Vorstände zweifeln an den eigenen Aufsichtsräten – Gastbeitrag von Jörg Kasten, Managing Partner der Personalberatung Boyden


 

Jörg Kasten, Managing Partner der Personalberatung Boyden

 

Porsche, der Berliner Großflughafen, ThyssenKrupp – aktuelle Beispiele für Unternehmen, deren Aufsichtsräte schwer in der Kritik stehen. Mitarbeiter, Vorstand und die Öffentlichkeit schauen heutzutage sehr viel genauer hin als noch vor wenigen Jahren. Zum einen sind die fachlichen Anforderungen an die oberste Kontrollinstanz beispielsweise mit Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes deutlich erhöht. Zum anderen sind auch die Erwartungen des Top-Managements wesentlich größer. Aufsichtsräte, die sich aus den Unternehmensbelangen weitestgehend heraushalten und alle vorgelegten Entscheidungen einfach unkritisch abnicken, sind nicht mehr gefragt.

 

Eine unserer Studien, „Die neue Rolle des Aufsichtsrates“ (2011), ergab, dass die Hälfte der befragten Geschäftsführer und Vorstände schätzt, dass nur höchstens 60 Prozent der ihnen bekannten Aufsichtsräte die nötige Kompetenz aufweisen, um ihre Aufgabe qualifiziert ausführen zu können.[1] Die Mehrheit der Top-Manager in deutschen Führungsetagen ist demnach also nicht von der Qualifikation ihrer Aufsichtsräte überzeugt.

 

Die Studie befasst sich auch mit der Vergabe-Praxis. Eine wichtige Frage war, ob Aufsichtsratsmitglieder nur wegen ihres publizitätsträchtigen Namens im Kontrollgremium sitzen. Immerhin 12 Prozent gaben an, dass mindestens mehr als die Hälfte der Aufsichtsräte ihrer Meinung nach nur wegen ihres Namens berufen worden seien. Nur ein Drittel schätzt den Anteil auf 20 Prozent und weniger ein. Wie die Mandate vergeben werden, stößt bei den Befragten also auf wenig Vertrauen.

 

Neben einer kritischen Haltung verdeutlicht die Studie aber auch, dass viele Führungskräfte mehr von ihren Aufsichtsräten erwarten. Stolze 72 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit Einführung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilmoG) eine Professionalisierung des Aufsichtsrates erwarten. Auch spricht sich die Mehrheit für die Internationalisierung der Aufsichtsratsgremien entsprechend der internationalen Profilierung des Unternehmens aus. Immerhin 64 Prozent gaben an, dass sie für eine internationale Besetzung der Aufsichtsräte sind und sprachen sich damit für eine Veränderung aus.

 

Nur ein Wunschbild: Aufsichtsrat als Sparringpartner

Gleichzeitig wünschen 23 Prozent der Befragten, dass sich der Aufsichtsrat vom reinen Kontrolleur zum Mitunternehmer entwickeln sollte. Die Mehrheit der deutschen Führungskräfte fordert also eine stärkere Professionalisierung des Aufsichtsrates, nicht zuletzt auch, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen zu sichern. Viele Top-Manager erwarten geänderte Machtverhältnisse und wünschen sich, im Aufsichtsrat einen kompetenten Sparringspartner auf Augenhöhe zu finden. Es scheint also Handlungsbedarf in den Aufsichtsratsgremien zu geben.

 

Wenn Vorstände ihren Kontrolleuren potemkinsche Dörfer zeigen

Kein Zweifel: die Anforderungen sind hoch. Nicht nur Klaus Wowereit, ein Politiker, der nicht die erforderliche Management-Expertise mitbringt, ist als Aufsichtsratsvorsitzender gescheitert. Auch Gerhard Cromme, ein erfahrener Top-Manager, ist bei ThyssenKrupp als Aufsichtsratsvorsitzender derzeit heftig umstritten. Und er müsste doch eigentlich wissen, worauf es ankommt. Hier stellt sich die Frage, wie viel Einfluss ein Chef-Kontrolleur überhaupt hat, wenn er von seinem operativen Vorstand nur potemkinsche Dörfer zu sehen bekommt. Wenn das Management den Aufsichtsrat hintergeht, wird der Aufsichtsrat für Vorgänge gescholten, die er nur bedingt beeinflussen kann.

