Buchauszug Felix Behm: „Generation Z – Ganz anders als gedacht: Wie sie tickt, wie sie handelt und wie wir ihr Potenzial erschließen“

Buchauszug Felix Behm: Generation Z – Ganz anders als gedacht: Wie sie tickt, wie sie handelt und wie wir ihr Potenzial erschließen“

 

Felix Behm (Foto: PR/Business Village)

 

 

Wie ist das mit Vier-Tage-Woche & Co?

»Diese junge Generation will doch nur noch ausschlafen und möglichst viel Urlaub!«

Haben Sie diese Aussage auch schon von anderen gehört, in der Zeitung gelesen oder selbst gedacht? Und reicht es aus, das einfach zu behaupten, ohne zu hinterfragen, ob wirklich »jeder« der jungen Menschen so denkt? »Na, jeder sicher nicht«, könnte der Kritiker darauf antworten. Aber wie viele sind es denn, die anscheinend kaum noch arbeiten wollen? Ich suche nach wie vor verzweifelt in ganz Deutschland nach Horden von Jugendlichen, die einstimmig Arbeit verweigern und lieber zu Hause bleiben. Bis jetzt konnte ich sie aber nicht finden, noch nicht mal an den sogenannten Problemschulen in Berlin, an denen ich als Berufsorientierungscoach mehrere Jahre tätig war.

 

Der wesentliche Unterschied zu vorangegangenen Generationen ist eher ein anderer Blick auf Arbeit. Wenn Arbeit nicht existenziell ist, dann ist klar, dass man auch andere Interessen haben darf. Hannah Teresa Petrik, Jahrgang 1997, Studentin, Angestellte im Familienunternehmen und bei einer studentischen Unternehmensberatung, war Gast in meinem Podcast und meint dazu Folgendes: »Ich habe mit meinen Freundinnen viel über das Thema Work-Life-Balance diskutiert. Und wir sind uns einig, dass keine andere Generation so klar ausspricht, was sie sich in der Arbeitswelt wünscht und vorstellt. Und gerade beim Punkt Work-Life-Balance ist wichtig, klarzustellen, dass wir nicht vergnügungssüchtig sind, sondern dass uns neben dem Job einfach noch andere Dinge interessieren, die wir machen wollen. Deshalb setzen wir nach Möglichkeit lieber auf eine Fünfunddreißig-Stunden-Woche, weil wir das Modell der Vierzig-Stunden-Woche veraltet finden.«

 

Ein spannender Einstieg in ein sensibles Thema. Lassen Sie uns auf den nächsten Seiten einmal genauer prüfen, was möglich ist.

 

Flexible Arbeitszeiten

Das deutschlandweite Unternehmernetzwerk »Wirtschaftsjunioren« ist ein Zusammenschluss von jungen Führungskräften und Unternehmern unter vierzig Jahren. Ich bin dort selbst Mitglied und hatte im Sommer 2023 ein Business-Speeddating besucht. Ich liebe solche Veranstaltungen, weil man jedes Mal auf spannende Menschen und Geschichten trifft. In einem der Sechs-Minuten-Gespräche lernte ich Max kennen. Er ist Jahrgang 1994 und erfolgreicher Unternehmensberater. Wir kamen auf das Thema Sinnhaftigkeit bei der Arbeit und auf flexible Arbeitszeiten. Eigentlich gefällt Max seine Arbeit sehr gut, aber eine Sache findet er als junger Arbeitnehmer nicht nachvollziehbar. »Ich habe jeden Tag eine Kernarbeitszeit ab sieben Uhr morgens und mein Vorgesetzter wünscht teilweise eine Anwesenheit bis siebzehn oder achtzehn Uhr. Ich hatte bereits mehrere Diskussionen mit ihm, weil ich mein Tagespensum in wesentlich kürzerer Zeit abarbeite und dann nur rumsitze. Vor neun Uhr morgens haben wir keinen Kundenkontakt und um vierzehn oder fünfzehn Uhr bin ich in der Regel mit meiner Arbeit fertig. Mein Chef sieht es allerdings nicht ein, mir die Freiheit einzuräumen, nach getaner Arbeit nach Hause gehen zu dürfen. Es gibt für mich keinen ersichtlichen Grund. Das ist absolut sinnfrei.«

