(Foto: C.Tödtmann)

Teure Post

Was Geschäftsführer tun können, um bei Insolvenz ihrer Firma persönliche Haftung zu vermeiden

(zuerst erschienen in der WiWo 24/2025)

Der Schock ereilte ihn per Post. Als der ehemalige Geschäftsführer einer Maschinenbaufirma an diesem Samstagmorgen seinen Briefkasten leerte, war sein Wochenende gelaufen: Der Insolvenzverwalter seines Ex-Arbeitgebers schrieb ihm, er solle binnen 14 Tagen 300.000 Euro Schadenersatz überweisen. Der Manager habe die Insolvenz der Firma zu spät angemeldet und hafte nun dafür.

Maximilian Pluta, der als Restrukturierungsanwalt die Firma berät, kennt diverse Fälle, in denen Geschäftsführer für die verspätete Insolvenz ihrer Firma verantwortlich sein sollen – und die oft einen jahrelangen Rechtsstreit nach sich ziehen. Pluta zählt zu den renommiertesten Insolvenzanwälten, er schaffte es in das WirtschaftsWoche-Topkanzlei-Ranking (siehe Tabellen Insolvenzrecht und Restrukturierung). Die Geschäfte der Insolvenz- und Restrukturierungsanwälte laufen gut, heißt es aus den Anwaltskanzleien: In der Rezession gehen immer mehr Firmen pleite.

Laut Statistischem Bundesamt gab es im Februar zwölf Prozent mehr Insolvenzen als im Vorjahresmonat. Im Jahr 2024 insgesamt waren es sogar 22 Prozent mehr als noch 2023. Und mit der Zahl der Insolvenzen wachsen auch die Risiken für Geschäftsführer. Weltwirtschaftliche Turbulenzen drücken die Einnahmen, die Banken werden vorsichtiger, lehnen Kredite auch mal überraschend ab. Das erschwert es den Geschäftsführern von notleidenden Unternehmen, einen Zwölf-Monats-Plan für die Liquidität der Firma aufzustellen, wozu sie das Insolvenzgesetz verpflichtet – und zwar ab dem Moment der drohenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

Der Insolvenzverwalter muss alles checken – im Nachhinein

„Der häufigste Vorwurf ist im Nachhinein, der Geschäftsführer habe den Insolvenzantrag zu spät gestellt“, sagt Martin Tasma, Restrukturierungsanwalt bei Hengeler Mueller, der ebenfalls im Ranking der WirtschaftsWoche-Topkanzleien vertreten ist. Der Insolvenzverwalter prüft dann, ob der Geschäftsführer noch Rechnungen freigegeben hat, als diese mangels Liquidität nicht mehr hätten bezahlt werden dürfen.

Wer zu lange zahlt, schädigt die Gläubiger und muss dann persönlich Schadenersatz leisten. Es darf kein Geld mehr überwiesen werden, wenn nicht mehr genug Vermögen vorhanden sei, um die Firma abzuwickeln – und gleichzeitig die Finanzierung für zwölf Monate nicht mehr sichergestellt sei, sagt Pluta. Oder auch, wenn für alle fälligen Rechnungen nicht mehr genug Geld auf den Konten vorhanden sei.

Die entscheidende Frage lautet somit: Wann müssen die Manager den Insolvenzantrag bei Gericht stellen? Diese zu beantworten, ist allerdings alles andere als einfach. Gerade in unvorhersehbaren Zeiten müssen Geschäftsführer ihre Finanzplanung auf viele Annahmen und Prämissen stützen. Die können in einem Moment vernünftig erscheinen. Doch kommt es zur Pleite, finden Richter in der Rückschau Argumente dafür, warum die Annahmen unrealistisch oder überoptimistisch gewesen sein könnten, beschreibt Anwalt Tasma das Dilemma.

Ein Krisentagebuch anlegen, um sich zu schützen

Er berichtet von einem Manager, der erwartet hatte, dass seine Bank in sechs Monaten einen weiteren Kredit gewähren würde. Doch die Bank forderte stattdessen plötzlich den laufenden Kredit zurück. Pluta rät: „Um Jahre später im Prozess beweisen zu können, dass man sorgfältig alle Aspekte bedacht hat, sollte man alle Entscheidungen taggenau wie ein Krisentagebuch dokumentieren.“ In die täglich festgehaltene Planung gehörten das erwartete Umsatzvolumen, zugrunde gelegte Kostenannahmen und die Skizzierung des wirtschaftlichen Umfelds, in dem die Entscheidungen getroffen wurden.

Die Staatsanwaltschaft bekommt automatisch die Insolvenzanträge

Was die wenigsten Betroffenen wissen: Die Gerichte leiten alle Insolvenzanträge an die Staatsanwaltschaft. Die muss prüfen, ob Insolvenzverschleppung vorliegt, sagt der Strafrechtler André Szesny von Heuking. Bestätigt sich der Verdacht, drohen Geldbußen, Berufsverbot oder gar Gefängnis. Die Managerhaftpflichtversicherung zahlt keinen Cent, sollte die Verschleppung vorsätzlich herbeigeführt worden sein. Wo Staatsanwälte im Nachhinein die Grenze zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit ziehen, ist unklar. Gut für Manager sei es, früh Insolvenz anzumelden, um ihr eigenes Haftungsrisiko zu senken. Die Firma kann das aber in die Abwärtsspirale ziehen. „Gerade Inhaber verzögern die Insolvenzanmeldung oft viel zu lange, weil sie bis zuletzt an die Rettung der Firma glauben“, sagt Pluta. Für sie stehe oft alles auf dem Spiel, wenn ihr ganzes Vermögen im Unternehmen steckt.

Lesetipp: Gastronom und Fernsehkoch Alfons Schuhbeck wurde u.a. wegen Insolvenzverschleppung verurteilt.  Schuhbeck-Urteil: Vier Jahre und drei Monate Haft für Star-Koch | BR24