchten wir, dass die Unternehmen auch damit nicht wirklich weiter kommen. Denn quer gedacht ist noch lange nicht richtig gedacht. Kreativ gedacht ist nicht zwingend relevant gedacht. Und anders denken heißt noch lange nicht, den Nagel auf den Kopf treffen. Anders ist nicht gleich relevant. Denn was sagt ein Gipfelsturm, eine Legomonumentalbauplanung oder der Sieg über den endboss über Excellence im Job aus? Nichts. Gar nichts.

Besser erscheinen uns da die Strategien, die anders mit relevant verbinden: So sucht das Softwareunternehmen SAP aktuell gezielt nach begabten Autisten für spezielle Programmierarbeiten. Und das Projekt discovering hands® (www.discovering-hands.de) setzt den überlegenen Tastsinn blinder und sehbehinderter Frauen im Rahmen der Brustkrebsfrüherkennung ein.

 

Versäumnis: Nicht mal Kriterien werden festgelegt

Das Problem: In den meisten Unternehmen wurden weder relevante Kriterien noch strategische Konzepte rund um das Thema Talentauswahl festgelegt. Vor lauter Ratlosigkeit werden dann Bewerber eingestellt, die gute Noten mitbringen. Nach dem Motto: Ein gutes Testsiegel ist ein guter Anfang. Aber heißt eine volle Punktzahl in Altgriechisch, dass der Kandidat Sinn für Service-Excellence mitbringt? Natürlich nicht.

 

Typischer Fehler: Klone auswählen statt Ergänzungen 

Oft werden auch Bewerber eingestellt, die so sind wie alle anderen Mitarbeiter. Insbesondere so, wie der auswählende Interviewer. Oder wie der Chef. Stellen Sie sich das mal auf dem Fußballfeld vor: Elf Stürmer, oder noch schlimmer, elf Torwarte. Der Moment des Wieder-Erkennens eines alten Musters löst ein angenehmes Gefühl im Personalerbauch aus – vielen reicht das schon als Indiz. So kommt es, dass in einer Firma lauter erbsenzählende Biedermänner unterwegs sind und in der nächsten Firma lauter innovative Chaoten – und sich die ersten über ihre geringe Innovationskraft beklagen, während sich die zweiten wundern, warum sie die Finanzen nicht in den Griff bekommen.

 

…worauf der Personalchef anspringt

Das ist auch der Grund dafür, dass in vielen Unternehmen alle Mitarbeiter aus der gleichen sozialen Schicht stammen. Sie bekommen auch mit schlechteren Qualifikationen die Jobs, „nur weil sie den richtigen Anzug getragen und gewusst haben, auf welche Art von Small Talk der Personalchef anspringt“.

Fakt ist: Mit dem Prinzip „Musterschüler“ und mit der Methode „Gleich und gleich gesellt sich gern“ – manche sprechen auch von „ähnlichem Stallgeruch“ – finden Personaler gerade nicht solche Kandidaten, mit denen sich Service-Excellence leben lässt. Nur mehr vom Gleichen.

 

Warum die Personalabteilung so oft daneben greift

Um es gleich vorweg zu nehmen: Der falsche Kandidat am falschen Platz kann richtig teuer werden. Laut der Umfrage „Recruiting Trends 2014“ der Münchner Personalberatung Pape, an der 2.800 Personalchefs und Geschäftsführer teilgenommen haben, kosten personelle Fehlentscheidungen zwischen 30.000 und 100.000 Euro. Gut ein Drittel der Befragten gab zu, in den vergangenen sechs Monaten mindestens einen falschen Mann oder eine falsche Frau eingestellt zu haben. Warum? Fast ein Viertel gab an, es habe keine bessere Bewerbung vorgelegen, jedem fünften war der Zeitdruck zu groß.

 

Wenn schlecht ausgesuchte Empfangsdamen großen Schaden verursachen

Im Vertrieb und im Management, so heißt es in der Studie, richten Fehlbesetzungen den größten Schaden an. Klingt logisch. Aber wir glauben das nicht. Wir glauben, dass jeder schlecht ausgesuchte doorman vor einem Hotel und jede schlecht gecastete Empfangsdame in welchem Unternehmen auch immer großen Schaden anrichten können. Das kann ein IT-Unternehmen genauso treffen wie den praktischen Arzt um die Ecke.

