Exklusiv-Studie: In eigener Sache haben Kanzleien erstaunliche Defizite

„Was fehlt, ist ein Plan“ sagte schon Puh der Bär…und so geht´s auch Professionals, Dienstleistern wie den Anwälten, sogar in eigener Sache. Manche verheddern sich und machen sich selbst zum wichtigsten Sachbearbeiter, andere stehen sich mit ihrer Eitelkeit selbst im Weg. Eine Umfrage, die dem Management-Blog exklusiv vorliegt, zeigt das Dilemma.

 

Dieter Baumert, von der DGPSF * exklusiv im Management-Blog über die offenen Flanken von Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern in puncto Kundenbindung, Akquise und Produktentwicklung

 

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Herr Baumert, Sie machen laut Ihrer neuesten Befragung von 6.000 Professionals – 79 Anwaltskanzleien, Steuerberater- und Wirtschaftsprüferbüros antworteten  – erstaunliche Defizite in der eigenen Unternehmensstrategie aus. Was läuft bei wem falsch?

 

 

Baumert: Was Klienten-Akquise, Kundenbindung und die eigene Produktentwicklung angeht, hat nur jede zweite Kanzlei einen Plan (51 Prozent).

 

…und das ist nicht mal das Schlimmste, was Sie heraus fanden…

 

Baumert: Nein, es kommt noch besser. Es zeigen sich obendrein eklatante Umsetzungsschwächen. Nur 33 Prozent der Antwortgeber wollen noch dieses Jahr irgendwelche zielführenden Maßnahmen ergreifen. Weitere sechs Prozent gehen es gemütlich an und wollen sich dem erst 2013 stellen und handeln.

 

Eigentlich sollten diese Professionals wissen, dass sich Strategien nicht von alleine verwirklichen, weder gute noch schlechte.

 

Baumert: 62 Prozent dieser qualifizierten Berater sagen, dass sie das Thema an sich priorisoieren, ihm als Vorrang einräumen. Da besteht ein großer Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Ausgerechnet den Anwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern fehlt es in eigener Sache an einer Gesamtstrategie. Sie haben oft gute Einzelstrategien, aber was nützt es, wenn eine Kanzlei mit zehn Anwälten lauter guten Einzelstrategien hat?

 

Also bei zehn Häuptlingen hat jeder seine eigene Vorstellung und man setzt sich nicht zusammen, um ein Gesamtkonzept zu erstellen?

 

Baumert: Gerade Großkanzleien mit eigenen Business Devellopern müssen oft die Frontkämpfer zum Jagen tragen, also die Partner und Möchtegernparnter. Akquisition von  neuen Mandanten ist ein ständiger Wettkampf und erfordert nachhaltige aktive Arbeit.

 

Kleine Kanzleien haben solche Funktionen aber gar nicht.

 

Baumert: Dort muss der Anwalt alles selbst sein: Schöpfer von Neugeschäft und Leistungserbringer in einer Person – und er gelangt dann bald an die Machbarkeitsgrenze. Dann setzt das Thema Ressourcenmanagement ein.

Kann er Arbeit delegieren? An Jüngere, die für Klienten zu niedrigeren Kosten arbeiten, so dass sich der Ältere sich konzentrieren kann auf generalstabsmäßige Planung eines in sich schlüssigen Marktauftritts. Schließlich bekommt man Klienten nicht geschenkt, sondern erobert sie im Ellenbogenkampf.

 

Ausgerechnet den Professionals fehlt also das strategische Denken für ihre eigene Zukunft?

 

Baumert: Je größer eine Kanzlei wird, umso mehr braucht sie interne und externe Dienstleister wie zum Beispiel Trendforscher und hat dann Zeit für Arbeit, Akquisition und Kundenbindung. Und damit komme ich zum nächsten Punkt: Wer klug ist, strukturiert sich und legt Selbstdisziplin an den Tag. Doch etliche verheddern sich und verstehen sich selbst als wichtigster Sachbearbeiter.

 

Und dass Berater kein Geld für Berater ausgeben, ist bekannt.

 

Baumert: Ja, und gerade die Professionals haben hohe Renitenz und sind resistent gegenüber  inspirierenden Gedanken wie Innovationen. Mit weniger Arbeit mehr Geld verdienen – das kann man jedoch nicht mit Standardprodukten, sondern muss neue Geschäftsfelder erschließen.

 

Zum Beispiel?

 

Baumert: Generell gesagt: Über heiße Themen nachdenken und überlegen, wie man sie in klingende Münze umsetzt: Compliance zum Beispiel, oder Aufsichts- und Beiräte. Wer in solchen neuen Themen Front Runner ist, schafft sich damit Freiräume für weitere Innovationen.

