Der letzte Siemens-Mohikaner: Ex-Vorstand Neubürger kämpfte gegen die Schadenersatzforderung seines Ex-Arbeitgebers, bis er jetzt verurteilt wurde

Ein Vergleich wäre für Ex-Vorstand Neubürger viel billiger gewesen – nun verurteilte ihn das Gericht zu 15 Millionen Schadenersatzzahlung an seinen Ex-Arbeitgeber Siemens.

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Heinz-Joachim Neubürger war der letzte aus der Riege der Siemens-Top-Manager von Siemens, der bis heute Widerstand leistete – und sein Recht vor Gericht suchte. Aber nicht fand.

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Vorwurf: Organisationsverschulden

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Nach der Schmiergeldaffäre war der Ex-Finanzvorstand der einzige, der standhaft eine Schadenersatzzahlung an Siemens – verweigerte. Der Vorwurf an ihn war derselbe wie an die anderen Vorstände auch: Organisationsverschulden. Zu Deutsch: Die Chefs haben ihren Laden nicht im Griff, haben ihn falsch oder gar nicht organisiert. Jetzt verurteilte das Landgericht München Neubürger zu 15 Millionen Schadenersatz. Diese Summe hatte Siemens als sein Ex-Arbeitgeber von ihm gefordert – und war auch dazu verpflichtet. Versuchen Aufsichtsräte nämlich gar nicht erst nicht, Schadenersatz von ihren Ex-Vorständen für Management-Fehler einzufordern, haften sie selbst dafür.

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Nur einer der Siemens-Vorstände ließ sich verklagen – bis er zur Schadenersatzzahlung verurteilt wurde 

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Dieses ist das einzige Schadenersatz-Urteil gegen einen Ex-Siemens-Vorstand beim Aufarbeiten der milliardenschweren Korruptionsaffäre. Mit allen anderen Ex–Top-Managern kamen Vergleiche zustande – nur die lagen deutlich niedriger.

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Zwar waren die strafrechtlichen Vorwürfe gegen Neubürger bereits 2011 eingestellt worden – doch eine Geldauflage musste er immerhin zahlen.

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Wer sich verglich, kam billiger davon

Anders als Neubürger einigte sich der Ex-Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer mit Siemens auf fünf Millionen Euro Schadenersatz. Auch sein Nachfolger Klaus Kleinfeld ging lieber auf einen Vergleich ein und musste daraufhin zwei Millionen Euro Schadenersatz aus eigener Tasche berappen.

Die Ex-Vorstände Edward Krubasik, Rudi Lambrecht und Klaus Wucherer einigten sich mit dem Konzern auf je 500 000 Euro Schadenersatz.

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Bekannt wurden die Summen, weil die Hauptversammlung sie genehmigen musste. Das war 2009.

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Thomas Ganswindt verglich sich erst dieses Jahr auf dieselbe Summe – und zahlt sie nur in Raten ab, wie man in der Einladung zur Hauptversammlung nachlesen kann.

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Zwar hören sich die Summen – gemessen an immer höheren Meldungen über die Vorstandsbezüge – gar nicht so hoch an. Doch tatsächlich waren ja auch damals noch deren Gehälter deutlich geringer als die ihrer Nachfolger heute.

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Der Siemens-Skandal in Zahlen

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Die Bilanz des Siemens-Skandals: 1,3 Milliarden Euro Schmiergeld waren geflossen. Mehr als 100 Manager verloren ihre Jobs. Weitere 100 durften nur deshalb an Bord bleiben, weil sie freiwillig aussagten und ihnen ein Amnestie-Programms zugute kam.

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Ein Versicherungskonsortium unter der Allianz verglich sich mit Siemens auf 100 Millionen Euro Schadenersatz, um die Schadenersatzansprüche gegen die EX-Vorstandsmitglieder aus der Schmiergeldaffäre abzugelten. Gefordert hatte der Konzern von seinen D&O-Versicherern zunächst 250 Millionen Euro.

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Am Siemens-Skandal verdienten Debevoise & Plimptom ebenso gut wie Deloitte

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Besonders teuer wurde die Affäre auch deshalb, weil der Fall US-Bezug hat und Maßnahmen der US-Börsenaufsicht SEC drohten: Dann beauftragen Unternehmen die Anwälte von Debevoise & Plimpton, die monatelange firmeninterne Untersuchungen durchführen sowie die großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Im Fall Siemens erhielt Deloitte Toche Tohmatsu rund 235 Millionen Euro, Debevoise mindestens 95 Millionen Euro, insgesamt soll dieser Posten Siemens 474 Millionen Euro gekostet haben plus 239 Millionen Strafen in Deutschland und 520 Millionen Euro Steuernachzahlungen.

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Ex-CFO Heinz Joachim Neubürger hatte Siemens verlassen, kurz bevor der Skandal ans Licht kam. Heute lebt er in London, wo er bis 2009 für den Finanzinvestor KKR arbeitete und seitdem „selbständig ist, beratend für Banken“.  Seinem Image scheint die Schadenersatzklage gegen ihn jedenfalls nichts anzuhaben. Seit 2012 ist der gebürtige Marler – das liegt im Ruhrgebiet – im Aufsichtsrat der Deutschen Börse und beim Druckmaschinenhersteller Koenig & Bauer.

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Nur Heinz-Joachim Neubürger wollte sich nie auf einen Vergleich einlassen. Insider gehen davon aus, dass er nicht klein beigibt, sondern Berufung beim Oberlandesgericht einlegt.

 

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