„Ich bin glücklich mit dem, was ich tue“ (Buchauszug)

Schluss mit Dienst nach Vorschrift

 

Kann man Mitarbeiter einfach mit Boni, Lustreisen oder durch Druck motivieren? Nein, sagt Autorin Petra Blum in ihrem Managment-Buch „Mitarbeiter motivieren und Kunden begeistern“, das Ende April im Haufe Verlag erschienen ist. Das etwas andere Wirtschaftsbuch geht der Frage nach, wie Motivation stattdessen funktioniert. Ein Auszug.

Petra Blum, Autorin und Journalistin

Petra Blum, Autorin und Journalistin

 

Der Flow oder: Was uns wirklich antreibt

 

Mozilla, Linux, Open Office – haben Sie sich schon einmal gefragt, warum immer wieder hochtalentierte Software-Entwickler ausgefeilte und ausgereifte Open-Source Programme erschaffen und in der ganzen Welt verbreiten, obwohl sie gar kein kommerzielles Interesse damit verfolgen? Oder warum Hunderttausende Nutzer freiwillig und unentgeltlich an der Internet-Enzyklopädie Wikipedia mitschreiben?

 

Sie tun es, weil es ihnen Spaß macht – und weit mehr als das. Für diejenigen, die bei solchen Projekten programmieren oder schreiben ist das, was sie erleben, ein Flow: Das heißt, jemand folgt seinem ureigenen Antrieb, und zwar ohne gezwungen oder auch nur aufgefodert worden zu sein. Nicht einmal Geld ist im Spiel.

 

Dem eigenen Antrieb folgen zu können, bedeutet Glück

 

Flow ist im Kern ein Zustand des völligen Aufgehens in einer Tätigkeit, der höchste Produktivität und paradoxerweise auch ein Gefühl von Mühelosigkeit, Leichtigkeit und Sorgenvergessenheit erzeugt. Wer einen Flow-Zustand bei einem Projekt erlebt, wird mit Konsequenz und Zielgerichtetheit bei der Sache sein, ohne sich dabei zu angestrengt zu fühlen. Software-Entwickler haben dafür einen eigenen Begriff geprägt, sie nennen das den Hack Mode. Ein Flow kann nur unter freiwilligen Bedingungen entstehen, niemals unter Zwang oder übertriebener Kontrolle.

 

Mein Beruf ist meine Berufung – das seltene Glück

Flow wird von Mihály Csikszentmihalyi, Professor der Psychologie an der Universtität von Chicago und anderen, die ihn erforscht haben, als eine Art Glück beschrieben – das erklärt, warum Menschen, die ihn erleben, nicht mehr davon lassen wollen. In der Alltagssprache haben wir eine ganze Reihe von Redewendungen, die auf diesen Zustand hindeuten: „Da ist jemand ganz in seinem Element“ oder „Jemand ist mit Leib und Seele bei der Sache“. Nicht durch Zufall kennen wir diese Sprichworte eher aus der Freizeit – denn da erlauben wir uns am ehesten, ganz in unserem Element zu sein, weil wir uns die Dinge, die wir in unserer Freizeit tun, selbst ausgesucht haben. Für die wenigen Glücklichen, die das im Beruf erleben, haben wir ebenfalls eine entsprechende Redewendung: „Jemand hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Oder „Mein Beruf ist meine Berufung“.

 

Für die meisten ist Beruf nur Dienst nach Vorschrift

Damit meinen wir diejenigen, die mit ihrer Tätigkeit, die sie fesselt und inspiriert und bei der sie mühelose Zielgerichtetheit erleben, auch noch Geld verdienen. Gleichzeitig deutet die Redewendung aber an, dass die meisten berufstätigen Menschen dieses Glück nicht haben. Unweigerlich fällt einem dabei das spröde deutsche Wort Sachbearbeiter ein. Von einem Tätigkeitsanreiz wie einem Flow scheint das so weit entfernt zu sein wie die Erde vom Mars. Das erklärt vielleicht, warum wir Beruf mit allem Möglichen, aber nicht mit Leichtigkeit, Leidenschaft und Energie assoziieren – sondern allzu oft mit Dienst nach Vorschrift, also fremdgesteuertem, sachorientiertem Abarbeiten.