 

 

 

Felix Behm: „Generation Z – Ganz anders als gedacht: Wie sie tickt, wie sie handelt und wie wir ihr Potenzial erschließen“, BusinessVillage Verlag, 24,95, 252 Seiten

 

 

Ich muss an der Stelle nicht erwähnen, dass Max Chef aus der Generation X ist. Und weil der Chef früher von seinem Chef ebenfalls gezwungen wurde, um sieben Uhr im Büro zu sein, müssen das seine Mitarbeiter heute eben auch. Wie lange eine so engagierte Arbeitskraft der jungen Generation wie Max sich das gefallen lässt, werden wir sehen. Selbst in Berufen mit Schichtarbeit lässt sich im Jahr 2023 ein arbeitnehmerfreundliches Modell finden.

 

Während nämlich die meisten Kliniken immer noch an alten Arbeitsmodellen festhalten, hatte ich das Vergnügen, mit einer jungen Pflegedirektorin einer Schweizer Klinik zu sprechen. Elisabeth berichtete mir: »Bei uns ist es schon lange gang und gäbe, dass wir möglichst Rücksicht auf die Wünsche der Mitarbeiter aller Generationen nehmen. Wir haben deshalb sogenannte Nachtpools mit Mitarbeitern, die eben vorwiegend für die Nachtdienste eingesetzt werden. Des Weiteren berücksichtigen wir, welchen Mitarbeitern wichtiger ist, auf einer bestimmten Station eingesetzt zu werden, und welche stattdessen lieber nur zu gewissen Zeiten, aber dafür auf wechselnden Stationen arbeiten möchten. Wir versuchen auch für alle die Möglichkeit zu schaffen, mit einer gewissen Vorlaufzeit, aber ohne Angabe von Gründen Arbeitszeiten zu ändern. Das geschieht dann in einem entsprechenden Radius von beispielsweise vierzig bis sechzig Prozent der wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit. Das sind für uns lebensphasenorientierte Arbeitsmodelle, die zu mehr Zufriedenheit unter den Angestellten, mehr Bindung zum Arbeitgeber und weniger Fehlzeiten führen.«

 

Es funktioniert also doch – und zwar sogar generationsübergreifend. Die Personalplanung muss durch solche Angebote genau strukturiert sein; Personalengpässe führen bei diesen Modellen schnell zu Chaos. Durch die niedrigere Fluktuation und den deutlichen Imagegewinn wird ein Arbeitgeber mit solchen Angeboten jedoch automatisch auch weniger Personalengpässe haben. Als ehemalige Führungskraft in einem Klinikverbund weiß ich gut, dass die Umsetzung der Theorie in die Praxis nicht immer ohne Herausforderungen verläuft, sich Durchhaltevermögen und klare Ziele aber fast immer bewähren und mit zufriedenen Mitarbeitern belohnt werden.

 

Keine Angst vor der Vier-Tage-Woche

Große Diskussionen gibt es seit Kurzem über das Modell der Vier-Tage-Woche. Was bringt sie und welchen Preis zahlt ein Arbeitgeber dafür? Handwerksunternehmen haben derzeit mitunter die größten Probleme, Nachwuchs zu finden, und bieten immer häufiger eine Vier-Tage-Woche an. »Seit wir die Vier-Tage-Woche anbieten, sind wir plötzlich wieder attraktiv«, erzählte mir letztens ein Friseurmeister. Ständige Samstagsarbeit oder Schichtarbeit wollen viele Arbeitnehmer nicht mehr und orientieren sich auf dem Arbeitsmarkt nach Möglichkeit um.

 

Pionierprojekt Island

Schauen wir zunächst mal ins Ausland. In Island hat man die Vier-Tage-Woche als vierjähriges Pionierprojekt bei mehr als einem Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung seit 2015 getestet. Die Auswertung belegt, dass mit den verkürzten Arbeitszeiten keine Beeinträchtigung der Unternehmensleistung festzustellen war, sondern in einigen Fällen sogar eine Produktivitätssteigerung erzielt werden konnte. Seit 2021 arbeiten über achtzig Prozent der isländischen Bevölkerung nun mit dem Vier-Tage-Modell. Ist die ganze Aufregung in Deutschland also gar nicht gerechtfertigt?

