Buchauszug Anne Schüller: „Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter“

Buchauszug Anne Schüller: „Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter“

 

 

Anne Schüller (Foto: PR/Gabal Verlag)

 

 

Bla, bla, Etikettenschwindel und Absichtsgedöns

Klimaneutral bis 2030 oder 2040? Papier ist geduldig und die Zielzahl
klingt rund. Wem es ernst ist, schreibt besser 2029 oder 2039, das
wirkt kalkuliert – und Sie sind der Konkurrenz um ein Jahr voraus.
Runde Zahlen hingegen tönen verdächtig: nicht aufgrund konkreter
Aktivitäten berechnet, nur dahingesagt. Und so ist es dann auch: Viel
wird versprochen, doch wenig passiert. In Wirklichkeit haben ganze
Industriezweige kaum Interesse daran, dass sich etwas ändert, weil
das ihrem Profit schadet. Greenwashing ist insofern ein glasklares Zeichen
dafür, hintendran zu sein, Trends verschlafen zu haben oder wie
bisher weitermachen zu wollen. Statt in eigene Nachhaltigkeit zu investieren,
werden Millionen in verlogene Werbung gesteckt. Willige
Agenturen, die die hinterlistigsten Täuschungsmanöver ersinnen, gibt
es anscheinend genug. Die Deutsche Umwelthilfe vergibt jährlich den
Schmähpreis »Goldener Geier« für die dreisteste Umweltlüge. Votet
gerne mit. Und vor allem: Kauft nicht bei solchen Betrügern. Es gibt
ehrliche Alternativen.

Unverfrorenes Greenwashing hat viele Gesichter. Seitenweise könnte
ich Beispiele nennen. Nehmen wir den Gewinner des Goldenen Geiers
2023: Eine internationale Fast-Food-Kette bewirbt ihre Einwegverpackungen
als »beautiful« und umweltfreundlich. Dabei hat sie bundesweit
allein im Jahr 2021 einen Müllberg von mehr als 44.000 Tonnen
produziert. Dennoch hat sich die Geschäftsleitung zusammen mit der
Marketingabteilung und unredlichen Werbern dazu entschlossen, mithilfe
eines enormen Budgets den Markt und die Kundschaft für doof
zu verkaufen. Dass das Unternehmen auch anders kann, zeigt sich in
Frankreich. Gesetzlichen Regelungen folgend setzt es im Nachbarland
auf Mehrweg beim Vor-Ort-Verzehr.20 Geht doch! Offensichtlich aber
leider nur dort und erst dann, wenn der Gesetzgeber einen dazu zwingt.

Vielerorts müsste sich das Kerngeschäft wandeln, doch das tut es nicht.
Der nötige Umbau wird immer weiter nach hinten verschoben, weil
jetzt Ergebnisse erzielt werden müssen. Das nächste Quartal steht vor
der Tür, und alle müssen rödeln, um eine Punktlandung auf Planvorgaben
zu schaffen. Dann noch ein Quartal. Und noch eins. Ständig gibt
es Ausreden, wieso man sich »grad noch nicht« damit befassen kann.
Wenn dann die Gewinnspannen sinken, kommen Investitionen für
den Umweltschutz nicht mal mehr in Betracht. Nun fehlt das nötige
Geld, weil man immer mehr hinten dran ist.

Später heißt in Hochgeschwindigkeitszeiten sehr schnell »zu spät«.
Früher ging bei traditionellen Unternehmen das Licht aus, weil sie die
digitale Transformation vertrödelt haben, fortan gehen sie unter, weil
sie die grüne Transformation verschlafen. »Was passiert, wenn wir
weiterhin zögern?«, müsste sich demnach jeder Anbieter fragen. Doch
weit gefehlt. Vor allem die Großen versuchen, bestehende Geschäftsmodelle
so lange wie möglich zu schützen. Mithilfe dubioser Studien
und durch den Masseneinsatz von Lobbyisten behindern sie gezielt
neue Wirtschaftsweisen. Dies führt dann dazu, dass die notwendige
Transformation auch auf politischer Ebene ins Stocken kommt, dass
jede Menge Schlupflöcher offenbleiben und wertvolle Zeit tatenlos
verstreicht.