 

Stellen Sie sich vor, die Arzthelferin telefoniert gerade, als sie die Praxis betreten. „Wissen Sie überhaupt, wer ich bin?“, pflaumt sie ins Telefon. „Jetzt probieren Sie doch das Medikament erst einmal aus, bevor wir neues Zeug bestellen!“ Dann knallt sie den Hörer auf die Gabel und zischt in Richtung Kollegin: „So ein Idiot.“ Um sich dann mit einem verkniffenen Lächeln Ihnen zuzuwenden. „Ja, bitte!?“ Was schießt Ihnen sofort durch den Kopf? „Ach Du liebe Zeit, da suche mir lieber einen neuen Arzt…“

 

Nur ein falsches Wort…

„Vertrauen kommt zu Fuß und geht zu Pferde“, sagt ein niederländisches Sprichwort. Das heißt: Sie können Ihren Kundenstamm über Jahre mit großer Hingabe aufbauen – und sie können ihn an einem Tag verlieren, wenn Ihre Damen und Herren am Empfang Mist verzapfen.

Nachhaltiges Wachstum und eine stabile Kundenloyalität sind abhängig von jedem einzelnen Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen – ganz gleich, auf welcher Hierarchieebene er angesiedelt ist. Seit der Vernetzung aller mit allen spricht sich nämlich der Fauxpas Ihrer kleinsten Aushilfskraft genauso schnell herum wie ein Ausrutscher in Ihrer Führungsetage. Deshalb gilt:

 

Talentauswahl ist kein Gedöns, das man wegdelegieren kann

Das Thema Talentauswahl ist existenziell und erfolgsentscheidend für Ihr Unternehmen. Es handelt sich keinesfalls um lästiges „Gedöns“, das, bitteschön, an die Personalabteilung delegiert werden kann. Genauso wie ein einziger Mitarbeiter Ihren guten Ruf ruinieren kann, hat vielleicht auch ein einziges Nachwuchstalent exakt die Idee, die Ihr Unternehmen in der kommenden Dekade über sich selbst hinauswachsen lässt. Als Unternehmer tun Sie also gut daran, sich über das Thema Personal erheblich viele Gedanken zu machen – und neu eingestellte Führungskräfte in den ersten 100 Tagen sehr genau zu beobachten.

Einer meiner Mentoren hat mir einmal gesagt: „Lieber Carsten, wenn Deine Gäste und Deine Mitarbeiter zufrieden sind, aber Du keine Profite machst, dann helfe ich Dir. Wenn Deine Mitarbeiter zufrieden, Deine Profite gut, Deine Gäste aber unzufrieden sind, dann helfe ich Dir auch. Wenn Deine Gäste zufrieden, Deine Profite gut aber Deine Mitarbeiter unzufrieden sind, dann werfe ich Dich hinaus!“ Zugegeben: Das hat mich damals vor den Kopf gestoßen. Heute weiß ich: Der Mann verstand etwas von Haltung, von Führung und von nachhaltigem Wachstum. Wie man die richtigen Mitarbeiter findet, verriet er mir damals leider nicht.

 

Wenn das Vorstellungsgespräch zum Laientheater wird – und Ungeeignete gewinnen

Bei der Talentauswahl setzen die meisten Unternehmen auf das klassische Vorstellungsgespräch. Sie kennen das Spiel: Diese Gespräche laufen immer nach dem gleichen Muster ab. Die Interviewer auf der einen Seite des Tischs haben ihre Fragenkataloge auswendig gelernt – und die Bewerber auf der anderen Seite des Tischs haben die passenden Antworten ebenfalls auswendig parat. Was ist das eigentlich? Laientheater?

