Arbeitsrechtler Boris Dzida von der internationalen Anwaltskanzlei Freshfields erklärt im Management-Blog die feinen Grenzen, die Unternehmen beachten sollten, wenn sie bei der Konkurrenz Mitarbeiter abheuern wollen – und dafür die sozialen Netzwerke nutzen.
….und wie hoch ist solch ein Kostenrisiko konkret?
Dzida: Bei Abmahnkosten geht es meistens `nur´ um einige Hundert oder ein paar Tausend Euro. Anders beim Schadensersatz: Wer mit unlauteren Mittel ein ganzes Team seines Wettbewerbers abwirbt, kann sich schnell eine Forderung in Millionenhöhe einfangen.
Es kann also teuer werden, aber verhindern kann es der bisherige Arbeitgeber nicht. Heuert als ein Konkurrent jemanden ab, ist es für ihn letztlich nur ein Rechenexempel, ob der Preis zu hoch ist oder nicht? Kennen sie entsprechende Urteile – oder ist das Risiko, auf Schadenersatz verklagt zu werden, eher theoretisch?
Dzida: Es gibt einen recht bekannten Fall, in dem ein großes deutsches Bauunternehmen angeblich eine ganze Abteilung eines anderen Bauunternehmens abgeworben hatte. Dieses klagte auf Schadensersatz und verlangte insgesamt rund 40 Millionen Euro. Das Problem bestand jedoch – wie in allen solchen Fällen – darin, den Schaden nachzuweisen. Natürlich hat ein Arbeitgeber, dem die besten Mitarbeiter abgeworben werden, einen Schaden. Diesen aber so zu beziffern, dazulegen und zu beweisen, dass ein Gericht dem Schadensersatzanspruch stattgibt, gelingt nicht in vielen Fällen. Darauf sollten sich Arbeitgeber, die unlauter gegen ihren Konkurrenten vorgehen wollen, aber nicht verlassen: Ist der Konkurrent gut beraten, kann es ihm durchaus gelingen, etwa die Headhunter-Kosten, die bei der Nachbesetzung der Stelle entstehen, als Schadensersatz durchzusetzen.
Also sollten Unternehmen beim Abwerben lieber nicht zu aggressiv vorgehen?
Dzida: Genau, denn Abwerbung ist in Deutschland an sich ja nicht verboten: Jeder Arbeitgeber darf versuchen, die besten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Als Arbeitgeber darf ich auch Mitarbeiter der Konkurrenz ansprechen, um sie davon zu überzeugen, dass bei mir das Arbeitsklima und die Aufstiegschancen besser sind und dass es obendrein mehr Geld gibt. Das ist Teil des freien Wettbewerbs.
Dzida: Das Unternehmen mußte dem Konkurrenten die Abmahnkosten erstatten, also die Kosten, die dem Konkurrenten dadurch entstanden waren, dass er sich mit einer Abmahnung gegen das wettbewerbswidrige Abwerben gewehrt hatte. Das waren letztlich `nur´ 600 Euro, aber für ein paar ungeschickte Messages, die man mal schnell über Xing versandt hat, ist das ja auch Geld. Dass sich Arbeitgeber beim Abwerben an die Regeln halten müssen, gilt im Übrigen nicht nur bei Abwerbeversuchen über Xing oder vergleichbare Netzwerke, sondern auch für den klassischen Anruf eines Headhunter.
Und Headhunter dürfen Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz anrufen, um sie für ein anderes Unternehmen abzuwerben – das ist doch nicht wettbewerbswidrig?
Dzida: Anrufe am Arbeitsplatz sind nur eingeschränkt zulässig. Der Headhunter darf sich nur kurz vorstellen und mitteilen, warum er anruft. Er muss den Mitarbeiter, den er im Visier hat, dann zunächst fragen, ob er hier und jetzt mit ihm sprechen möchte. Nur wenn diese Bereitschaft besteht, darf der Headhunter die Stelle, die er anzubieten hat, kurz vorstellen. Alles Weitere darf dann nicht mehr am Arbeitsplatz erfolgen. Sonst kann sich der Arbeitgeber, dessen Mitarbeiter abgeworben werden sollen, gegen den wettbewerbswidrigen Abwerbungsversuch mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zur Wehr setzen.
Welche Abwerbe-Methoden sind ansonsten verboten?
Dzida: Es ist erlaubt, den Kollegen zu erzählen, dass man gekündigt hat und bei einem anderen Arbeitgeber anfängt. Auch braucht man nicht verschweigen, dass man dort zum Beispiel mehr verdienen wird. Wer aber beharrlich auf seine Kollegen einwirkt, ebenfalls zu kündigen und mitzukommen, riskiert eine fristlose Kündigung.
Danke! Die Abmahnung via Xing wurde schon häufiger aufgeführt, meistens aber nicht unter Erwähnung der Tatsache, dass es um die Schmähung des alten Arbeitgebers und nicht um die Plattform Xing ging…
lieben Dank
Stephan