Der Aufsichtsrat kann seine Aufgabe nur sinnvoll erfüllen, wenn er auf ein starkes, kompetentes operatives Management bauen kann, das ihn richtig informiert. Aber was genau heißt es heute überhaupt, ein Unternehmen zu führen? Harvard-Professor John P. Kotter beschreibt bereits in den 90-ern („A Force For Change: How Leadership Differs From Management“) den Unterschied zwischen Managern und Leadern: Manager sind Verwalter, Leader eher Visionäre.

Management ist für ihn die Fähigkeit, Prozesse optimal zu steuern, zu kontrollieren und einzusetzen. Leadership bedeutet hingegen die Fähigkeit, anderen eine Vision und Richtung zu geben. Erfolgreiche Führungskräfte brauchen beides. Einen Kandidaten zu identifizieren, der genau die richtige Mischung mitbringt, ist eine Kunst.

 

Nur wenige neue Top-Spieler sind geeignete Aufsichtsräte für den Flughafen Berlin – die erste Spielzeit ist allzu verfahren

Bei ambitionierten Vorhaben wie dem Berliner Großflughafen wird die Suche nach einem Top-Manager immer schwieriger. Wer kann denn noch das immer komplexere Profil des neuen Flughafen-Geschäftsführers ausfüllen? Neben der technisch-fachlichen Qualifikation soll er auch die entsprechenden Persönlichkeitsmerkmale mitbringen. Hier sind neben außergewöhnlichem Engagement, Intelligenz, Flexibilität, strukturiertem Denken und herausragendem Organisationstalent vor allem Fingerspitzengefühl und der gekonnte Umgang mit der Politik gefragt. Hinzu kommt, dass bei diesem Projekt die Visibilität sehr hoch ist. Ganz Deutschland sowie das Ausland schaut genau hin, wie sich das Projekt weiterentwickelt – ein enorm hoher Erfolgsdruck. Bei einer derart verfahrenen ersten Spielzeit, bieten sich jetzt wohl wenige neue Top-Spieler an.

 

Selbst wenn sich ein – hoffentlich geeigneter – Kandidat finden lässt, muss auch noch die Chemie zum Aufsichtsrat stimmen, damit das Vorhaben vorankommt. Denn oft liegen die Versäumnisse in der mangelnden Kommunikation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Es ist eine Gratwanderung für alle Beteiligten. Auf der einen Seite kann der Aufsichtsrat seine Kontrollfunktion nur wirklich ausüben, wenn der Vorstand ihn umfassend über die wirklichen Verhältnisse im Unternehmen informiert. Auf der anderen Seite braucht ein Leader auch Freiheiten, um sich entfalten und unternehmerisch handeln zu können. Der Aufsichtsrat muss dem Vorstand also auch immer einen gewissen Vertrauensvorschuss einräumen als Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.

 

Aufsichtsräte können heute leichter belangt werden

Wenn der Karren bereits im Dreck steckt, ist das natürlich sehr viel verlangt. Vor allem, da sich gerade im Hinblick auf Compliance-Anforderungen die Lage für Aufsichtsräte deutlich verschärft hat. Mit neuen gesetzlichen Regelungen wie dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilmoG) oder dem Gesetze zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) ist es heute deutlich einfacher, Aufsichtsratsmitglieder für falsche geschäftspolitische Entscheidungen juristisch zu belangen.

 

Aufsichtsratsposten sind keine Belohnung

Unter diesen Voraussetzungen brauchen wir Aufsichtsräte, die den Herausforderungen gewachsen sind. Der Ruf nach professionellen Aufsichtsräten ist in vielen Vorstandsetagen deutlich vernehmbar. Sitze in Aufsichtsräten sollten nicht als Belohnung an Vorstände vergeben werden, sondern auf Grundlage des passgenauen Profils eines Kandidaten. Nicht ein großer Name sollte den Ausschlag geben, sondern nur das erforderliche Persönlichkeitsprofil und die fachliche Eignung.


[1] In Kooperation mit der WHU-Otto Beisheim School of Management, hatten wir 315 Geschäftsführer und Vorstände deutscher börsennotierter Unternehmen befragt. Unter den angeschriebenen Konzernen, Großunternehmen und führenden Mittelständlern, finden sich zahlreiche DAX-Unternehmen, unter anderem die Allianz, BASF, Bayer, BMW, Commerzbank, Daimler, Deutsche Bank, Henkel und Lufthansa. Die Rücklaufquote lag bei etwa 30 Prozent. Die Ergebnisse der Umfrage sind für die Aufsichtsrats-Thematik besonders aussagekräftig, da nur Manager der ersten Führungsebene teilnahmen.

Über Jörg Kasten, Boyden: http://www.boyden.de/germany/de/associates/jrg-kasten-2372/index.html

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