Wenn die Chefin Missstände gar nicht erst bemerkt

Hiess es nicht jahrelang, Frauen seien die besseren Chefs? Mit mehr Führungskompetenz als Männer? Viel einfühlsamer und überhaupt?  Der „Spiegel“ enthüllte die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung, die andere Erkenntnisse ergab: Bei RTL fühlen sich Mitarbeiter danach „unterbezahlt, respektlos behandelt und haben Angst um ihren Job“ – die Rede ist hierbei insbesondere von den Newspool-Mitarbeitern sowie der RTL-Tochter infoNetworks, bei der Nachrichtenfilme für RTL produziert werden.

Auf breiter Front sähe das bei Bertelsmann anders aus, betont zwar ein RTL-Sprecher, doch die Befragungsergebnisse würden aus genereller Erwägung nicht veröffentlicht. Nur so viel: RTL-weit seien laut Mitarbeiterbefragung 54 Prozent der Angestellten zufrieden mit ihrem Gehalt.

Der Branchendienst „Meedia“ berichtet dagegen im Detail von der RTL-Tochtergesellschaft infoNetwork sowie dem Newsroom: „In der Mitarbeiterbefragung gaben nur vier Prozent der infoNetwork-Mitarbeiter an, mit ihrer Bezahlung zufrieden zu sein. Nur jeder vierte Mitarbeiter aus dem Newspool hatte zudem das Gefühl, von Vorgesetzten mit Respekt behandelt zu werden. Ein desaströser Wert. Viele der Mitarbeiter haben dort zudem Angst um ihren Arbeitsplatz. Nur 38 Prozent der Befragten bei infoNetworks halten ihn laut der Befragung für sicher. Mit ein Grund für die Unsicherheit: Jeder Zweite bei infoNetwork verfügt über keinen festen, unbefristeten Vertrag.“

Im „Spiegel“ ist denn auch die Rede von dem Phänomen, das Redaktionen landauf landab egal welcher Größenordnung plagt: Der Umgang sei rüder geworden und es fehle Zeit für Recherche.

So weit so schlecht. Doch was die Sache noch schlimmer macht, ist dies: RTL-Geschäftsführerin Anke Schäferkordt sagte dazu dem „Spiegel“ lediglich, dass ihr „ein angeblich weitverbreiteter Unmut in ihren Gesprächen mit ihren Redaktionen nicht entgegen gebracht worden ist“.

Schwer vorstellbar, dass ihr niemand etwas von all dem verraten haben soll – wenn sie schon selbst nichts bemerkt. Denn – so erklärt ihr Sprecher genau: Summa summarum nehme sich Anke Schäferkordt zwei Wochen im Jahr Zeit für Mitarbeitergespräche.

Doch wenn dem so ist, zeigt das: Frauen sind keineswegs automatisch die besseren Chefs – qua Geschlecht sozusagen. Zudem: Fürchten ihre Mitarbeiter sie so sehr,  dass sie sich nicht einmal trauen, sie aufmerksam zu machen auf Missstände oder – vielleicht subjektive – Nöte? Spricht auch nicht für eine gute Chefin.

Hat sie es doch gewusst, ist diese Verteidigungslinie nicht unbedingt die geschickteste PR-Strategie. Wirkt es doch jedenfalls so, als habe sie ihren Laden nicht im Griff. Oder als sässe sie doch im Elfenbeinturm. Ganz abgesehen davon, dass sie die Missstände weder realisiert noch zu beheben weiss. Wäre es nicht besser, offen damit umzugehen und zu sagen, dass man sich fortan um das Betriebsklima und die Mitarbeiterzufriedenheit kümmern und  das Ganze reparieren will? Statt kleinzureden.

Für Schäferkordt kommt diese Nachricht in einem wirklich ungünstigen Moment: Wo BASF gerade  bekannt gegeben hat, dass sie in den Aufsichtsrat des Chemiekonzerns einziehen wird. Und für BASF ist es auch keine gute Nachricht, sich eine Kontrolleurin an Land gezogen zu haben, die so schnell nichts bemerkt.

Und das, wo wenigstens PR-mässig doch das Gegenteil erreicht werden sollte. Indem demonstrativ auf einen Schlag gleich zwei Frauen für die Unternehmensspitze der Öffentlichkeit präsentiert wurden kürzlich: Margret Suckale für den Vorstand und Anke Schäferkordt für den Aufsichtsrat. „Frauenpower für BASF“ lauteten jedenfalls die Vorschusslorbeeren der „Welt“.

Auch bei der Nachrichtenagentur dapd ist das Betriebklima derzeit suboptimal: http://meedia.de/nc/background/meedia-blogs/daniel-bouhs/daniel-bouhs-post/article/frust-und-entmutigung-beim-dapd_100031439.html

Studie zur Branchenkrise im Journalismus: http://www.fachmediennews.de/FMNhome.htm

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Alle Kommentare [2]

  1. Programmniveau, Führungskompetenz und Mitarbeiterzufriedenheit scheinen sich bei RTL auf wunderbare Art und Weise zu ergänzen.
    Viellecit sollte man Frau Schäferkordt durch D. Bohlen ersetzen um das Programm und Profil noch weiter zu schärfen.
    Bleibt zu hoffen, dass eine derartige Umfarge nicht auch noch bei
    RTL II durchgeführt und veröffentlicht wird.