 

Das erklärt die große Schere zwischen dem Pro-Kopf-Umsatz, den die Law Firms erzielen und dem der kleineren Kanzleien.

 

Baumert: Den höchsten Stundenlohn, den ich kenne, der wird in den USA verlangt – und bezahlt: In den Vereinigten Staaten gibt es einen Insolvenzspezialisten für Chapter 11-Anträge namens Theodore Olson bei Gibson Dunn, dessen Stundenhonorar beträgt 1800 US-Dollar pro Stunde.

Wer überleben will, muss drei Dinge tun: Innovieren, innovieren und wieder innovieren. Sonst ist man Standard und mit 0815-Arbeit kann man bei 160 000 Anwälten in Deutschland nicht überleben.

In der Industrie hat man die Entwicklung, den Vertrieb und die Produktion – und zwar in dieser Reihenfolge. Die Professionals haben ihre Stärken in der Produktion, nicht in Entwicklung oder Vertrieb.

 

Doch sie werfen den Anwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern vor, dass sie die Kunst des Selbstmanagements nicht beherrschen?

 

Baumert: Wer kann sich schon selbst führen? Man muss -zig Aspekte unter einen Hut bringen und alles läuft auf defizitäre Selbstführung hinaus. Schon Management-Guru Peter Drucker sagte, als er noch lebte: Führungspersonen, die sich nicht mal selbst wirkungsvoll führen, dürfen nicht erwarten, dass ihnen das mit ihren Angestellten oder Geschäftspartnern gelingt.

 

Und warum sind die Berater in eigener Sache so beratungsresistent?

 

Baumert: Die Eitelkeit ist das größte Hindernis. Wegen ihr stehen sich Berater selbst im Weg und lassen sich deshalb auch nichts sagen. Diese Einsichten dauern ewig. Es gab unter den Großkanzleien noch vor zehn Jahren welche, die hatten Kanzlei-Namen aus bis zu acht einzelnen Partnernamen. Wenn das mal kein evidenter Beweis für Eitelkeit ist.

 

*Deutsche Gesellschaft für Professional Service Firms : www.dg-psf.de

 

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Alle Kommentare [2]

  1. Nach meiner Erfahrung als (Anwältin, Redakteurin und) Projektentwicklerin an einem anwaltsaffinen Universitätsinstitut müssen Sie sich als Anwaltspartner vor allem fragen: Wenn Business Development in Ihrer Kanzlei Partnersache ist, wie gehen Sie mit den Umsatzeinbußen derjenigen um, die sie ernsthaft und damit zuweilen anstelle der Mandatsbearbeitung im Einzelfall betreiben? Wenn Sie BD an Staffmitglieder und/oder externe Dienstleister auslagern, wie schaffen sie für die Betreffenden geschützte Räume, damit die ihre Zeit auch wirklich mit BD verbringen können und nicht stattdessen in halbgaren Partnerideen und dringenden Handbuchfragebögen ertrinken?

  2. Den Strukturen von Anwaltskanzleien fehlt es in weiten Teilen immer noch an der erforderlichen Mehrdimensionalität, um sich mit den von Dieter Baumert genannten Themen ernsthaft auseinandersetzen zu können. Die Vorstellungswelt der Verantwortlichen ist oftmals begrenzt auf zwei Typen von Mitarbeitern, nämlich Berufsträger und Rechtsanwaltsfachangestellte. Zwischen diesen werden alle anfallenden Aufgaben aufgeteilt. Dabei machen die zugrundeliegenden Ausbildungen diese beiden Mitarbeitertypen sicherlich zu exzellenten Anwälten bzw. Reno’s, aber eben nicht zu exzellenten Marketing-, PR-, BD-, IT- oder HR-Managern. Wahrscheinlich müsste man angehenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten schon an der Universität ein paar Semesterwochenstunden zu den Themen Strukturierung, Management und Strategie von Anwaltskanzleien – gleich welcher Größe – auferlegen und dies nicht den Einführungskursen der örtlichen Anwaltsvereine überlassen. Vielleicht sollte man auch gleich die Ausbildung so überarbeiten, dass man „Business Services“ als Schwerpunktfach wählen kann. In jedem Fall braucht eine erfolgreiche Kanzlei auf allen Positionen exzellente Mitarbeiter, die ihre eigenen Grenzen ebenso kennen wie die Stärken der Kollegen und die sich als ein Team verstehen.