In Nachhaltigkeitsberichten wird ausgiebig über Klimaschutz fabuliert
und eine »grüne« Maske übergestreift, doch die Emissionen steigen
vielerorts, statt zu sinken. So wollen 655 von 685 der Unternehmen,
die Erdöl und Erdgas fördern, ihre fossile Produktion ausbauen und
neue fossile Quellen erschließen, ergab eine Analyse der Nichtregierungsorganisation
Urgewalt.21 Zwar werden öffentlichkeitswirksam
hehre Klimaziele verkündet, doch hinterrücks wieder zurückgenommen.
Der, für den die Energiewende geschäftsschädlich ist, wird sie
so lange wie möglich blockieren. Wer mehr dazu wissen will, dem sei
Claudia Kemferts Buch Schockwellen empfohlen.

Branchenspezifische Einzelfälle? Weit gefehlt! Der Corporate Climate
Responsibility Monitor 2023 hat die Klimaschutzpläne von 24 weltweit
tätigen Großunternehmen, die sich selbst als Klimaführer bezeichnen,
durchleuchtet und kam zu dem Schluss, dass nur fünf der
untersuchten Konzepte tragfähig waren. Die übrigen Unternehmen,
alles klingende Namen, nutzten vage oder schlichtweg irreführende
»Netto-Null«-Zusagen, um sich grün zu waschen.22 Zum Beispiel rechnen
sie die Emissionen ihrer Lieferketten nicht ein. Oder sie verkaufen
ihre klimaschädlichen Aktivitäten, lassen also die Drecksarbeit andere
machen, um selbst besser dazustehen. Oder Neuware wird geschreddert,
jedoch als Recycling gelabelt. Solches Vorgehen ist unverfroren
und sträflich.

Weitläufig werden die ökologischen Folgeschäden vernebelt. Zum
Beispiel favorisiert die industrielle Landwirtschaft Einheitssorten und
Monokulturen, und beides sind, wie wir längst wissen, Einfallstore für
Schädlinge aller Art, mit deren Vernichtung sich wiederum Geschäft
machen lässt. Ein Teufelskreis. Doch darüber schweigt man sich aus.
Die Zukunft der Nachhaltigkeit hat begonnen 51

Oder es werden Zweifel gesät und Falschaussagen gezielt in Umlauf
gebracht. So hat die Global Climate Coalition, eine Lobbyorganisation,
die von internationalen Großunternehmen finanziert worden ist, jahrelang
den Klimaschutz mit erheblichen Mitteln, großem Aufwand
und unverfroren mit Lügen bekämpft, um ihre Eigeninteressen und
das Kapital zu schützen, das in ihren klimaschädlichen Technologien
gebunden ist. Ihre systematischen Fehlinformationen hallen bis heute
nach und geben Klimaskeptikern noch immer Nahrung. Denn das ist
das Übel bei Fake News: Irgendetwas bleibt immer hängen.

Ankündigungsmarketing, Desinformation, Schönfärberei: Für manche
Marktplayer immer noch völlig normal. Oft kleidet sich das Böse in ein
harmloses, sittsames, beinahe hübsches Gewand. So ist das, was ein
Agrochemieriese Pflanzenschutzmittel nennt, in Wahrheit Gift, das alles
Leben zerstört – mit Ausnahme des im gleichen Haus produzierten
genmanipulierten Saatguts. Damit werden, wo einst prächtiger Regenwald
stand, riesige Einheitsfelder besät. Die Ernte daraus, die angeblich
den Hunger in der Welt stillen soll, wird in der Massentierhaltung
verfüttert. Ihre Ackergifte verkaufen sie weiter an Länder, in denen
diese noch nicht verboten sind. Über die Nahrungskette gelangen diese
dann doch in unsere Körper. Die nach wenigen Jahren ausgelaugten
Böden werden nicht, wie es wohlklingend heißt, renaturiert, sondern
verkommen zu Ödland, auf dem rein gar nichts mehr wächst. Im
Schlepptau dessen haben indigene Völker ihre Heimat und Kleinbauern
überall auf der Welt ihre Existenzgrundlage verloren. Unmengen
von Bienenvölkern, anderen Insekten und Nutzpflanzen wurden ausgerottet.
Millionen von Menschen sind gestorben, auch durch Freitod,
weil sie nichts mehr zum Leben hatten.

 

Anne Schüller: „Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter“, Gabal Verlag 29,90 Euro, 232 Seiten 

 

Ein Unternehmen wird an seinen moralischen Statements gemessen.
Üble Machenschaften pudern und schminken? »Just lipstick on a pig«
nennt man das. Am verwerflichsten finde ich die, die der Umwelt wissentlich
schaden und dann diejenigen verklagen, die solches Vorgehen
öffentlich machen. Der Sieg ist den Klägern dabei völlig egal, meist ist
er von vorneherein aussichtslos. Vielmehr sollen aufwendige Prozesse
die Beklagten (Autoren, Verlage, Journalisten, Medien, Aktivisten,
NGOs) einschüchtern und mundtot machen. Leider sind das keine
Einzelfälle.

