Ahnungslose Parfümerieverkäuferinnen

Verkäuferinnen in Parfümerien haben immer weniger Produktkenntnisse. Das Niveau habe sich im vergangenen Jahr erschreckend verschlechtert. Mehr noch: „Oft sind die Konsumenten besser informiert als die Fachverkäuferinnen“, attackierte Stephan Seidel, der Präsident des VKE – dem Verband der Kosmetikhersteller – und Deutschland-Chef von Clarins, Parfümerien wie Douglas & Co.

Die Ursache des Dilemmas: „Die Personaleinsparungen der Händler – qualitativ wie quantitativ – sind dramatisch.“

 

Freundlich, aber inkompetent – kein Ausnahmefall

Die Parfümerien sind da eher typisch, denn eine Ausnahme. Kompetente Auskünfte gibts am ehesten von Mitarbeitern jenseites der 50 – diejenigen, die – weil teurer – als erstes Opfer von Einsparungen sind. Egal ob sie besser beraten und verkaufen können oder nicht. Wer Samstags ein Handy samt kompliziertem Tarif oder einfach nur eine Hose kaufen will, kann von Glück sagen, wenn er nicht von freundlichen, ahnungslosen Studenten irgendetwas angedreht bekommt – nur nicht das, was er braucht.

Stephan Seidel, Geschäftsführer von Clarins und VKE-Präsident (r.), VKE-Geschäftsführer Martin Ruppmann (l.)

Stephan Seidel, Chef von Clarins und VKE-Präsident (r.), VKE-Geschäftsführer Martin Ruppmann (l.) bei der Wirtschaftspressekonferenz 2014

Ein Teil des Personalabbaus – zumindest in der Parfümeriezunft – geht auf das Konto der Produktfälscher: Immerhin gingen durch die Fälscher – meist im Ausland – 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze gehen hier in Deutschland dadurch verloren, ergänzt Martin Rupppmann, Geschäftsführer des VKE. Über eine Million gefälschte Kosmetikprodukte hat der deutsche Zoll im vergangenen Jahr beschlagnahmt.

 

Kosmetik und Düfte auf Platz eins der Markenfälschungen

Stand früher die Kosmetik auf Platz Sieben der Markenfälschungen, so hat sie´s inzwischen auf Platz Eins gebracht. „Und mindestens nochmal so viel bleibt unentdeckt, die Dunkelziffer ist enorm“, schätzt Ruppmann.

Original und Fälschung

Original und Fälschung

Urlaubern werden in Griechenland und der Türkei alle möglichen Plagiate billig angeboten. Oder im Internet, billiger eben als zum offiziellen Verkaufspreis, selbst bei Amazon-Shops gebe es keine Garantie. Ausnahme: Beil wem als Fachhändler ein Echtheits-Siegel des VKE prangt.

 

Statt hochwertiger Cremes: Urin oder Schwermetalle

Die Päckchen mit Plagiaten kämen in kleinen, unauffälligen Paketen in Schuhkartongröße über die Grenze – oft aus Osteuropa. Die Fälschungen sind inzwischen so gut, dass der Zoll die Hersteller zu Hilfe rufen muss, um festzustellen, ob´s Original oder Fälschung ist.

Und dann müsste man sich eben auch nicht wundern, wenn die Sonnenschutzcreme versagt, gar Verbennungen die Folge sind, weil – so erzählt Ruppmann – die Ingredenzien keineswegs hochwertig seien, sondern sogar Urin oder Schwermetalle darin sein könnten. Alles schon vorgekommen.

 

2000 Euro Strafe für einen Schnäppchen-Kauf am Strand

In Frankreich oder Italien solle man sich von keinem fliegenden Händler ein Plagiat eines teuren Markenprodukts andrehen lassen. Es könnten nämlich – wie im Film mit Louis de Funès als Gendarm von St.Tropez – Polizisten aus dem nächsten Gebüsch oder hinter einer Strandbude hervorspringen und in flagranti zuschlagen. So berichtet Seidel von einer Frau am Strand in Frankreich, die im vergangenen Sommer 2000 Euro Strafe zahlen musste. Weil sie dort eine gefakte Dior-Sonnenbrille kaufte. „Den Franzosen haben wir in dem Punkt viel zu verdanken, die haben auf EU-Ebene viel Druck ausgeübt“, sagt Ruppmann.

 

Die Strafen für erwischte Konsumenten sind hierzulande nicht so hoch wie in Frankreich oder Italien – es sei denn, man kauft gleich zwei und verkauft die zweite gefälschte Dior-Sonnenbrille weiter. Das ist dann gewerblich und wird richtig teuer.

 

 

Martin Ruppmann, Geschäftsführer des VKE-Kosmetikverbands

Martin Ruppmann, Geschäftsführer des VKE-Kosmetikverbands

 

Die Groko droht Fälschern Haftstrafen an

Auch bei deutschen Politikern ist das Problem inzwischen angekommen. Der GroKo sind Seidel und Ruppmann dankbar: Waren die deutsche Gesetze bislang zahnlose Tiger und kaum ein Täter wurde mal verurteilt, so gebe es jetzt erstmals die Androhung von Haftstrafen – auch wenn es nur drei Monate sind, aber immerhin. „Bisher passierte nichts, so dass dies ein erster Schritt ist“, bilanziert Ruppmann.

 

Internet-Plattformbetreiber in der Pflicht

Ebenso wie die neue Haftung der Internet-Plattformen: Neuerdings sind die Betreiber verpflichtet, selbst gegen Anbieter von Fakes vorzugehen.

 

Produktionsverbot für Chanel No 5  dem Allergikerschutz zuliebe?

Merkwürdigkeiten drohen indes von der EU: Um auch den letzten Allergiker vor Ingredenzien in Parfüms und Kosmetik zu schützen, genügen nicht etwa Deklarierungspflichten, sondern es drohen gleich Produktionsverbote. Seidel vergleicht: „Chanel No. 5 hätte es unter den Bedingungen nie gegeben – wenn das kommt, was die Kommission plant.“ Bislang müssten die Hersteller 26 Inhaltsstoffe deklarieren – was nicht hiesse, dass sie irgendwie bedenklich oder gefährlich seien.

Danach müsste Erdnussbutter bald ganz oben auf der Produktions-Verbotsliste der EU-Politiker stehen, weil sie für Nuss-Allergiker richtig lebensbedrohlich ist. Oder Nussschokolade. Bäcker dürfen dann vielleicht keine Nussecken mehr anbieten und an Pecan-Nusseis ist gar nicht mehr zu denken.

Oder noch weiter gedacht: Müssen Menschen mit Lactoseunverträglichkeit dann geschützt werden, indem man Milch verbietet?

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Alle Kommentare [1]

  1. Meine Frau und ich sind auch beide große Freunde guter Düfte und immer wieder entsetzt, wenn auf einfache Fragen, eine Verkäuferin immer erst eine andere fragen muss oder versucht, sich mit Allgemeinplätzen zu retten („Chanel macht immer gute Parfüms etc.) Letztens fragte ich im Kölner Hauptbahnhof bei Douglas nach einem leichten Männerduft ohne Hölzer, woraufhin die junge Dame mir (das ist KEIN WITZ!) sagte, dass die meistens Parfüms ohne Holz hergestellt werden.