Wenn die Telefone schon abgehört werden
Eine ganz schlechte Idee ist es, während einer Razzia im eigenen Unternehmen Mitarbeiter anzurufen und sie zu bitten, schnell irgendwelche Ordner verschwinden zu lassen. Das erzählt Strafverteidiger André Szesny bei einem Teller Kürbissuppe, er hat es oft genug erlebt. Denn was die wenigsten wissen: Bei Durchsuchungen würden oft Telefone abgehört und dann auch alle gleichzeitig. Das passiere häufig, weil die Telefonüberwachung technisch heute so einfach ist – auch wenn die rechtlichen Anforderungen hoch seien. Überhaupt sollten Unternehmensangehörige Telefonate während einer Durchsuchung lassen. Das könne nur Missverständnisse auslösen, die später schwer aufzulösen seien, erzählt der Anwalt der Düsseldorfer Kanzlei Heuking weiter.

André Szesny (Foto: C. Tödtmann)
Geschäftsführer in Panik
Einer seiner Höhepunkte war, als ein Geschäftsführer einer Firma einen Zettel aus einem Notizblock herausriss, ihn zerknüllte, in den Mund steckte und aufaß. Die Ermittler bekamen es nicht mit. Hätten sie es gesehen, wäre er in U-Haft gelandet. Denn dann hätte die Staatsanwaltschaft Verdunklungsgefahr bejaht. Was auf dem Zettel stand, erfuhr er nie. Vermutlich war das Ganze eine Panikreaktion, meint der Düsseldorfer.
Dieser Manager war aber eher die Ausnahme. Geschäftsführer und Vorstände neigen nämlich ausgerechnet in dem Moment dazu, sich plötzlich bei einer Razzia gegenüber Beamten zu erklären oder zu rechtfertigen. Sie hätten vermutlich das Bedürfnis, Dinge klarzustellen oder zu rechtfertigen. Weil sie schließlich das verantworteten, was im Unternehmen geschieht.
Einfach mal die Klappe halten
Clever sei das nicht. Die Beamten vor Ort sind meistens nicht so tief in der Materie, dass sie überhaupt etwas davon einordnen könnten, was ihnen da gerade erzählt wird. Im übrigen führten solche Äußerungen in dieser Situation nur zu Missverständnissen und können erheblichen Schaden anrichten, sagt Szesny. Betroffene sollten einfach nur schweigen ist, so sein Rat.
Dumm ist es auch, wenn die eigenen Aufzeichnungen von Mitarbeitern die Staatsanwaltschaft mit der Nase drauf stoßen, was unkorrekt war: Etwa wenn in einem Papier-Kalender eines Vertrieblers das Wort „Black Money“ und der Name eines Kunden auftaucht. Das sei natürlich blöd, so der Strafverteidiger.

(Foto: C.Tödtmann)
Wer schuld ist an Betriebsunfällen
Und dann erzählt Szesny von seinen Einsätzen in Unternehmen, in denen Betriebsunfälle passiert sind. Bei denen unklar ist, ob Manager, Vorgesetzte oder Sicherheitsbeauftragte Pflichten verletzt und sich womöglich strafbar gemacht haben könnten. Wenn Betriebs- oder Werksleiter vielleicht keine Unterweisungen gemacht und für die richtigen Schulungen gesorgt haben, damit die Arbeitnehmer wissen, was sie zu tragen haben, wo sie entlang laufen dürfen und worauf sie achtgeben müssen.
Dann muss der Anwalt einen Helm und Sicherheitsschuhe anziehen, wenn er durch Fabrikhallen laufen und Hergänge rekonstruieren muss. Um nachzuvollziehen, wo man etwa in Stahlbetrieben oder Röhrenlagern entlanglaufen darf, wo die Straßen für Gabelstapler sind, die Transportwege für LKWs und wo Fußgänger entlang laufen dürfen. Oder ob die Arbeitsanweisungen stimmten, es Aushänge, Compliance-Richtlinien, Warnschilder vor Ort gibt und Gefahrenaufklärung samt Sicherheitsunterweisungen.
Wenn Schulungen darauf abzielen, dass man gute Kumpel verpfeift
Haben die Verantwortlichen nämlich nicht für die nötige Sicherheit gesorgt, muss die Berufsgenossenschaft auch nicht im Fall der Fälle einspringen. Selbst diese Schadensbeträge kann die Firma dann womöglich von den Verantwortlichen als Schadenersatz fordern. Und weil diese Einsätze in produzierenden Unternehmen gar nicht so selten sind, hat Szesny mal zu Weihnachten jedem in seinem Team bei Heuking schon mal eigene Sicherheitsschuhe geschenkt. Damit die Kollegen bei ihren Einsätzen nicht in ausgeliehenen Tretern durch die Betriebe laufen müssen.
Wichtig sei, dass die Kollegen untereinander mit Verantwortung aufeinander achten. Immer mehr Compliance-Schulungen zielten darauf ab, dass Mitarbeiter Bescheid geben sollen, wenn etwas nicht stimmt, erzählt Szesny. Misslich sei nur eins: Dass es dann für die Arbeitnehmer am Ende oft auf die eine Frage hinausliefe: Verpfeife ich einen guten Kumpel?
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