 

..

Flow als eine Art von Glück stellt sich oftmals erst dann ein, wenn wir einen übergeordneten Sinn in unserer Tätigkeit erkennen – also wissen, wofür wir uns einsetzen und welche Ziele wir verfolgen. Ein Open Software Projekt beispielsweise kann all das sein: Derjenige, der es programmiert hat, erschafft etwas, was über die eigene Person hinaus weist. Nicht selten landet es bei Millionen Menschen auf dem Rechner und ermöglicht Anwendungen, die sonst nur kostenpflichtig zu haben wären, bedeutet also ein Stück Freiheit. Darüber hinaus gibt Open Software jedem, der entwickeln kann, die Möglichkeit, daran weiter zu programmieren und es zu personalisieren oder zu verbessern. Es stiftet also Sinn für den Einzlenen und die Gemeinschaft.

 

Wer innovativ sein will, braucht Flow

Von William Mcknight, dem ehemaligen Chef des amerikanischen Mischkonzerns 3M, ist ein Zitat überliefert, das Flow in einen einzigen Satz packt: „Die beste und härteste Arbeit macht man immer mit einem Gefühl von Abenteuer und Herausforderung.“ Wer als Unternehmen innovativ sein will, kommt nicht drumherum, dieses Phänomen anzuerkennen. Der Bezug zum Thema Kreativität, Herumspinnen und Ausprobieren ist nicht schwer herzustellen.

 

U-Boot-Projekte ohne Wissen der Geschäftsleitung

Ein Hinweis auf die Wirkung von Flow sind auch die sogenannten U-Boot-Projekte, also geheime Forschungsaktivitäten, die von Entwicklern in Unternehmen verfolgt werden, obwohl sie eigentlich von oben gar nicht abgesegnet sind. Sie enthalten aber viele Elemente, die für Flow unentbehrlich sind, beispielsweise die Herausforderung und das Gefühl von Abenteuer, weil man noch nicht wissen kann, was daraus entsteht. Der Mitarbeiter riskiert etwas dafür, weil die Neugier und die Leidenschaft für das selbst und im Geheimen betriebene Forschungsprojekt stärker sind als die Angst vor negativen Konsequenzen.

 

Flow hat viel mit Leidenschaft zu tun – aber die Voraussetzungen dafür, dass er entstehen kann, sind individuell sehr unterschiedlich, je nach Stärken, Schwächen, Präferenzen und Geschmack. Grundsätzlich darf die Tätigkeit eine Person weder unterfordern noch überfordern. Wir erreichen Zustand nahezu euphorischer Stimmung normalerweise auch nicht beim Nichtstun oder im Urlaub, sondern wenn wir uns intensiv der Arbeit oder einer schwierigen Aufgabe widmen – wenn die Bedingungen stimmen also durchaus auch im Beruf. Der Flow entsteht am ehesten, wenn bei der Tätigkeit eine hohe Übereinstimmung zwischen äußeren Anforderungen und inneren Wünsche oder Zielen der Person besteht. Man tut etwas dann wegen des guten Gefühls, weil es Spaß macht und nicht wegen potentieller Folgeanreize wie Bezahlung oder Status. Sie spielen beim Flow eine untergeordnete Rolle.

 

Das Phänomen ist allerdings außerhalb der Arbeitswelt viel häufiger erkennbar als am Arbeitsplatz. Künstlerische Aktivitäten jedweder Art können Flow auslösen oder Flow-Elemente haben, genauso wie Sport oder Spiele, darunter besonders Computerspiele. Die enthaltenen Flow-Elemente sind hier deutlich erkennbar. Das subjektive Gefühl von Herausforderung und Abenteuer – Computerspiele tun viel, um das zu gewährleisten – aber auch die Rivalität mit Anderen lassen Spieler oft ungeahnt lange durchhalten. Auch die Aussicht auf das Gewinnen ist ein Aspekt, das Flow begünstigen kann.