 

Beispiel „Team23“

Michael Vogt, Geschäftsführer der Digitalagentur »Team23« in Augsburg, arbeitet in einem Unternehmen, das in der IT-Branche tätig ist. Da es schwer ist, IT-ler auf dem Arbeitsmarkt zu finden, muss auch er kreativ sein und nach neuen Lösungen suchen. Er schildert mir in unserem Interview für meinen Podcast »Generation-Z-Talk« seine Sichtweise zur Vier-Tage-Woche:

 

»Zunächst muss einmal definiert werden, was genau mit einer Vier-Tage-Woche gemeint ist. Wir bieten das unseren Mitarbeitern in der Form an, dass sie entweder hundert Prozent ihrer Arbeitszeit in vier Tagen erbringen mit einem freien Tag oder Teilzeit bei vier Tagen arbeiten. Einige nehmen das Modell an, wobei kaum einer die Option ›Volle Arbeitszeit auf vier Tage verteilt‹ in Anspruch nimmt.«

 

Es zeigt sich auch in diesem Beispiel wieder, dass der Generation Z Gehalt nicht mehr so wichtig ist wie den Generationen vor ihr. Jeder möchte natürlich gut verdienen und die meisten verhandeln auch beim Bewerbungsgespräch. Aber bei achtzig Prozent Arbeitszeit einen freien Freitag zu haben, ist vielen wichtiger, als ein paar Euro netto mehr zu verdienen.

 

Beispiel Microsoft

Microsoft testete das Modell 2019 an seinem Standort in Japan. Das Ergebnis: Die Produktivität stieg um vierzig Prozent! Begründet hat das Unternehmen das mit einem geringeren Energieverbrauch und einer effizienteren Gestaltung der Arbeitsabläufe. Inzwischen gibt es weltweit Unternehmen, die alle auf ähnliche Ergebnisse kommen.

 

In Deutschland sind es meist einzelne kleinere Unternehmen, die auf das Vier-Tage-Modell umgestiegen sind, wie beispielsweise die Schreinerei Mayer in Manching, Bayern. Die Schreinerei bietet ihren Mitarbeitern die Möglichkeit, Montag bis Donnerstag jeweils zehn Stunden zu arbeiten, um Freitag frei zu bekommen. Die meisten Mitarbeiter haben dieses Angebot angenommen. Der Geschäftsführer Andreas Mayer äußert sich gegenüber dem Bayerischen Rundfunk: »Es gibt bisher keine Einbußen in der Qualität. Die Krankheitsrate ist nicht gestiegen und die Anzahl an Arbeitsunfällen ebenso wenig. Wir spüren keine negativen Auswirkungen und aktuell möchte auch keiner der Mitarbeiter mehr zurück in die Fünf-Tage-Woche.« Die Schreinerei Mayer bekommt seit der Einführung übrigens wieder mehr Bewerbungen, als sie offene Stellen anzubieten hat.

 

Ich finde es immer wieder spannend, wie viel hierzulande gemeckert wird, während andere Länder es einfach umsetzen und damit Erfolg haben. Was sich unter anderem die Generation Z mit der Vier-Tage-Woche wünscht, ist also nicht abwegig oder absurd, sondern in einigen Ländern bereits Realität.

 

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Max ins Spiel bringen, der zur Vier-Tage-Woche folgende Meinung hat: »Für viele aus meiner Generation ist die Vier-Tage-Woche ein attraktives Modell. Der große Vorteil ist, dass man einen Tag mehr pro Woche für private Dinge zur Verfügung hat. Ich persönlich bin allerdings eher für flexible Arbeitszeiten mit Kernarbeitszeiten, sodass ich mir aussuchen kann, wie ich arbeiten möchte. Die Flexibilität in der zeitlichen Organisation nicht auf vier Tage zu reduzieren, sondern innerhalb der Fünf-Tage-Woche die Arbeitszeit selbst einteilen zu können, wäre meine Priorisierung. Ich kann mir aktuell noch nicht vorstellen, wie es funktionieren würde, wenn alle Branchen plötzlich eine Vier-Tage-Woche einführen würden. In der Praxis wird es also vermutlich nicht so einfach sein wie in der Theorie. Deshalb ist mein Favorit ein flexibles Arbeitszeitmodell.«

 

Vor- und Nachteile der Vier-Tage-Woche auf einen Blick

Vorteile sind:

  • Produktivitätssteigerung durch längere Erholungsphasen,
  • höhere Arbeitgeberattraktivität besonders bei der jungen Generation,
  • geringere Betriebskosten durch Strom- und Heizkosteneinsparungen an einem Tag,
  • weniger Ausfallzeiten durch Reduktion des Stresslevels.

