„Angepasste Manager helfen dem Unternehmenserfolg nicht weiter.“

Interview mit Personalberaterin Heike Cohausz von P4 Career über Manager, die ihr eigenes Wertesystem mit der Unternehmenskultur ihrer Company nicht mehr in Einklang bringen können.

Heike Cohausz, Partnerin bei P4 Career Consultants

 

Frau Cohausz, zweifelnde Manager sind eine Gefahr für ihre Unternehmen, sagen Sie. Warum?

 

Cohausz: Dafür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Ein Manager, der sich nicht mehr richtig mit seinem Unternehmen identifiziert, verbraucht zusätzliche Energie. Er muss sich an die vorgegebene Richtung anpassen und darf sich seine Zweifel weder innen noch außen anmerken lassen. Das kostet ihn Kraft, die ihm natürlich an anderer Stelle fehlt.

Eine gute Führungskraft sollte Strategien und Entscheidungen so  vertreten, als wären es seine eigenen.

 

Und wenn er es nicht – mehr – kann?

Cohausz: Hält er die Unternehmensstrategie aber für falsch, gibt es zwei typische Reaktionen: Erstens vertritt er sie dennoch. Zweitens gibt er sie weiter – als eine Entscheidung  ´von oben´. Der erste Fall kostet sehr viel Kraft und je häufiger es vorkommt, desto unwohler fühlt sich der Manager in seiner Haut. Im Extremfall folgen dann irgendwann Krankheit und Burn out oder eine Kurzschlusshandlung,. Bestes Beispiel ist Ulrich Rüther von der Provinzial, der sich selbst in der Tiefgarage Verletzungen zufügte und die Allgemeinheit glauben machen wollte, er sei attackiert worden.

 

…das bedeutet?

Cohausz: Die Situation belastet den Manager so sehr, dass er beginnt, sich in seinem Verhalten von der Richtung des Unternehmens abzugrenzen – wie im zweiten Fall. Das registrieren Mitarbeiter sofort, sie beginnen draufhin, sich zu positionieren und zu polarisieren. Ein typisches Beispiel ist, wenn ein Bereichsleiter seinen Mitarbeitern erklärt `Die Geschäftsführung hat den Stellenabbau entschieden. Ich konnte dagegen nichts tun.´ Dann ist deutlich, dass er persönlich dagegen ist. Die Mitarbeiter sehen ihn dann nicht mehr als Vertreter des Unternehmens, sondern als Verbündeten, der ihren Widerstand unterstützt. Dauert der Zustand länger an oder hat der Manager immer häufiger das Gefühl, gegen seine Überzeugung handeln zu müssen, wird er über kurz oder lang das Unternehmen verlassen.

 

Häuft sich das?

Cohausz: Die Akademie-Studie 2012 von der Akademie für Führungskräfte kommt zu dem Ergebnis, dass über 80 Prozent aller Manager manchmal den Eindruck haben, gegen ihre persönliche Überzeugung handeln zu müssen. Bei mehr als zehn Prozent kommt das sogar häufig vor. Diese zehn Prozent sind offen für jedes Angebot von außen und suchen auch aktiv selbst.

Typische Zeichen hierfür sind Verhaltensveränderungen wie diese:
–       Wer sich bisher aktiv mit Ideen eingebracht hat, hält sich plötzlich zurück.
–       Führungskräfte ziehen sich zurück: keine privaten Gespräche mehr, reduzierte Teilnahme an gemeinsamen Aktivitäten.
–       Türen, die bislang offen waren, sind häufiger geschlossen.
–       Es werden mehr vertrauliche Gespräche und Telefonate geführt.
–       Profile in öffentlichen Netzwerken werden überarbeitet und die Aktivitäten dort nehmen sprunghaft zu.
–       Die Sprache verändert sich: Statt von `wir´  und `uns´ wird über `das Unternehmen´ und `die Geschäftsführung´ gesprochen.

Diese Studie redet nur über `bewusstes´ Handeln gegen die eigene Überzeugung. Ich erlebe hingegen immer wieder Klienten, die sich das als Führungskräfte nicht einmal vergegenwärtigen. Weil sie es für einen Teil ihrer Aufgabe halten, gegen ihre Überzeugung zu handeln. Oder auch weil sie ihre eigene Position nicht klar hinterfragt haben.

