Wenn Ordnungswahn Millionen kostet – und irreparable Imageschäden anrichtet

Wenn ein Hausmeister in einem Kunstmuseum ein Kunstwerk zerstört, weil er nicht auf die Idee kommt, dass eine Fettecke ein Kunstobjekt sein kann und sie „reinigt“, ist tragisch. Wenn auch trotzdem irgendwie drollig. Aus dessen Sicht musste das Fett weg und die Ecke wieder sauber zu werden. Er hatte nichts Böses im Sinn. Vorwerfbar war aber, dass er diese törichte Aktion in einem Kunstmuseum anzettelte – wo eben typischerweise Kunstwerke stehen. Auch solche, die sich nicht jedem sofort erschliessen. Geschenkt. Der Vorfall war 1986, passierte in Düsseldorf und betraf ein Beuys-Objekt.

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Riesenschäden durch Putzaktionen

Ähnliches passierte mit Beuys Badewanne, die er mit Mullbinden und Heftpflaster beklebt hatte. In dem Fall wollte man Gläser darin spülen, das Ganze passierte 1973 in Leverkusen-Alkenrath im Ortsverein der SPD – aber nicht in den Hallen eines Kunstmuseums. Und schließlich zerschrubbte eine Putzfrau im Museum in Dortmund ein Objekt von  Martin Kippenberger – Versicherungswert: 800 000 Euro.

Doch all diese Fälle toppt der Ordnungssinn der Mitarbeiter der Rabobank in Kerkrade: Sie richteten einen Schaden von mehreren Hunderttausend Euro an – weil sie aufräumen wollten. Wie sie auf die Idee kamen, ausgerechnet den Saferaum aufzuräumen und einen ordentlich abgestellten Koffer aus dem sicheren Saferaum eigenmächtig in den Sperrmüll herauszutragen, ist mir unerklärlich. Denn selbst wenn in dem Koffer Utensilien eines Karnevalsvereins gewesen sein sollten, so sind auch diese tabu für andere Leute.

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Respektlosigkeit vor fremdem Eigentum

Das zum einen. Doch wie man dann, beim Öffnen des Koffers sich anmasst, aus der Lamäng heraus (hochdeutsch: aus der hohlen Hand) zu beurteilen, dass die riesige silberne Kette darin nur ein Karnevals-Blechorden sein könne – und daher in den Augen der Rabobanker keinen Wert darstellt -, ist mir ein Rätsel. Und eigentlich nur zu erklären mit einem ganz erheblichen Mangel an Respekt – zumindest vor fremdem Eigentum. Jedenfalls vor anderer Leute Wertesystem.

Hin wie her, der Irrtum der Rabobank-Angestellten erwies sich als tragisch: Der Kofferinhalt war eine dicke Silberkette aus dem 17. Jahrhundert, die mehrere Hunderttausend Euro wert ist und keinem Karnevalsverein gehört – ganz abgesehen davon, dass auch der Respekt verdient.  Stattdessen gehört er der Schützenbruderschaft St.Sebastianus, die diesen wertvollen Koffer seit Jahren im Tresorraum der Rabobank verwahren ließ. Extra, damit die Kostbarkeit in Sicherheit war, wenn sie nicht auf einer feierlichen Prozession zum Einsatz kam.

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Schätze aus dem Safe direkt in den Sperrmüll

Dass die Bank nun 10 000 Euro Belohnung fürs Wiederbeschaffen des wertvollen Koffers aussetzt, mag ein Versuch sein, den Schaden wiedergutzumachen. Aber wenn sich nun andere Safe-Nutzer der Rabobank Sorgen machen und wieder andere künftig lieber gleich woanders einen Safe anmieten, wäre das verstehbar. Dass man nicht auch ihre Schätze hinter ihrem Rücken an den Strassenrand in den Sperrmüll trägt.

Dass Unternehmen sich vor Putzteufeln und ordnungswahn-geschädigten Angestellten hüten sollten, zeigt der Fall, den ein Top-Kartellrechtsanwalt hier im Management-Blog schon schilderte https://blog.wiwo.de/management/2010/06/26/bloss-nicht-alle-alten-unterlagen-wegwerfen-es-konnte-millionen-kosten-%E2%80%93-wenn-die-firma-verteidigungsunfahig-wird/ : Immerhin konnte in dem Fall das Unternehmen mehrere Millionen Euro Kartellstrafe sparen, weil man Uralt-Unterlage zuhause ebei einem Betriebsrentner auftreiben konnte – nachdem Gläubige der Kehrwoche bei der Übernahme des Unternehmens kurzerhand allen Papierkram vernichtet hatte. Ohne nachzudenken.

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Alte Unterlagen können vielleicht Millionen-Kartellstrafen verhindern

Bei aller Liebe zu aufgeräumten, blitzblanken Schreibtischen und populärem Hass auf Papier, so ist genau dies noch immer genau das Beweismittel, das Unternehmen vor Gericht schützen und vor millionenhohen Strafen schützen kann. Nur dass den Entscheidern und Entscheiderinnen über Vernichtungsaktionen zwecks vermeintlicher Ordnungsherstellung genau diese Funktionen nicht im entferntesten klar sind – und trotzdem bremst keine Führungskraft sie aus.

Einen neuen Stellenwert werden alte Unterlagen bald für Unternehmen bekommen: Die EU-Kommission will die Verjährungsfristen für Opfer von Kartellen auf 15 bis 20 Jahre verlängern – und für fehlende Unterlagen sollen die Richter Strafen verhängen können.

 

http://nachrichten.rp-online.de/regional/bankmitarbeiter-werfen-wertvolles-schuetzensilber-weg-1.3447429

http://www1.wdr.de/themen/panorama/silberschatz102.html


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