Doch die Öffentlichkeit wird davon hören. Vieles wird sich wie ein
Lauffeuer verbreiten. Jeder Mitarbeitende kann im Web darüber berichten,
was hinter den Kulissen tatsächlich läuft. »Grüne« Vorgaukeleien
werden enttarnt, Pseudoaktionen eiskalt überführt. Keine noch
so gut gemachte Schönwetterkampagne kann auf Dauer darüber hinwegtäuschen,
was ein Anbieter in Wirklichkeit treibt. Klimaneutralität?

Wird als reine Behauptung entlarvt. Obskure Zertifikate? Als moderner
Ablasshandel demaskiert. Bio-Fakes, zweifelhafte Öko-Siegel,
gekaufte Testergebnisse, frisierte Qualitätskontrollen, bestochene Gutachter,
Mogelpackungen, die Lügen der Protagonisten in Werbeclips:
Nein, danke. Mit Schmuddelkindern spiele ich nicht.
Greenwashing ist unternehmerisches Fehlverhalten und eine kommunikative
Idiotie. Es zerstört Vertrauen und schreit geradezu nach einem
Shitstorm. Das sind doch alles kluge Leute in den Kommunikationsabteilungen
der Unternehmen, sollte man meinen, wieso machen die
das? Ein guter Ruf entsteht nicht durch unredliche Imagekampagnen,
sondern durch eine aufrichtige Haltung und wahrhaftiges Handeln.

 

Wie man den ökologischen Fußabdruck misst

Der ökologische Fußabdruck erfasst die Summe aller Emissionen eines
Untersuchungsobjekts. Das kann ein Produkt, eine Dienstleistung, ein
einzelner Mensch, ein Haushalt, ein Unternehmen, ein geografischer
Ort oder ein ganzes Land sein. Er beinhaltet alle Gase, die zur Erderwärmung
beitragen, neben CO2 auch Lachgas und das 80-mal klimaschädlichere
Methan, das in großen Mengen durch den Abbau von
Erdgas und durch rülpsende Rinder entsteht. Jedoch bleibt Methan im
Schnitt nur etwa zwölf Jahre in der Atmosphäre, während CO2 selbst
nach 1000 Jahren noch nicht vollständig abgebaut ist.23 Wollen wir
also die Erderwärmung rasch stoppen, wirkt eine schnelle Methanemissionsreduktion
wie ein kräftiger Tritt aufs Bremspedal. Leider setzen
Verrottungsprozesse, die durch das Auftauen der Permafrostböden
entstehen, neben CO2 auch Unmengen von Methan frei. Zugleich werden
gefährliche Viren und Bakterien in die Luft abgegeben. So brach
vor einigen Jahren in Sibirien Milzbrand aus.

Zurück zum ökologischen Fußabdruck. Er wird nicht gemessen, sondern
errechnet, in aller Regel für einen Zeitraum von einem Jahr. Wir
unterscheiden zwischen:
▪ Scope 1: alle direkten Emissionen eines Unternehmens,
etwa durch eigene Anlagen, Einrichtungen, Fahrzeuge und
Produktionsverfahren
▪ Scope 2: alle indirekten Emissionen, die etwa durch zugekaufte
Energie entstehen
▪ Scope 3: alle übrigen Emissionen, die durch vor- und nachgelagerte
Prozesse entlang der Lieferkette und bei den Kunden
entstehen, etwa durch bezogene Güter und Dienstleistungen,
Geschäftsreisen und Retouren

Besonders wichtig ist, dass sich die Marktplayer auch bei Scope 3 verantwortlich
zeigen und dort ihre bisherigen Lücken schließen, da
60 bis 80 Prozent aller Emissionen auf Scope 3 entfallen. Erfahrene
Dienstleister helfen dabei. Entscheidend ist die Vollständigkeit. Werden
versehentlich oder gar willkürlich Positionen ausgelassen, führt
das zu falschen Zahlen und damit zu einer Irreführung der Öffentlichkeit.
Nach der Erfassung wird eine Strategie zur Emissionssenkung entwickelt.
Das Nahziel ist Netto-Null. Das bedeutet nicht, keinerlei Emissionen
mehr zu erzeugen. Der Netto-Nullpunkt definiert die Balance zwischen
der Menge an Treibhausgasen, die produziert wird, und der, die
aus der Atmosphäre entfernt wird. Dies gewährleistet, dass der Anteil
an Treibhausgasen in der Atmosphäre konstant bleibt und nicht weiter
steigt.