 

Und Sie halten denen den Spiegel vor?

Cohausz: Die Frage nach den Werten finden unsere Klienten zunächst etwas befremdlich und abstrakt. Meist können Sie sie schnell aufzählen. Häufig nennen sie dann spontan Werte wie Verantwortung, Ehrlichkeit, Vertrauen und Freiheit. Dünn wird es aber, wenn ich ihnen konkrete Fragen stelle, wie diese:

„Wie definieren Sie den Wert?“
„Beschreiben Sie eine konkrete Situation in Ihrem Berufsleben, in der sie den Wert xy gelebt und gezeigt haben.“
„Wie spiegelt sich dieser Wert in Ihrem täglichen Verhalten wider?“
„Was erwarten Sie von Ihrem Vorgesetzten/Ihrem Mitarbeiter auf Basis dieses Wertes?
Was muss er tun oder wie muss er sein, dass Sie Ihren Wert wiederfinden?“
„Welche Regeln ergeben sich konkret für die Zusammenarbeit im Team aus Ihren Werten“?
„Wie spiegeln sich Ihre Werte in Ihrem Führungsverhalten wider?“
„Welche Rückschlüsse können Sie aus diesen Betrachtungen ziehen bzgl. der Unternehmenskultur?“
„Wie muss ein Unternehmen gestrickt sein, damit Sie Ihre Werte dort voll und ganz einbringen können?“

Und nach diesen Fragen ist vielen dann plötzlich sehr klar, warum sie sich nicht mehr wohlfühlen in ihrer Firma. Warum sie sich entschieden haben, wechseln zu wollen. Und noch viel wichtiger: Worauf sie eigentlich achten müssen bei der Auswahl des nächsten Arbeitgebers.

 

Haben Manager denn die freie Auswahl, weil die Nachfrage nach Managern so gestiegen ist, dass sich der Markt schon gedreht hat?

Cohausz: Immer öfter wählen Arbeitnehmer heute ihre Arbeitgeber aus und nicht umgekehrt. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten zehn Jahren weiter verstärken. Mitarbeiter entscheiden sich für Unternehmen, in denen sie sich wohlfühlen, entfalten und entwickeln können. Das wiederum hängt ab von einer gelebten Unternehmenskultur, dem Betriebsklima, dem Umgangston, was ihrerseits von den Führungskräften und ihren Werten getragen und gelebt wird. Ich finde es gut, dass Führungskräfte heute nicht mehr blind ihrer Karriere hinterher jagen.

 

Wenn sie es sich denn leisten können.

Cohausz: Viele ehemalige Top-Manager entschließen sich zu späten alternativen Karriere etwa als Investor, Berater oder Dozent. Prominente Beispiele sind
Kai-Uwe Ricke, Jahrgang 1961, der Ex-Vorstandschef der Deutsche Telekom, der heute diverse Aufsichtsrat-Mandate wahrnimmt und als Mentor tätig ist. Oder  Bernd Kundrun, Jahrgang 1957, ehemaliger Vorstandschef  von Gruner & Jahr, der sich heute sozial engagiert und mit Hanse Ventures Gründerprojekte umsetzt.

 

Die haben in ihrer aktiven Zeit vermutlich genug Geld angesammelt, um sich diese Jobs leisten zu können. das trifft nicht für jeden zu.

Cohausz: Die alternativen Karrieren bedeuten übrigens nicht zwingend, daß man nicht mehr ordentlich verdient. Im Gegenteil, heute sind zahlreiche Aufsichtsrats- und Beraterpositionen sehr gut dotiert. Denn auch hier sind die Ansprüche deutlich gestiegen, was sich auch in der Bezahlung ausdrückt.

Doch auch in den Unternehmen reift die Erkenntnis, dass Persönlichkeit und Leistung zusammengehören. Dass eine Führungskraft nur so erfolgreich, authentisch und hoch motiviert sein kann. Das wirkt viel intensiver auf den Erfolg des Unternehmens ein, als es jedes angepasste Verhalten je tun kann.

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