Das Unternehmensstrafrecht soll tot sein? Was für ein Irrtum (Gastbeitrag)

Totgesagte leben länger –  oder: Das Unternehmensstrafrecht lebt. Ein Gastbeitrag von Jürgen Wessing, Wirtschaftsstrafrechtsanwalt und Professor an der Universität Düsseldorf.

 

Jürgen Wessing, Wirtschaftsstrafanwalt

Jürgen Wessing, Wirtschaftsstrafanwalt

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Da geistert ein Irrtum durch die Lande, der eher dem Wunschdenken mancher entspricht denn der Wahrheit: Die GroKo habe das Unternehmensstrafrecht für Deutschland abgesagt, verbreitet so mancher, der es besser wissen könnte.

Stattdessen lebt Gesetzentwurf für ein Unternehmensstrafrecht, den der NRW-Justizminister Thomas Kutschaty in Düsseldorf vorgestellt hat, weiter: Denn der Koalitionsvertrag hat das Bemühen um ein Unternehmensstrafrecht ausdrücklich festgeschrieben – und zwar für multinationale Konzerne.

So heißt es im Koalitionsvertrag auf Seite 145:

„Mit Blick auf strafbares Verhalten im Unternehmensbereich bauen wir das Ordnungswidrigkeitenrecht aus. Wir brauchen konkrete und nachvollziehbare Zumessungsregeln für Unternehmensbußen. Wir prüfen ein Unternehmensstrafrecht für multinationale Konzerne. Das Recht der Vermögensabschöpfung werden wir vereinfachen, die vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten erleichtern und eine nachträgliche Vermögensabschöpfung ermöglichen. Wir regeln, dass bei Vermögen unklarer Herkunft verfassungskonform eine Beweislastumkehr gilt, so dass der legale Erwerb der Vermögenswerte nachgewiesen werden muss. Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen wollen wir unter Strafe stellen.“ (Koalitionsvertrag 2013: 5. Moderner Staat, innere Sicherheit und Bürgerrechte)

 

Es hat sich viel Protest gegen den Entwurf geregt; von grundrechtlichen Erwägungen bis zur angeblichen praktischen Unmöglichkeit wird ihm alles vorgeworfen. Auch wenn in den bisherigen Entwurf nicht alle Gedanken konsequent durchdacht, nicht alle Schwerpunkte richtig gesetzt sind und man sich rechtsdogmatisch sehr wohl darüber unterhalten kann, ob eine solche gesetzliche Reaktion den Titel “Strafrecht“ verdient, wird man in der Zukunft nicht umhin kommen, sich damit zu beschäftigen.

Zumal: Das Unternehmensstrafrecht hat in der Realität der Strafverfahren schon seinen gesetzlich ungeregelten, aber prominenten Platz längst gefunden.

Dann ist es aber allemal besser, den Gedanken aufzugreifen, zu formen, kompatibel mit der derzeitigen Rechtslandschaft zu machen und zu verhindern, dass schlichtweg nur Strafe auf Strafe getürmt wird.

Ich meine also, die Diskussion um ein Unternehmensstrafrecht darf nicht von reiner Abwehr geprägt sein, sondern man muss konstruktive Kritik üben.

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