Das Fernziel lautet: klimapositiv werden. Wer mehr Emissionen
einspart als er verursacht, ist klimapositiv. Einige Firmen sind bereits
auf dem Weg dorthin. Sie wirtschaften regenerativ. Sie machen nicht
Schlechtes etwas weniger schlecht, sondern Gutes besser.
Idealerweise geht es dabei nicht nur um die jetzigen Emissionen, sondern
auch um die in der Vergangenheit produzierten. Die hängen ja
nach wie vor in der Luft, und zwar über den ganzen Globus verteilt.
Denn CO2 kennt keine Landesgrenzen. So lassen immer mehr Unternehmen ihre historischen Emissionen offiziell bilanzieren, also beziffern,
für wie viel CO2 sie seit ihrer Gründung verantwortlich sind.
Diese werden dann kompensiert, zum Beispiel durch den Erwerb sogenannter
Sühnezertifikate.

Doch Kompensation ist lediglich die letzte Lösung. An erster Stelle
müssen ernsthafte Anstrengungen stehen, schädliche Emissionen zu
vermeiden. Ein Zertifikat für ein Aufforstungsprojekt kann eine sehr
gute Sache sein, doch es verändert kein Verhalten. Viel wichtiger ist
Reduzieren. Nur das Unvermeidbare wird kompensiert.

Längst hat sich eine breite Zertifikateindustrie etabliert. Bedauerlicherweise
bietet sich auch hier ein weites Feld für Lug und Trug. Nicht selten
fließt ein Großteil der eingesammelten Gelder in die kostenintensive
Organisation. Die angebotenen Projekte sind teils obskur, vielfach
schöngerechnet, bisweilen nicht existent. Oder die Anbieter geben
vor, Bäume zu schützen, die gar nicht gefällt werden. Oder sie zählen
die Bäume doppelt. Das ist Emissionskompensation als Betrügerei im
Tausch für Bequemlichkeit und ein gutes Gewissen, von dem primär
die Ablasshändler profitieren. Sie haben rein gar kein Interesse an der
Dekarbonisierung, weil sie dann nichts mehr verdienen.

Natürlich haben Kompensationen auch ihr Gutes. Manche Unternehmen
bieten diese ihren Kunden als zusätzliche Dienstleistung an.
Andere kompensieren die Emissionen, die die Mitarbeitenden privat
generieren. Was ein Mitarbeitender in seiner Freizeit macht, geht die
Firma nichts an? Beim Preisvergleichsportal Idealo sieht man das anders.
»Ob bei Renten-, Kranken- oder Arbeitslosenversicherung – überall
übernehmen Arbeitgeber die Hälfte der Kosten. Unsere Gesellschaft
sieht diese Absicherungen als wichtig an. Wir finden: Das muss auch
für den Klimaschutz gelten. Deshalb kompensieren wir 50 Prozent des
CO2-Fußabdrucks aller Idealo-Mitarbeiter:innen«, heißt es auf deren
Website.24 Dazu wurde der CO2-Fußabdruck aller »Idealos« errechnet,
indem man sich am deutschen Durchschnittswert orientierte. Der lag
2020 laut Umweltbundesamt bei 11,17 Tonnen pro Person. Und was
ist mit den anderen 50 Prozent? Durch Informationen und hilfreiche
Tipps unterstützt Idealos internes »GreenTeam« die Mitarbeitenden
dabei, ihren CO2-Fußabdruck zu verstehen und selbst zu reduzieren.
»Überlebensversicherung« nennt Idealo dieses Konzept.

Wir sind nur Gast auf diesem Planeten

Einst war es ein Zeichen von Glück, wenn man ein Hufeisen fand.
Denn es bestand aus Eisen, einem sehr wertvollen Metall. Neue Städte
wurden mit dem Baumaterial früherer Städte errichtet, schon in der
Antike. Bronze wurde über Jahrtausende immer wieder eingeschmolzen,
um etwas schönes Neues daraus zu machen. Als ich klein war,
kam bei uns im Ort regelmäßig der Altwarenhändler vorbei. Und meine
Oma stopfte uns Kindern die löchrigen Socken. So haben die Menschen
schon immer wiederverwendet, was wiederverwendbar war.

