„Denken lohnt sich“, meint Wissenschaftskabarettist Vince Ebert

 

 

„Vorstandsvorsitzende sind wie Club-Urlauber“

 

Machen Kabarettisten bei ihren Auftritten einen Ausflug ins Wirtschaftsleben wird´s zuweilen lächerlich. Nicht wegen guter Gags, sondern weil die Entertainer so wenig Sachverstand beweisen. Der studierte Physiker – achtung Brainy! – Vince Ebert dagegen war selbst in der Unternehmensbreratung und Marktforschung tätig – als Consultant bei Ogilvy & Mather Dataconsult und Publicis als Planner – , bevor ins Entertainment-Fach wechselte. Sein Ansinnen, „die Vermittlung wissenschaftlicher Zusammenhänge mit den Gesetzen des Humors“, brachte ihm die Bezeichnung Wissenschaftskabarettist ein. Seit September 2013 tourt er mit seinem neuen Bühnenprogramm „Evolution“ durch Deutschland, Österreich und die Schweiz,  in der ARD moderiert er regelmäßig die Sendung „Wissen vor acht – Werkstatt“.

Dem Management-Blog hat Vince Ebert zwei seiner Stücke als Texte überlassen (siehe unten): „Haste mal ´nen Euro? aus seinem Hörbuch  „Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie“ sowie „Zufällig erfolgreich“ aus „Denken lohnt sich“

 

Vince Ebert

Vince Ebert

I

Vince Ebert: Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie!

„Haste mal ´nen Euro?“

Ein deutscher Top-Manager geht in ein Schweizer Kreditinstitut und zischt dem Bankangestellten zu: „In diesem Koffer sind eine Million Euro!“ Darauf erwidert der Banker: „Sie brauchen nicht zu flüstern, in der Schweiz ist Armut keine Schande…“

Diesen launigen Scherz erzählt man sich seit Monaten auf den deutschen Führungsetagen. Denn die Vorstände der 30 Dax-Konzerne erhöhen regelmäßig ihre Jahresgehälter um zweistellige Prozentbeträge gegenüber dem Vorjahr. Das Durchschnittseinkommen dieser Berufsgruppe lag 2006 bei 2,7 Millionen Euro. Eine unglaubliche Summe, denn zusammengenommen verdienten diese 30 Top-Manager nicht mal so viel wie ein Michael Schuhmacher! Ist das gerecht?

 

 

Hörbuch

Hörbuch mit der gerade laufenden Bühnenshow

Ackermann verdient während eines Toilettengangs 400 Euro

Auf der finanziellen Pole Position steht nach wie vor der Chef der Deutschen Bank, Josef „Victory“ Ackermann. 13,2 Millionen bekam der gebürtige Schweizer. In der Zeit, in der Herr Ackermann auf die Toilette geht, verdient er umgerechnet 400 Euro. Das nenne ich mal ein großes Geschäft. Zugegeben, 13,2 Millionen im Jahr klingt im ersten Moment nach ziemlich viel, im Fußballgeschäft bekommen Sie damit jedoch gerade mal einen mittelmäßigen Brasilianer.

Fußballer als Einkommensmillionäre sind Helden, Top-Manager nicht

In Wirklichkeit gibt es in diesem Land einen tiefen Neid auf Leistung, Verdienst und Kompetenz. Und diesen Neid tarnen viele mit der Forderung nach Respekt vor Gerechtigkeit. Aber Respekt vor der Leistung hat man leider oft nicht. Außer vielleicht im Sport. Wenn ein 25-jähriger Einkommensmillionär seinen Fußballclub in die Champions-League schießt, wird er als Held gefeiert. Wenn ein 60jähriger Einkommensmillionär sein Unternehmen in die Weltspitze bringt, ist er ein gieriger Egomane.

Vorstandsvorsitzende sind wie Club-Urlauber

Allzu selbstgerecht sollten wir das Verhalten unserer Führungskräfte nicht bewerten. Wer verstehen will, warum sich so viele Vorstände immer großzügigere Gehaltssprünge zugestehen, der sollte einfach mal einen normalen Club-Urlaub buchen und sich dort die tägliche Schlacht am All-you-can-eat-Buffet anschauen: Da kloppen sich verantwortungsvolle Familienväter wie gierige Nokia-Manager um Jägerschnitzel und Pommes als gäbe es kein Morgen. Und auch wenn beim besten Willen nichts mehr in den Magen rein geht, wird trotzdem noch das vierte Schüsselchen mit Tiramisu voll geschaufelt. Wenn alles im Überfluss vorhanden ist und keiner sich für sein Verhalten so richtig verantworten muss, kriegen viele eben den Hals nicht voll. Da unterscheidet sich der Vorstandsvorsitzende nicht wesentlich vom Club-Urlauber.

