Wieso sprach EU-Komissarin Viviane Reding immer nur von Frauen-Quoten für die Aufsichtsräte? Statt für die Vorstände, wo in Wirklichkeit die Luzie abgeht? Und nicht nur für die Kontroll-Gremien. Inzwischen ist es raus, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ wurde die Luxemburgerin konkret: „Damit die unternehmerische Freiheit gewahrt bleibt, möchte ich nicht in das operative Management von Unternehmen eingreifen, sondern mich auf das Kontrollgremium Aufsichtsrat konzentrieren.“
Schaufenstergesetz
Ute Jasper, Partnerin der Kanzlei Heuking Kühn – sie ist eine der 100 Top-Frauen der deutschen Wirtschaft (im Handelsblatt am 16.6. 2010) – findet dafür klare Worte: „Eine Beschränkung auf Aufsichtsräte macht die Quotenregelung zu einem Schaufenstergesetz: Es suggeriert Reformwillen, bewirkt in der Praxis aber keine Änderungen.“ Denn tatsächlich sei kaum eine Frau betroffen. Und Aufsichtsrätin ist kein Hauptberuf – dafür findet man auch ohne Quotenregelung genug weibliche Kandidaten.
Ländergesetze als zahnlose Tiger
Auch die Gesetzesregelungen auf nationaler oder Länder- Ebene entpuppen sich als zahnlose Tiger. Das NRW-Tariftreuegesetz vom 1. Mai 2012 beispielsweise sollte unter anderem die Frauenförderung sicherstellen. Eigentlich. „Doch tatsächlich sind die NRW-Vorschriften zur Frauenförderung mehr Schein als Sein“, kritisiert Jasper. Wenn es im Tariftreue-Gesetz
heißt, Arbeitgeber „sollten“ Maßnahmen zur Frauenförderung „durchführen oder planen“, sind sie damit noch lange zu nichts verpflichtet. Weder Zeitpunkt noch Qualität einer Maßnahme ist vorgegeben. „Der Gesetzgeber lässt Managern freie Hand, ob und wie sie das Thema Frauenförderung praktisch umsetzen“, erläutert Jasper.
Maßnahmen zur Frauenförderung zu planen oder durchzuführen kann bedeuten, eine feste Quote auf der Managementebene einzuführen oder Kinderbetreuungsmöglichkeiten anzubieten. Oder reicht es schon, dass die Firma für – sagen wir mal – das Jahr 2016 einen „Girls Day“ plant?“
Jaspers Fazit: „Die Gesetze zur Frauenförderung in ihrer jetzigen Form werden wenig Wirkung entfalten.“
Vor kurzem kündigte Vivianne Reding eine EU-Richtlinie an, mit gleichen Frauen-Quoten für alle EU-Länder. Damit wären immerhin gleiche Spielregeln für alle gesichert“, meint Vergaberechtlerin Jasper. Liefere in Unternehmen heute einen Omnibus nach Spanien, müsse es Frauenförderung nachweisen – in Deutschland nicht.
Und dass diese Richtlinie kommt, daran hat Ute Jasper keine Zweifel, denn die Entwürfe dafür hat sie schon selbst in der Hand gehabt.
Reding-Interview: http://www.sueddeutsche.de/karriere/eu-kommissarin-zur-quote-es-gibt-top-frauen-fuer-die-wirtschaft-1.1397035
Im obigen Artikel verdeutlicht sich beispielhaft die fortgeschrittene Divergenz zwischen Wirtschaft und weiten Teilen der Politik: Auf der einen Seite die Praktikerin Ute Jasper und auf der anderen eine EU-Kommissarin Reding, bei der frau ohnehin den Eindruck gewinnen könnte, dass sie in ihrem Elfenbeinturm in Brüssel sich kaum noch mit den „Niederungen“ der praktischen Wirtschaft und der Situation von Frauen in den Unternehmen auszukennen scheint.
Gruß aus Zürich,
Gabriele Bauer
Partnerin bei HUNTING/HER HR-Partners
http://www.huntingher.com
Schaufenstergesetz ist hier m.E. nicht der richtige Begriff. Nur geht es bei der derzeitigen Quotendiskussion nicht um Gleichstellung sondern um Macht. Die Gleichstellung ist lediglich das Feigenblatt dieser Gesetzesinitiative. Wäre wirklich Gleichstellung das Ziel, würden Frauenquoten für alle Führungsebenen diskutiert, vom Aufsichtsrat an abwärts über Vorstände, Prokuristen bis hin zur Teamleiterin.
Dann wäre erkennbar eine echte Gleichstellung der Geschlechter das Ziel, da die formale Gleichberechtigung des Grundgesetzes bewiesenermaßen bisher nicht ausreichte.
Eine Beschränkung auf Aufsichtsräte ist eine Beschränkung auf das Thema „Macht“ und treibt die Gleichstellung in den anderen Ebenen allenfalls in einem Zeitraum von Jahrzehnten voran.
Schade, die Ursprungsidee war eigentlich gut.