 

„Ich bin glücklich mit dem, was ich tue“ – und nicht mit Geld wegzulocken

Der Flow erklärt letztendlich auch, warum es so genannte Neigungsberufe gibt: Damit gemeint sind Professionen, in denen den Menschen viel abverlangt wird, sie aber oft keine den Anforderungen entsprechend hohen Gehälter bekommen oder jemals zu erwarten haben. Trotzdem würden diese Menschen ihren Beruf oft um keinen Preis aufgeben wollen – selbst wenn sie Angebote bekommen, die ihr Gehalt um ein Vielfaches übertreffen. Fragt man nach den Beweggründen, bekommt man oft die Antwort: „Ich bin glücklich mit dem, was ich tue.“

 

Cover.Blum-Buch-320x471

 

Mitarbeiter motivieren und Kunden begeistern: Ein Blick hinter die Kulissen erfolgreicher Unternehmen“, Petra Blum, Haufe-Lexware, 264 Seiten, 2014, 29,95 Euro

http://www.amazon.de/Mitarbeiter-motivieren-Kunden-begeistern-erfolgreicher/dp/364804544X/ref=sr_1_1?s=books&ie=UTF8&qid=1404141919&sr=1-1

Die Spanne von Berufen, in denen der Flow als ureigener Antrieb im Vordergrund steht, ist groß. Auffällig sind in dieser Kategorie etwa kreative Berufe oder Jobs, in denen es darum geht, Menschen zu heilen, zu betreuen oder zu pflegen. Stimmen berufliche Anforderungen und innere Wünsche und Ziele überein, nehmen Menschen viel auf sich, um einen Job ausüben zu können. Nicht selten wird das von Arbeitgebern in Form vergleichsweise niedriger Entlohnung ausgenutzt. Glücklich sein mit dem eigenen Tun im Beruf als geldwerter Vorteil – das ist zugegebenermaßen eine zynische Diskussion, stellt sich aber in vielen Bereichen fast genauso dar.

 

Wenn das, was man jeden Tag tut, in Wahrheit keinen Bezug hat zu den individuellen Wünschen und Zielen, dann kann der Flow als individuelle Entfaltung in der Tätigkeit mit höchster Produktivität nicht eintreten. Der Weg zum glücklich-sein mit der eigenen Arbeit – selbst wenn sie sehr erfolgreich ist – ist dann schwierig oder vielleicht sogar komplett versperrt.

 

Flow hat Nebenwirkungen

Was für uns ein Flow ist und was wir dafür brauchen, ist stark von unserer Persönlichkeit abhängig. Für den einen ist es der Modelleisenbahnbau im Keller, für den anderen das Heli-Surfen in Neuseeland. Erleben wir unseren persönlichen Flow, sind wir zielstrebig, kreativ, hochgradig produktiv in unserem Tun, wir vergessen Zweifel und Sorgen und fühlen uns glücklich und belohnt. Dieses Glück erlebt man als fließend.

 

Sachbearbeiter statt maximaler Produktivität

Bekommen wir dagegen Aufgaben aufs Auge gedrückt, die uns überhaupt nicht liegen und die wir für stupide halten, emfpinden wir unser Tun als zäh. In dem Fall ist es unwahrscheinlich, dass wir mit unserer maximalen Produktivität arbeiten. Weil das in deutschen Unternehmen eher häufiger der Fall ist, hat sich die Redewendung Dienst nach Vorschrift inzwischen fest etabliert. Unweigerlich fühlt man sich gleichfalls an das Wort Sachbearbeiter erinnert.

 

Flow hat auch Nebenwirkungen – eine Erwähung wert ist das Thema Glücksspiel und Wetten. Auch diese Aktivitäten betonen Anreize wie Abenteuer und Herausforderung, unterstützt durch die vermeintliche Aussicht auf Belohnung. Zweifelsfrei können sie bei Menschen als Flow erlebt werden. Besonders bei Glücksspiel wird die Gefahr des Flow deutlich: Erlebt man ihn, kann die Risikobereitschaft überwiegen, es droht ein Verlust der Kontrolle über das Geschehen.

