Buchauszug Boris Kaehler: „Führen als Beruf: Andere erfolgreich machen“

Buchauszug Boris Kaehler: „Führen als Beruf: Andere erfolgreich machen“

 

Boris Kaehler (Foto: Privat)

 

10.3. Teamsitzung – Die überschätzte Routine

Zumindest in klassischen Büroberufen werden fast ausnahmslos regelmäßige Teamsitzungen durchgeführt. Leider finden sie vielerorts so häufig und lange statt, dass sie sich zu einer Plage des Geschäftslebens entwickelt haben. Oft steht dahinter der Versuch, individuelle Führungsarbeit durch Führungsarbeit auf der Gruppenebene zu ersetzen. Das aber ist zum Scheitern verurteilt. Die Führungskraft mag der Illusion anhängen, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gesehen und damit auch geführt zu haben, das ist aber nicht der Fall. Einzelgespräche haben eine völlig andere Qualität und andere Inhalte. Auch ist die Kommunikationsform Gruppengespräch für die wenigsten Themen wirklich das optimale Medium.

Jede Wette: Wenn Sie erst einmal anfangen, Ihre Agenda-Punkte daraufhin zu prüfen, ob man sie nicht anders besser bearbeiten könnte, bleibt am Ende nicht mehr viel für die Sitzung übrig. Es gibt durchaus Fälle, Projekte und Unternehmen, in denen Sitzungen in kurzer Frequenz notwendig sind. Im Allgemeinen aber ist es hinreichend, Teamsitzungen etwa monatlich zu veranstalten und so kurz wie möglich zu halten. Einige Organisationen veranstalten Zusammenkünfte an Stehtischen, um die Debattierfreude zu zügeln, das scheint auch gut zu funktionieren. Natürlich haben Sitzungen auch einen sozialen Charakter, man trinkt Kaffee und tauscht sich miteinander aus. Dafür aber könnte man dem Ganzen vielleicht gleich einen anderen Rahmen geben und z. B. gemeinsam frühstücken oder einen Abendumtrunk veranstalten.

 

Mancherorts werden auch die für Meetings anfallenden Kosten ausgerechnet und bekannt gemacht, was allen Beteiligten zu einem sparsameren Umgang mit Ihnen animieren dürfte . In jedem Falle gilt auch hier: Man muss wissen, was man tut und warum. Die Praxistipps in Checkliste 8 können dabei helfen. Zusätzlich sollten bestimmte Teamveranstaltungen bei Bedarf durchgeführt werden (Abschn. 10.8).

 

Checkliste 8: Empfehlungen für Teamsitzungen

(© Boris Kaehler 2025. All Rights Reserved.)

I.    Dabei sein:

Die Teilnahme an den Sitzungen der eigenen Mitarbeitenden ist für Führungskräfte unabdingbar. Die Sitzungsleitung lässt sich aber durchaus delegieren.

 

II.    Keine Einbahnstraße:

Das Leiten von Sitzungen ist als Moderation zu verstehen. Für Anweisungen und einseitige Informationsweitergabe ist die Sitzung in aller Regel das falsche Medium.

 

III.    Klare Regeln:

Hilfreich ist ein Verhaltenskodex für die Teilnehmenden: Pünktlich und vorbereitet kommen, Handys aus, konstruktive Kritik willkommen, Ergebnisorientierung, ausreden lassen.

 

IV.    Agenda:

Für geplante Sitzungen sollte es immer eine Agenda geben, die den Teilnehmern und Teilnehmerinnen im Vorfeld zugeht. Für jeden Agenda-Punkt ist einzeln zu prüfen, ob hierfür wirklich eine Sitzung erforderlich ist und, wenn ja, welches Ergebnis angestrebt wird (z. B. Einbinden der Mitarbeitenden zu Akzeptanzzwecken, Sammeln von Ideen). Themen, die erst in der Sitzung aufgebracht werden und nicht pressieren, können auf die Sammelliste für die nächste Agenda gesetzt werden.
V.    Protokoll: Ein stichwortartiges Ergebnisprotokoll ist obligatorisch, die Festlegung des Protokollführers im Vorfeld erspart unwürdige Auftaktszenen.
VI.    Vorbereiten: Im Vorfeld erarbeitete Diskussionsvorlagen kürzen die Sitzungslänge dramatisch. Es empfiehlt sich, wichtige Entscheidungen bereits vor der Sitzung mit einzelnen Teilnehmenden durchzusprechen und so ihre Unterstützung zu mobilisieren.

VII.    Begegnungen ermöglichen: Eine wesentliche Funktion von Sitzungen ist die Teambildung. Lassen Sie genug Zeit für Smalltalk zu Beginn der Sitzung. Stellen Sie Getränke bereit.

 

VIII.    Rollenverteilung:

Verbessern Sie die Qualität der Diskussion und der Entscheidungen durch klare Vorgaben. Expertenrollen zuzuweisen verhindert, dass sich primär die Inkompetenten mit Sendungsbewusstsein einbringen. Ein „Advocatus Diaboli“ hat die Aufgabe, Gegenpositionen zum Gruppenkonsens zu formulieren. Die Führungskraft hält sich zunächst zurück, um nicht zu beeinflussen. Alle erhalten die explizite Aufgabe, kritisch zu denken und die Ergebnisqualität vor die Gruppenharmonie zu stellen.

 

IX.    Konflikte:

Gehen Sie konstruktiv mit etwaigen Konflikten um. Als Grundsatz gilt: Je besser das Verhältnis, desto offener kann Kritik geübt werden. Bedenken Sie jedoch, dass Kritik, die geeignet ist, das Selbstwertgefühl zu beeinträchtigen, grundsätzlich nur in ein Vier-Augen-Gespräch gehört. Falls offene Konflikte zutage treten, unterbrechen Sie das Redegefecht und sprechen Sie das Problem an (z. B. „Wenn ich zwei Regeln formulieren darf: Wir behandeln einander mit Respekt, und wir lassen einander ausreden.“; „Wenn ich das jetzt von außen auf Video gesehen hätte …“). Machen Sie eine Pause und klären Sie den Konflikt in geeigneter Form außerhalb der Sitzung.

 

X.    Vorwürfe:

Falls Sie als Sitzungsleitung unfair angegriffen werden, wehren Sie sich nicht mit einem argumentativen Gegenangriff, sondern lassen Sie die Gruppe reagieren. „Vielen Dank für Ihre Meinung ‒ was sagen die anderen dazu?“ führt oft dazu, dass die Meinung von Dritten relativiert wird.

 

 

 

Boris Kaehler: „Führen als Beruf: Andere erfolgreich machen“  367 Seiten, 54,99 Euro, Springer Gabler

 

 

 

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