Doch irgendwann, vor nicht langer Zeit, gaben wir dieses Vorgehen
auf. Wir wurden zu einer Wegwerfgesellschaft – in gigantomanischem
Stil. So ist der größte Strudel aus Müll, der Great Pacific Garbage Patch,
der im nördlichen Pazifik kreist, an die fünf Mal so groß wie Deutschland.
Vier weitere, ähnlich gewaltige Strudel gibt es weltweit. Sie sind
Ausdruck einer ungeheuerlichen Verschwendung. An Land sorgen
Monsterberge von Müll zusammen mit Abholzung, Ressourcenplünderung
und Grundwasserverseuchung für die weltweite Zerstörung
riesiger Lebensräume.

Wie konnte das nur passieren? Symptomatisch dafür steht das Phoebuskartell.
Der Dokumentarfilm »Kaufen für die Müllhalde« der Filmproduzentin
Cosima Dannoritzer berichtet darüber.25 Heimlich trafen
sich die führenden Glühlampenhersteller in einem Hinterzimmer in
Genf. Sie steckten in einem Dilemma. Die Qualität ihrer Glühbirnen
war mit der Zeit immer besser geworden. Die durchschnittliche Brenndauer
lag bereits bei 2500 Stunden. Wer aber den Markt mit perfekten
Produkten sättigt, entsorgt sich selbst. So kamen die Anwesenden überein,
nurmehr Glühbirnen zu produzieren, die maximal 1000 Stunden
brannten. Wer dem zuwiderhandelte, musste mit hohen Bußgeldern
rechnen. Das zu diesem Zweck gegründete »1000 Hours Life Committee
« sollte dies rigoros überwachen. Die geplante Obsoleszenz war
erfunden.

Wie geplante Obsoleszenz funktioniert? Eingebaute Zähler, vorkonstruierte
Schwachstellen, chemische Manipulationen und minderwertige
Materialien sorgen für eine vorausbestimmte Unbrauchbarkeit.
Um die Nachfrage zu steigern, werden anfällige Produkte mit verkürzter
Lebensdauer und vorzeitig einsetzendem Verschleiß produziert.
Dein Auto hat ständig kleine Defekte? Der Drucker, euer Fernseher,
diverse Küchengeräte gehen kurz nach der Garantiezeit kaputt? Eine
Reparatur lohnt sich nicht oder ist zu kompliziert? Die Ersatzteilbeschaffung
kann Monate dauern? Nun kennt ihr den wahren Grund.
Ihr sollt euch ein neues Teil kaufen!

Und das sind nur ein paar Tricks von vielen. Verfrühte Verfallsdaten
bei Lebensmitteln, nicht austauschbare Akkus, Feature-Updates, die
auf Vorgängergeräten nicht funktionieren, Überdosierung, Retourenvernichtung,
ständig neue Designs, der ganze Ramsch und das Billiggeschrei,
all das soll den Konsum schneller machen. Hinzu kommen
Modediktate, die uns uncool und altbacken aussehen lassen, sobald
ein neuer Trend angesagt ist. »Fast Fashion« hat den Konsumwahn
auf die Spitze getrieben: alle paar Wochen eine neue Kollektion. Und
die Hälfte davon wird niemals getragen. Eine gigantische Umweltbelastung.
Ist den Herstellern aber anscheinend egal.

Sechs der neun planetaren Grenzen, die für den Erhalt der menschlichen
Existenz wichtig sind, sind überschritten. Wir nennen uns Homo
sapiens sapiens, der sehr weise Mensch. Weise Menschen betreiben
nicht Ausbeutung und Zerstörung, sondern Hege und Pflege.
Wir sind nur Gast auf diesem Planeten, und so sollten wir uns auch
benehmen. Überall auf der Welt entstehen nun Initiativen, die dem
Raubbau entgegentreten: die Sharing-Economy, Bürgergenossenschaften,
das Verantwortungseigentum, B Corps, Purpose-Stiftungen,
die Gemeinwohl-Ökonomie, die solidarische Landwirtschaft.

Und immer mehr Menschen suchen nach Alternativen zur Wegwerfgesellschaft.
Diese Haltung wird bei den Herstellern und speziell auch im
Handel zunehmend Wirkung zeigen – weil Geldscheine Stimmzettel
sind. Achtet also darauf, für wen ihr euer Portemonnaie öffnet, und
wen ihr mit euren Stimmzetteln belohnt. Klar, keiner rettet den Planeten
allein. Wenn aber Millionen in diesem Sinne agieren, kommt
eine Menge zusammen.

 

 

 

 

 

 

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