WiWo Topkanzleien Patentrecht 2025 (II): Ein bahnbrechendes EuGH-Urteil beschert international tätigen Patentinhabern Vorteile

WiWo Top-Kanzleien: Die renommiertesten Anwälte im Patent- und Urheberrecht (II)

Der EuGH macht es einfacher und günstiger, Patente einzuklagen. Warum das Erfahrungswissen von Patentrechtsanwälten für die Verteidigungsstrategie immer wichtiger wird.

Foto: Ulf K. /Sepia/WirtschaftsWoche

Der Hausgerätehersteller BSH brachte den Stein ins Rollen: Er verklagte die Konkurrentin Electrolux in Stockholm vor dem nationalen schwedischen Patentgericht. Der Vorwurf: Electrolux verletze das europäische Patent für die Herstellung von Staubsaugern, für das BSH sich in acht EU-Staaten sowie der Türkei und dem Vereinigten Königreich einen Schutz gesichert hatte. BSH klagte auf Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch. Und zwar erstmals für alle zehn Länder auf einmal – obwohl Spanien, die Türkei und Großbritannien keine Mitglieder des Einheitlichen Patentgerichts, des Unified Patent Court (UPC) sind.

Dieser drei Staaten wegen legte das schwedische Berufungsgericht diese Frage dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vor: Dürfen EU-Gerichte sowie das UPC auch für Länder urteilen, die sich mangels Interesse oder – wie Großbritannien – nach dem Ausscheiden aus der EU dagegen entschieden haben, sich an der Vereinheitlichung des Patentschutzes in Europa zu beteiligen?

Der EuGH sollte also klären, ob ein Kläger auch für Nicht-Mitgliedstaaten oder außerhalb des UPC Patente geltend machen darf, auch dort Patentsünder vom Markt drängen oder Schadensersatz fordern kann? Zur großen Überraschung der Experten entschied der EuGH vor einigen Monaten: EU-Gerichte und das UPC dürfen durchaus Urteile fällen für Länder, die sich ihm nicht angeschlossen haben, ja, sogar für Staaten, die nicht Mitglied der EU sind, wie etwa Norwegen oder die Schweiz. Insgesamt gelte dies für die 39 Mitgliedstaaten des Europäischen Patent-Übereinkommens (EPÜ), dem auch alle 27 EU-Mitgliedstaaten angehören, zeigt Patentrechtsanwalt Andreas von Falck von Hogan Lovells die Folge auf. „Dass Gerichte zuständig sind für Fragen außerhalb ihres Hoheitsgebiets und ihre territoriale Reichweite so vergrößern, sehen viele als übergriffig an“, sagt Anton Horn, Patentrechtsanwalt bei Heuking.

Foto: WirtschaftsWoche

Deutsche Richter am beliebtesten International tätigen Unternehmen bringt die Übergriffigkeit der Richter in Luxemburg allerdings einige Vorteile: Klagen beim UPC, die seit etwas mehr als zwei Jahren möglich sind, bedeuten weniger Aufwand und damit auch geringere Kosten, als den Patentschutz in jedem der 18 Mitgliedstaaten einzeln einzufordern. Schon jetzt sind am UPC mehr als 1000 Fälle anhängig.

Und es werden in Zukunft eher mehr, wie Patentrechtsexperte Ulrich Blumenröder von der Kanzlei Grünecker prognostiziert – nicht zuletzt aufgrund der EuGH-Entscheidung. Ihm, wie vielen weiteren Juristen im Ranking der WirtschaftsWoche-Top-Kanzleien, beschert das Grundsatzurteil etliche neue Aufträge – vor allem aus dem Ausland.

Der Hauptsitz des UPC mit dem Gericht erster Instanz und der Zentralkammer befindet sich in Paris, das Berufungsgericht in Luxemburg. In den 18 Mitgliedstaaten gibt es 14 Lokal- und Regionalkammern. In Deutschland allein sind es vier: in München, Hamburg, Mannheim und Düsseldorf. Deren Verfahrenssprache ist Englisch in Kombination mit Deutsch. Wer eine Klage am UPC einreicht, kann den Ort dafür wählen – zwischen den Kammern eines Mitgliedstaates, in dem das Patent verletzt wurde oder in dem das beklagte Unternehmen einen Sitz hat. Viele Unternehmen entscheiden sich dabei besonders häufig für deutsche Patentrichter, wie eine Analyse der Kanzlei Grünecker zeigt: 76 Prozent aller Verfahren am UPC werden an einer deutschen Lokalkammer geführt, München und Düsseldorf liegen dort wiederum vorn.

Vor allem den Service der Patentgerichte in Deutschland und der hiesigen UPC-Kammern wissen Unternehmen schon lange zu schätzen. Sie fällen Entscheidungen nämlich deutlich schneller als nationale Gerichte in anderen Ländern, erklärt von Falck. Und die Prozesse sind zudem sehr billig.

Zum Vergleich: In Großbritannien kostet ein Patentverletzungsprozess selbst bei kleineren Verfahren 1,5 bis 2,0 Millionen Pfund (umgerechnet 1,7 bis 2,3 Millionen Euro), in Deutschland zwischen 200.000 und 400.000 Euro, rechnet Anwalt Gisbert Hohagen von der Kanzlei Taylor Wessing vor. Noch teurer sei es in den USA, wo die Verfahren mindestens 5,0 Millionen US-Dollar (4,2 Millionen Euro) kosten.

Obendrein sind Patentprozesse für Unternehmen hierzulande erfolgversprechender. Die deutschen Richter haben den Ruf, freundlich gegenüber Patentinhabern zu urteilen – anders als zum Beispiel Spanien, sagt Anton Horn von Heuking. „Andere Länder außerhalb der EU“, mutmaßt auch Anwalt Hohagen, „dürften über die EuGH-Entscheidung nicht beglückt sein.“

Womöglich, so spekuliert er, würden diese nationalen Gerichte außerhalb der EU sich nun selbst für international zuständig erklären und grenzüberschreitend über Patentverletzungen urteilen. Insbesondere die Briten dürften daran Interesse haben. Ihre Patentprozesse, eben in London zehnmal so teuer wie am UPC, werden auf der Insel als wichtige Einnahmequelle betrachtet.

 

 

 

 

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