 

An der Sache vorbei – und gedankenlos jeden Tag überall exerziert

Eine Forschergruppe der Universitäten Zürich und Saarland konnte tatsächlich zeigen, dass sich das Bewerbungstheater über die Jahrzehnte verselbständigt hat. Personaler und Bewerber sind sich offenbar einig darüber, wie man sich in Vorstellungsgesprächen zu verhalten hat. Wie das Theaterstück also funktioniert. Die Folge: Nicht die Bewerber bekommen den Job, die am meisten für den Job geeignet sind. Sondern diejenigen, die die Erwartungen der Recruiter in der Situation Vorstellungsgespräch am besten erfüllen. Die besten Schauspieler also. Die mit der besten „Kompetenzdarstellungskompetenz“.

Wir sind überzeugt davon, dass dieser Unsinn jedes Jahr eine Menge Geld kostet, und jedes Jahr herzlich wenig zu Service-Excellence beiträgt. Das möchten wir ändern! Sie auch?

 

Wie Sie die richtigen Talente finden

Weder das Kriterium „gute Noten“, noch das Kriterium „ähnlicher Stallgeruch“ und erst Recht nicht das Prinzip „kompetenter Eindruck im Vorstellungsgespräch“ helfen Ihnen also dabei, die richtigen Kandidaten zu finden. Wie finden Sie trotzdem welche? Dazu drei viel versprechende Beispiele:

 

Globetrotter: Hauptsache, weit gereist

Der Schweizer Reiseveranstalter Globetrotter beschäftigt fast ausschließlich Quereinsteiger. Weil ausgebildete Reisekaufleute zwar wunderbar bunte Kataloge aus den Regalen ziehen können aber tendenziell nicht das mitbringen, was der ehemalige CEO André Lüthi suchte: Passion fürs Reisen. Auch: Passion für Sport.

 

Ungewöhnliches Auswahlkriterium: Das Hobby

Also dachte er sich ganz andere Kriterien aus, um die richtigen Talente zu finden: Jeder „Globi“ muss mindestens drei Kontinente für zwei Monate bereist haben. Und jedes Jahr aufs Neue zwölf Wochen verreisen. „Wir möchten unserem Kunden zeigen, dass wir ihn verstehen“, erklärt Dany Gehrig, der die CEO-Position von Lüthi übernommen hat. So hat das Unternehmen eine interne Datenbank aufgebaut, in der Kunden ihren Berater nach Profil aussuchen können. Zum Beispiel: „Kennt Nepal, hat Biken als Hobby.“ Gehrig: „Auf diese Art und Weise können die Erfahrungen unternehmensweit genutzt und weitergegeben werden und wir weiten unser Geschäftsmodell ständig aus.“

 
Heineken: Achtung, Feuerprobe!

Eine intelligente Mischung aus Social-Media-Markenwerbung und Talentscouting ist der Biermarke Heineken eingefallen: Es ging „nur“ um eine Praktikantenstelle – dafür allerdings hatte Heineken 1.734 Bewerbungen bekommen. In den Vorstellungsgesprächen provozierte das Unternehmen die jungen Kandidaten mit mehreren Aktionen bis in die Knochen: So ließ der Personaler die Hand des Kandidaten nach dem shake-hands nicht mehr los und fragte: „Wie fühlen Sie sich jetzt?“ Er simulierte einen Schwächeanfall und fragte noch am Boden liegend nach Gehaltsvorstellungen. Dann schrillte der Feueralarm und eine Assistentin scheuchte Personaler und Kandidat aus dem Gebäude. Im Hof war die Feuerwehr schon dabei, ein Sprungtuch zu spannen. Nur – oh Wunder – es fehlte genau ein Mann. Würde der Bewerber als Hilfs-Feuerwehr einspringen?

Der Clou: Heineken filmte alle Gespräche, ließ die besten Episoden zu einem Trailer schneiden und stellte den Gewinner-Praktikant beim Champions-League-Spiel Juventus gegen Chelsea offiziell vor. Großes Kino. Im Stadion. Mit Gänsehaut und Tamtam. Eigentlich übertrieben für einen einfachen Praktikantenjob, finden Sie? Ja, stimmt. Aber darum ging es ja nicht nur. Das Ganze war ein Employer-Branding-Coup mit Reality-TV-Ästhetik. Ein ziemlich Guter, finden wir.

