Eine Falafel-Bowl mit Kartellrechtsanwalt Kaan Gürer von Linklaters, der bei Mandanten auch schon mal Möbel rücken muss

Eine Bowl mit Kartellrechtler Kaan Gürer von Linklaters

 

Dass sich Kaan Gürer von einem LKA-Beamten bei einer Kartelldurchsuchung in einem Unternehmen  abschütteln ließ, das sei ihm nur einmal passiert. Ganz am Anfang seiner Anwaltskarriere, bei seiner ersten Razzia, erzählt der Anwalt von Linklaters. . Von jetzt auf gleich kam damals der Anruf in die Kanzlei, dass das Bundeskartellamt bei einem Mandanten mit fünf Vans mit Bonner Autokennzeichen angerückt war und die LKA-Beamten die Büroräume bereits durchsuchten. In dem Moment wird jeder Kartellrechtsanwalt gebraucht, um dorthin zu eilen, und zwar schnell. Schließlich sorgt so ein Polizeieinsatz mit den LKA-Beamten, die gerne ihre Halfter mit Pistolen aufblitzen lassen, für helle Aufregung in den Unternehmen.

 

Kaan Gürer (Foto: C.Tödtmann)

 

Bluffen und abschütteln

Der Beamte, auf den Gürer acht geben sollte, sagte nach einiger Zeit, er müsse zum WC. Doch zurück kam er daher nicht mehr. Er hatte Gürer geblufft. Einfach abgeschüttelt. Das war genau das, was einem Shadower nicht passieren darf. So werden die Anwälte der Unternehmen genannt, die sich während einer Razzia an die durchsuchenden Beamten tackern müssen. Je Anwalt ein Beamter und auf den muss er aufpassen. Wonach der sucht. Was er sagt, wenn er mit seinen Kollegen telefoniert? Was er abfotografiert, undsoweiter.

 

Aufpassen reicht nicht. Was der Shadower erfährt, muss er obendrein versuchen, den anderen Anwälten vor Ort mitzuteilen. Denn typischerweise wissen die Juristen in diesem Moment nicht, was die Beamten in der Hinterhand haben. Aus anderen Razzien etwa oder von Whistleblowern. Jede Erkenntnis hilft weiter.

 

Den Atem des Anwalts im Nacken spüren

Er hatte damals noch Hemmungen, erinnert sich der Kölner. Er hätte eigentlich den Beamten zum WC begleiten müssen und sich davor postieren. Das braucht auch nicht mal unauffällig geschehen. Im Gegenteil, der Beamte „soll den Amten des Anwalts im Nacken spüren“.  Hemmungen darf ein Wirtschaftsanwalt dann nicht haben.

 

Falsche Fährten legen

Gürer musste auch lernen, dass die LKA-Beamten bei der Durchsuchung für die Anwälte falsche Fährten legen. Wenn sie miteinander sprechen und zum Beispiel laut genug erwähnen, dass als nächstes die Büros der Firma in Essen durchsucht werden sollten – tatsächlich aber weiter in deren Büros nach Köln fahren. Erst 45 Minuten später kamen die Anwälte deshalb dort an. Es ist immer ein Katz-und-Maus-Spiel, erzählt Gürer.

Irreführen dürfen die Beamten, nicht aber Anwälte

Doch klar ist: Stören dürfen Anwälte so eine Durchsuchung nicht. Und auch nicht die Beamten irreführen und sie zum Beispiel in den Keller statt in die Vorstandsräume zu schicken. So wie die Mitarbeiter, die den Beamten ihre Passworte herausrücken müssen. Gürer selbst habe es noch nicht erlebt, aber bei manchen Razzien schreddern Mitarbeiter noch währenddessen Akten und vernichten Beweise, erzählt er.

 

Auch die Frage, ob man später vielleicht die Durchsuchung mit juristischen Mitteln  angreift, gehört zur Taktik und will vorbereitet sein. Vielleicht will der Mandant sich ja später doch noch mit dem Kartellamt einigen und eine Reduzierung des Bußgelds aushandeln? Dann dürfen die Anwälte es sich nicht gleich verderben mit den Beamten. Und genau damit spielen die Beamten auch, sagt Gürer. Weil sie es wissen.

Und dann gibt es noch die Durchsuchungsbeamten, die ihre Grenzen übertreten, wissentlich. Eigentlich dürfen sie nur Sachfragen stellen, wo welche Unterlagen aufbewahrt werden beispielsweise. Aber sie dürfen kein Schuldeingeständnis provozieren. Tatsächlich stellen sie den Mitarbeitern der Firma dann aber Fangfragen wie „Wo finden ich den Ordner mit der XY-Vereinbarung? Und versuchen so, sie reinzulegen.

 

Wenn Anwälte abends die Möbel rücken

Wenn eine Durchsuchung ein und desselben Standorts mehrere Tage dauert, versiegeln die Beamten nachts die Räume. Als dieses Siegel beim Konzern Eon vor vielen Jahren mal zerbrochen wurde, musste das Unternehmend dafür 38 Millionen Euro Strafe zahlen, erzählt Kartellrechtler Gürer. Damit das nicht passieren kann, filmen sich die Linklaters-Anwälte gegenseitig, wie sie Tische vor versiegelte Räume schieben und das Ganze mit einem eigenen Linklaters-Siegel zupappen. Manchmal werde auch noch ein Wachmann engagiert, der die Nacht davor verbringe, erzählt er.

 

Diskretion ist höchstes Gebot

Und noch etwas müssen die Anwälte sicherstellen: Sie müssen den Mitarbeitern des Unternehmens einschärfen, dass sie auf gar keinen Fall jetzt die Wettbewerber anrufen. Ihnen von der Razzia erzählen und sie warnen. Die Devise: Nichts von den Durchsuchungsgeschehnissen darf nach außen dringen. Denn andernfalls kann der eigene Mandant vielleicht nicht mehr der Hauptkronzeuge werden, der ganz straffrei ausgeht, wenn ein anderer Kartellbeteiligter schneller ist – und als erster dem Bundeskartellamt anzeigt, dass er kooperieren will. Das kann die Firma dreistellige Millionenbeträge kosten.

 

Falafel-Bowl (Foto: C.Tödtmann)

 

 

 

 

 

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