Lohngerechtigkeit: Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern benachteiligen Frauen weniger

Wann Frauen immer weniger verdienen als Männer analysiert Gehaltsexpertin Heike Friedrichsen von Compensation-Online

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Heike Friedrichsen, Compensation Online

Die Löhne von Männern und Frauen nähern sich nicht etwa an, sondern klaffen – im Gegenteil – noch weiter auseinander: Die Gehaltsdifferenz – Gender Pay Gap – beträgt 9,7 Prozent und ist sogar noch höher als im Vorjahr. Die Vergütungsexperten von Compensation-Online  – www.compensation-online.de – haben dazu mehr als 200.000 aktuelle Datensätze nach verschiedenen vergütungsrelevanten Einflussfaktoren analysiert.

Berücksichtigt wurden alle Faktoren, die vergleichbar sind: Branche, Beruf, Qualifikation und Position. Die Experten von Compensation Online kommen hier auf einen Gehaltsunterschied von immerhin noch 9,7 Prozent – anders als die Statistiker, die nicht differenzieren und auf fast 30 Prozent kommen (unbereinigte Gehaltslücke).

 

Sehr große Unternehmen bezahlen am fairsten

Bemerkenswert ist, dass selbst bei kleinen Unternehmen mit weniger als fünf beziehungsweise 20 Mitarbeitern Lohndifferenzen bestehen. Bei größeren Unternehmen steigt diese Entgeltlücke weiter an – zumindest zunächst. Denn der Trend flacht ab einer Firmengröße von etwa 1.000 Mitarbeitern wieder ab. Im Klartext: Je größer das Unternehmen, umso fairer die Bezahlung von Männern und Frauen.

 

Je anspruchsvoller der Job, umso kleiner der Gehaltsabstand

Die Studie zeigt auch, dass sich der Gehaltsabstand zwischen Männern und Frauen verringert, wenn die Anforderungswerte an einen Job steigen. Anders gesagt: Je anspruchsvoller eine Stelle, umso kleiner ist der Unterschied bei der Bezahlung.

 

Der Faktor Personalverantwortung

Ein Teil der Entgeltlücke der Statistiker erklärt sich durch den Einflussfaktor Personalverantwortung. Wenn man diesen berücksichtigt, schrumpft der Gehaltsabstand auf 23,7 Prozent. Männer in leitender Position verdienen im Schnitt 94.700 Euro, Frauen kommen auf 72.300 Euro.

 

Männer-Branchen zahlen mehr, haben aber höhere Gehaltsunterschiede

Die Branche hat erheblichen Einfluss auf die Höhe des Gehalts. Hier zeigt sich ein typisches Verhaltensmuster: Während Männer in eher technisch orientierte Branchen gehen, wählen Frauen eher Branchen mit sozialer Orientierung oder höheren Kommunikationsanteilen.

Mit der Wahl einer bestimmten Branche aber scheint eine schlechtere Bezahlung programmiert zu sein: Die größten Gehaltsunterschiede machen Branchen, die technische Ausbildungen voraussetzen wie beispielsweise der Anlagenbau oder in denen Karrieremöglichkeiten bestehen wie der Beratung.

 

Geringere Gehaltsunterschiede finden sich in Branchen, die ohnehin vielfach auch die bevorzugte Wahl von Frauen sind wie der Einzelhandel, soziale Berufe, Werbung oder PR. Wobei in diesen Branchen meist per se schlechter gezahlt wird.

 

Je älter umso größer die Kluft

Insgesamt zeigt sich, dass zu Beginn der Karriere die Entgeltlücke noch deutlich unterhalb der unbereinigten liegt. Mit zunehmenden Lebensalter steigen üblicherweise die Gehälter. Im Falle der Männer zeigt sich auch eine kontinuierliche positive Gehaltsentwicklung. Die Gehälter von Frauen hingegen steigen zwar zunächst an, sinken dann aber ab. Und zwar exakt zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr.

 

Fakt ist, dass Frauen und Männer sich am Arbeitsmarkt nicht gleich verhalten. In den besonders gefragten technischen Berufen, in den außertariflichen Bereichen und in leitenden Positionen gibt es nach wie vor weniger Frauen.

Vielleicht ist der wirklich Skandal aber gar nicht die Lohnlücke, sondern – zumindest bei den Frauen, die auch Mütter sind – die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Und da sind viele Mütter immer noch gekniffen. Männer wären es übrigens auch.

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