 

Zappos: Mit Glück und ohne Geld

Der U.S.-amerikanische Online-Versender Zappos hat ebenfalls mit ungewöhnlichen Recruiting-Methoden von sich reden gemacht: Erstens fragt er statt nach Stärken oder Schwächen lieber „Wie glücklich sind Sie auf einer Skala von eins bis zehn?“ Hintergrund dieser Frage ist eine Studie, derzufolge glückliche Menschen besser Lösungen für Probleme finden als solche, die sich selbst als Unglücksraben empfinden. Zweitens bietet Zappos allen frisch angeheuerten Mitarbeitern an, das Unternehmen nach einer Woche wieder zu verlassen und dabei 2.000 Dollar mitzunehmen. Die Folge: Alle, die dieses Angebot ablehnen, kommen am Montag der folgenden Woche mit dem festen Entschluss zur Arbeit, bei Zappos wirklich langfristig arbeiten zu wollen.

 

Größtmögliche Freiheit für loyale Mitarbeiter

Warum lassen diese Unternehmen ihre Kandidaten um die Welt fahren, Feuerwehr spielen und hohe Geldbeträge ablehnen? Weil sie genau so herausfinden, wie die Bewerber wirklich ticken. Kompetenzen lassen sich ja trainieren, und das gilt auch für die Kompetenz, ein Vorstellungsgespräch mit Bravour abzuspulen. Weltoffenheit und Neugier (Globetrotter), Flexibilität und Hilfsbereitschaft (Heineken) oder Glücksempfinden und Commitment (Zappos) lassen sich aber nicht trainieren. Insbesondere Zappos zeigt: Mitarbeiter lassen sich zur Loyalität nicht verdonnern. Sie brauchen größtmögliche Freiheit, um sich freiwillig dazu zu entscheiden

Deshalb sagt der Ex-Industriemanager und Autor Peter Schutz, der in den 1980er Jahren den Wachstumskurs bei Porsche gesteuert hatte: „Hire character. Train skill.”

Als Manager in der Hotelbranche habe ich mir diese Einsicht zu meinem persönlichen Gesetz gemacht. So fragte ich zum Beispiel einen Kandidaten, der Koch werden wollte: „Wie oft wäscht sich Ihrer Einschätzung nach ein Koch täglich die Hände?“ Typische Antwort: „Ja, Herr Rath, wahrscheinlich zwei Mal: Morgens beim Duschen und abends noch einmal.“ Falsch! Ein Koch wäscht sich permanent die Hände, damit nicht das Obst nach Fisch und der Fisch nach Schokolade und die Schokolade nach Schnitzel schmeckt.

 

Details zeigen die Liebe zum Job

Das Reinigungspersonal fragte ich: „Wie verlassen Sie eigentlich ein Zimmer, wenn Sie es fertig gereinigt haben?“ Typische Antwort: „Ich gehe schnell raus und schließe ab.“ Falsch! Ein wirklich gutes Zimmermädchen verlässt einen Raum rückwärts, um einen letzten Blick auf alle Details zu werfen.

 

Der Charakter ist am wichtigsten, nicht das Talent

Blick zurück: Noch zu Beginn des 19. Jahrhundert bestimmte die Familie die Berufswahl. Der Sohn des Bauern wurde Bauer. Der Bäckerssohn Bäcker. Der Gutsherrensohn automatisch Gutsherr. Ausbrechen war schwierig. Nach der bürgerlichen Revolution von 1848, dem Niedergang des Feudalsystems, der Ausweitung der Volksbildung und nicht zuletzt mit der Möglichkeit, in der Neuen Welt Amerika sein Glück zu suchen, brachen die Strukturen auf: Plötzlich wurde es möglich, bei der Berufswahl nach Wünschen und Begabungen zu fragen. Jeder konnte alles werden – theoretisch zumindest.