Die wahren Heuschrecken sind wir selbst

Wir demonstrieren gegen Niedriglöhne, Stellenabbau und Umweltzerstörung aber gehen zu H&M, ZARA oder ALDI. Wir informieren uns beim freundlichen Einzelhändler über den besten DVD-Player und kaufen ihn dann bei MediaMarkt, weil er dort 20 Euro billiger ist. Als Kunde betreiben wir genau das, was wir Top-Managern gerne vorwerfen: Gnadenlose Globalisierung und Preisdruck, bis als Produktionsstandort nur noch Fernost übrigbleibt. Die wahren Heuschrecken in diesem Land sind nicht irgendwelche Nokia-Chefs oder Hedge-Fonds-Manager. Die wahren Heuschrecken, das sind wir selbst…

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Zufällig erfolgreich“

Ich bin nicht zufällig berühmt geworden“ hat die Sängerin Lady Gaga kürzlich in einem großen Interview gesagt. Darin erklärt sie sehr ausführlich, dass sie schon seit ihrer Kindheit hart und geplant an ihrer Karriere gearbeitet hat. Auch in Buchhandlungen finden Sie unzählige Bücher „Wie werde ich erfolgreich?“ Meistens wird darin ein erfolgreicher Macher vorgestellt, der bestimmte Eigenschaften hat: Mut, Risikobereitschaft, Fleiß. Daraus wird dann gefolgert: Wenn auch Sie diese Eigenschaft haben – läuft’s mit der Karriere!

Klassischer Statistikfehler. Wir wissen nämlich nicht, wie viele Menschen ebenfalls Mut, Risikobereitschaft und Fleiß hatten – und gescheitert sind. Und zwar aus einem einzigen Grund: Erfolglose Menschen schreiben keine Erfolgs-Bücher. Ich habe nachgeguckt. Sie finden auf Amazon keinen einzigen Buchtitel „Warum ich’s nicht geschafft habe“, „In 12 Schritten zum Loser“, „Trotz Einser-Abi in der Gosse“. No way!

Tatsächlich gibt es unzählige Erfolgsgeschichten, die auf purem Zufall basieren. Porzellan wurde erfunden, weil die Alchemisten eigentlich Gold herstellen wollten. Tesafilm sollte ursprünglich Heftpflaster werden. Viagra wurde entdeckt, weil männliche Versuchspersonen ein Herzmedikament in der Testphase partout nicht mehr absetzen wollten.

Im Englischen gibt es ein schönes Wort dafür: Serendipity. Es beschreibt die zufällige Beobachtung von etwas Nützlichem, nach dem man nie gesucht hatte. Teflon, Röntgenstrahlung, der Klettverschluss oder auch die Entdeckung Amerikas.

Führungskräfte unterschätzen die Ungewißheit … und die egene Frau

Leider hat im Businessleben der Zufall keinen besonders guten Ruf. Die Job-Description von Managern ist eng verbunden mit der Fähigkeit, komplexe Systeme knallhart kontrollieren und steuern zu können. Dabei zeigte der Zusammenbruch der Finanzmärkte 2008 auf dramatische Weise, wie fragil und unberechenbar die Welt des 21. Jahrhunderts ist. Und auch heute noch neigen viele Führungskräfte dazu, ihr Wissen zu überschätzen und unterschätzen dabei die Ungewissheit. Kein Wunder, denn sämtliche Modelle und Gleichungen der Mikro- und Makroökonomie basieren nach wie vor auf einem mechanistischen, berechenbaren Weltbild, das den Zufall ausblendet. Ein Schulfreund von mir ist erfolgreicher Controller und auch privat ein totaler Kontrollfreak: Firewalls, Antivirusprogramme, versichert bis unter die Hutschnur. Alarmanlage. Irgendwann war seine Wohnung ausgeräumt und die Konten geplündert. Von der eigenen Frau.

Je mehr wir ein komplexes System kontrollieren wollen, um planmäßiger trifft uns der Zufall. Großprojekte wie die Energiewende zeigen sehr klar, wie sich Tausende von Menschen, Expertengremien, ganze Planungsstäbe in ihren Vorrausagen komplett ver- und überschätzt haben. Wenn der Berliner Senat vor 13,8 Milliarden Jahren mit der Durchführung des Urknalls beauftragt worden wäre, dann würden die heute noch über die Brandschutzverordnung diskutieren.

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Der Frankfurter Vince Ebert arbeitete als Consultant bei der Unternehmensberatung Ogilvy & Mather Dataconsult sowie als strategischer Planer bei der Werbeagentur Publicis bis 2001, bevor er ins Kabarettistenfach wechselte. 

Youtube-Link zu Vince Eberts „Unternehmensberatung und Marketing“: http://www.youtube.com/watch?v=vukmtp1RJxo&list=PL285F38DCD5C937CC

Vince Eberts Shop:  http://www.vince-ebert.de/docs/einkaufen/shop.php

Vince Ebert wurde 1968 in Amorbach im Odenwald geboren und studierte Physik, arbeitete als Unternehmensberater, bevor er vor 16 Jahren seine Karriere als Kabarettist begann.Seit 2011 moderiert Vince Ebert in der ARD „Wissen vor acht – Werkstatt“.

Seine Bühnenprogramme: „Physik ist sexy“ (2004), „Denken lohnt sich“ (2007) und „Freiheit ist alles“ (2010).  Seine Bestseller „Denken Sie selbst! Sonst tun es andere für Sie“ und „Machen Sie sich frei“! Sonst tut es keiner für Sie“ standen monatelang auf der Bestsellerliste und verkauften sich über eine halbe Million mal. Im Herbst 2013 erschien sein drittes Buch „Bleiben Sie neugierig!“.

Mehr über den ihn: www.vince-ebert.de und auf facebook.com/Vince.Ebert

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