 

Kreativität, Eigeninitiative, Risikobereitschaft – Fremdworte für die Personaler

In der Personalarbeit wird auf Arbeitgeberseite mit dem Konzept des Flow praktisch überhaupt nicht gearbeitet. Personalführungskonzepte nutzen wenn überhaupt dann gerne andere Theorien über intrinsische und extrinsische Motivation von Mitarbeitern sowie das (zu optimierende) Zusammenspiel von beidem. Wer nach entsprechender Literatur sucht, findet Lesestoff für mehrere Jahrzehnte. Mit Blick auf Werte wie Kreativität, Eigeninitiative, Risikobereitschaft und Innovationskraft ist das Flow-Konzept allerdings das spannendere. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass eine Tätigkeit auch einzelne Flow-Elemente aufweisen kann, die eine Person motivieren können, ohne dass das vollständige Aufgehen in dieser Tätigkeit und die höchste Produktivität dabei immer erreicht werden müssen.

 

Micromanagement und Kontrollwut zerstört Flow

Der Gestaltungsspielraum des eigenen Handelns und Entscheidens spielt beim Flow eine wesentliche Rolle. Ist er zu klein oder gar nicht vorhanden – wichtig ist hier das individuelle Empfinden – kommt dieses Erleben nicht zustande. Vorgesetzte, die sich durch intensives Micromanagement, also Kontrollwut hervortun, zerstören vermutlich mehr Produktivität ihrer Mitarbeiter, als sie durch ihre übertriebene Kontrolle kompensieren können.

 

Gauso wichtig ist es, die Stärken und Interessen des jeweiligen Mitarbeiters einzubeziehen: Jemand, der hauptsächlich kreativ begabt ist, wird wahrscheinlich darunter leiden, eine von ihm als stupide emfpunde Tätigkeit auszuüben, in der er seine Kreativität unterdrücken muss. Auf der anderen Seite wird jemand, der sich gerne an Zahlen und Fakten abarbeitet, nicht zur Höchstform auflaufen, wenn er plötzlich konzeptionell tätig werden soll und sich davon überfordert fühlt. Diese Balance aus Über- und Unterforderung ist altbekanntes Personaler-Know-how, bleibt aber wirkungslos, wenn man die Idividualität der Mitarbeiter zu wenig berücksichtigt und sich nur nach formalen Gesichtspunkten wie Qualifikation und Berufserfahrung richtet. Die Individualität des einzelnen Mitarbeiters wird in den Personalführungskonzepten vieler Unternehmen jedoch nicht gerade überbetont, besonders wenn es um große Konzerne geht.

 

Wenn Unternehmen die Motivation nicht achten

Es gibt allerdings ein Flow-Element, das von der Personalarbeit gerne aufgegriffen wird: Nämlich der Anreiz, sich und die eigenen Fähigkeiten in irgendeiner Form weiter zu entwickeln. Etwas dazu zu lernen oder neue Erfahrungen zu machen, ist für die meisten Menschen ein wichtiges Element eines Flow. Unternehmen unterstützen das Bedürfnis ihrer Mitarbeiter nach Entwicklung zum Teil tatkräftig, sofern sie sich sich Nutzen daraus versprechen, setzen das aber nur selten in Beziehung zur Motivation. Wenn Faktoren wie überbordende Kontrolle, Zwang oder Unterforderung gegeben sind, kann auch Lernen und persönliche Weiterentwicklung keinen Flow auslösen.

 

Unternehmen können Flow als höchste Form der Produktivität bei ihren Mitarbeitern ohnehin nicht erzwingen. Er lässt sich nicht durch die Zahlung von mehr Gehalt, fragwürdige Incentives oder sogar durch das Ausüben von Druck herbeiführen.

 

Sie können nur versuchen, alles zu vermeiden, was einen Flow stört. Er entfaltet sich dann ganz von selbst.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Alle Kommentare [1]

  1. Ein interessanter Einblick über das Buch, vor allem weil man einiges auf sich selbst beziehen kann. Einige werden sich in einigen Sätzen wiedersehen können, andere wiederrum wollen dann etwas besser machen. Finde ich gut.