Bis heute werden Begriffe wie Talent oder Begabung hoch gehandelt. Was tun wir nicht alles, um verborgene Talente in unseren Mitarbeitern, in unseren Kindern und auch in uns selbst wach zu kitzeln. Nach dem Motto: „Irgendwo muss sie doch stecken, die Begabung – nein, die Hochbegabung!“ „Wenn wir sie erst gefunden haben, dann starten wir voll durch!“ Vom Tellerwäscher zum Millionär. Sie kennen diese Phantasien genauso gut wie wir. Und wir wissen alle, dass sie trügerisch sind. Und eigentlich auch überflüssig. Denn es ist ohnehin völlig umstritten, was Begabungen oder Talente eigentlich sind, woher sie kommen und was sie bringen.

Charakter ist unserer Einschätzung nach viel wichtiger als Talent. Denn Talent allein ist zwar eine schöne Voraussetzung, aber noch lange keine Garantie für herausragende Leistungen wie für Service-Excellence.

Dass nur mit mindestens 10.000 Stunden Übung aus einem Talent eine Meisterschaft wird, ist spätestens seit dem Buch „Überflieger“ des amerikanischen Publizisten Malcolm Gladwell bekannt. Doch nur das willensstarke Abarbeiten von Übungsstunden allein macht auch noch keinen Überflieger. Es braucht – einmal mehr – das Herz. Oder wie es der Romantiker und Philosoph Friedrich Freiherr von Hardenberg, besser bekannt als Novalis auf den Punkt brachte: „Was einen Mühe kostet, das hat man lieb.“

 

Die Haltung hervor kitzeln

Versuchen Sie also bei Ihrer Talentauswahl weder allein auf Noten, noch allein auf den „Stallgeruch“ und auch nicht allein auf die Performance Ihres Kandidaten im Gespräch zu achten. Sondern tun Sie alles, um mehr über seine Haltung zu erfahren. Provozieren Sie ruhig mit polarisierenden Parolen. Sprechen Sie über moralische Zwickmühlen. Lassen Sie sich erzählen, wie Ihr Kandidat an Herausforderungen herangeht, um mehr über folgende Punkte zu erfahren:

  • ·         Hingabe an eine Aufgabe
  • ·         Fleiß und Wille zur Perfektion
  • ·         Empathie für die Bedürfnisse und Wünsche der Kunden
  • ·         Antizipation möglicher Situationen im Kundenkontakt
  • ·         Pro-Aktivität, also die Fähigkeit und Bereitschaft, selbst aktiv zu werden
  • ·         Konfliktfähigkeit, um schwierige Situationen elegant zu lösen
  • ·         Ideenreichtum, um auch ungewöhnliche Wünsche zu erfüllen
  • ·         Herzlichkeit und Menschenfreundlichkeit, um der perfekten  Professionalität Wärme zu verleihen. Also:
  • ·         Agape, eine tief empfundene Menschenfreundlichkeit – ohne Wenn und Aber.

 

Probieren Sie es ruhig einmal aus: Lassen Sie die Standardfragen nach Stärke und Schwächen weg. Niemand wird sie vermissen. Versuchen Sie, Ihr Gegenüber so gut kennenzulernen wie möglich. Mit all seinen Facetten, Widersprüchlichkeiten und Ungewöhnlichkeiten.

 

Normal sind nur die Menschen, die wir nicht richtig kennen

Wie Talentauswahl auf Service wirkt

Nur mit exzellenten Mitarbeitern erreichen Sie Service-Excellence. Das ist klar. Die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Faktoren im Unternehmen sind aber noch komplexer – deshalb hier wieder ein Überblick.

 

Die Haltung macht den Unterschied: Weinverkäufer im Autohaus

Um am Telefon eines Online-Versenders brillanten Service zu leisten, brauchen Mitarbeiter keinen IQ von 165. Aber hohe Werte in Sachen Integrität und Commitment zum Unternehmen und seiner Philosophie (1). Diese Haltung ist die Voraussetzung dafür, dass Mitarbeiter sich eigenverantwortlich in großen Entscheidungsspielräumen (7) bewegen und Services selbst weiterentwickeln (9) können – eine der wichtigsten Grundlagen für Service-Excellence. Achten Sie bei der Talentauswahl also nicht nur auf das Talent, sondern vor allem auf die Haltung.

Einer unserer Kunden aus der Automobilbranche hat übrigens großen Erfolg damit erzielt, professionelle Weinverkäufer als Serviceberater einzustellen. Hier fand er Menschen mit Geschmack, die gerne mit Kunden sprechen!

 

Wissensdurst lässt sich nicht löschen

Es gibt den Mitarbeiter, der seine Leistung nach dem Ende der Probezeit sofort zurückfährt. Das ist die Kategorie „Sesselpupser“. Dann gibt es aber auch den Mitarbeiter, der permanent auf der Matte steht, weil er immer noch mehr wissen will. Glückwunsch! Sie haben das richtige Talent ausgewählt (3) und haben allen Grund, seine Entwicklung zu unterstützen (4).

 

Talentauswahl gehört zur Strategie

Die Auswahl von Talenten ist so wichtig, dass sie nicht in der Personalabteilung endgelagert werden kann. Sie bleibt Chefsache. Sie ist eine strategische Frage. Es ist für die Unternehmensentwicklung zentral, sie zum Teil der Strategie zu machen. Und es ist für die Unternehmenskultur zentral, wenn das Top-Management eine wertschätzende Interaktion pflegt, um insbesondere frisch eingestellte Führungskräfte zu unterstützen. Stimmt die Passung nicht – höchste Alarmstufe ist angesagt, wenn Mitarbeiter auf die Barrikaden gehen – hilft nur eins: Trennen. Schnell trennen.

 

Kopf schlägt Kapital

Das Wachstum eines Unternehmens ist sehr eng mit dem Erfolg einzelner Personen verbunden – vor allem mit solchen, die an der Spitze stehen. Beobachten Sie nur die Aktienkurse bei Änderungen im Top-Management, und schon wissen Sie, was wir meinen. Seit Social Media neben den Gesichtern aus der Chef-Etage prinzipiell alle Gesichter des Unternehmens sichtbar macht, gilt umso mehr: Kopf ist nicht nur Kapital. Kopf schlägt Kapital.

 

Vertrauen ist flüchtig

Ein einziges Talent kann Ihnen Hunderte neuer Kunden bringen, und ein einziges Trampeltier kann Hunderte vertreiben. Beim Aufbau echter Kundenloyalität entscheidet jeder einzelne Kontaktpunkt, und sei er noch so winzig. Talentauswahl ist auf allen Ebenen Chefsache – weil Service-Excellence nicht nur etwas mit Dienstleistung zu tun hat, sondern auch mit Kundenführung. „Wer klug zu dienen weiß, ist halb Gebieter“, wusste schon der römische Dichter und Denker Publilius Syrus.

 

Relevanzgedanken zur Talentauswahl

Das Bauchgefühl eines Personalers kann anzeigen, dass Sie es mit dem richtigen Kandidaten zu tun haben. Oder, dass dieser nur die gleiche Anzugmarke trägt wie Sie selbst. Vorsicht: Eine gute Performance im Vorstellungsgesprächsagt viel darüber aus, ob ein Bewerber ein guter Schauspieler ist. Ob er auch eine gute Fach- oder Führungskraft ist und wie seine Haltung zu Service-Excellence aussieht, erfahren Sie leider nicht.

 

Sehr gute Noten allein machen einen Bewerber noch lange nicht zu einem sehr guten Kandidaten. Denn ein Talent ist zwar eine schöne Sache, ohne Fleiß und Hingabe wird aber nichts daraus. Setzen Sie also auf Charakter. Kompetenzen können Sie nachschulen. Haltung nicht. Fragen Sie nicht nach Stärken und Schwächen – oder anderen Standardthemen. Sie langweilen sich doch schon selbst dabei, oder?

 

Service-Excellence erreichen Sie, wenn es Ihnen gelingt, für alle Ebenen exzellente Mitarbeiter zu finden. Das ist beinahe unmöglich aber eben nur beinahe – gerade deshalb sollten Sie nichts unversucht lassen, es trotzdem zu schaffen!

 

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