 

Nachteile sind:

  • Unternehmen müssen vor der Umstellung genau planen und intern abstimmen, welche Abläufe sich durch die kürzere Arbeitszeit ändern, um Chaos zu vermeiden.
  • Das Modell ist nicht in allen Branchen umsetzbar. In der Gesundheitsbranche beispielsweise kann nicht an vier Tagen produktiver gearbeitet werden, um am Freitag frei zu bekommen. Dort müssen andere Lösungen gefunden werden.

 

Unbegrenzter Urlaub: ein ganz reales Vertrauensmodell

»Ich bin dann mal weg« könnte der letzte Satz eines Mitarbeiters sein, der kurzfristig beschlossen hat, sich selbst Urlaub zu genehmigen. So oder so ähnlich stellen sich Arbeitgeber ein Horrorszenario vor, wenn plötzlich jeder seinen Urlaubsanspruch selbst bestimmen könnte. Ist die Angst gerechtfertigt? Vermutlich nicht.

 

Denn erste Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die Freiheit gaben, so viel Urlaub zu nehmen, wie sie möchten, und diesen untereinander mit den Kollegen und ohne Zustimmung des Vorgesetzten abzustimmen, stellten überrascht fest, dass die Organisation des Urlaubs perfekt funktionierte und die Angestellten insgesamt nicht mehr Urlaub genommen hatten, als sie vom Arbeitgeber bisher bekommen hatten. Es ist ein Versuch des Aufbrechens starrer Strukturen und komplizierter Urlaubsplanung mit der Belegschaft. Und der Versuch zeigt, dass ein großer Vertrauensvorschuss statt eines ständigen Misstrauensvorschusses sich offenbar auszahlt. Ob Sie das Modell des Vertrauensurlaubs für Ihr Unternehmen adaptieren möchten, überlasse ich ganz Ihnen. Es bleibt natürlich ein Restrisiko, dass das Modell eventuell auch nicht funktioniert und jeder Angestellte sechs Wochen Sommerurlaub zur gleichen Zeit nimmt. Dann stehen die Bänder still.

 

Besonders junge Arbeitnehmer aber wünschen sich Urlaub nach eigenem Ermessen. Eine Studie des Marktforschungsinstituts »marketagent.com« und von Xing stellt fest, dass Beschäftigte der Generation Z sich jährlich gerne vierunddreißig freie Tage nehmen würden. Bei der Generation Babyboomer sind es durchschnittlich dreißig freie Tage. Gemessen am Gehalt würde sich die Gruppe mit einem Bruttolohn ab dreitausend Euro die meisten Urlaubstage pro Jahr nehmen, also rund vier Tage mehr als Geringverdiener.

 

Eine Kreativagentur aus Hamburg, die elbdudler GmbH, fährt mit dem Modell des unbegrenzten Urlaubs gut. Die Erfahrungen sind positiv und die Mitarbeiter nehmen im Schnitt dreißig Tage Urlaub pro Jahr, also ähnlich viel wie in anderen Unternehmen auch. Talent Manager Julian Draxler sieht dieses Modell eher als Möglichkeit, flexibler zu sein, wenn am Ende des Jahres mal zwei Urlaubstage fehlen, um an Weihnachten bei seiner Familie sein zu können, und spart diese dann im darauffolgenden Jahr wieder ein, weil kein größerer Urlaub geplant ist.

 

Die meisten Unternehmen, die dieses Konzept bisher nutzen, sind Start-ups. Vielleicht ein weiterer Grund dafür, warum junge Menschen bei der Arbeitgeberwahl ein Start-up-Unternehmen gegenüber einem Großkonzern bevorzugen würden. Ein aussagekräftiger Vergleich zwischen Vor- und Nachteilen ist nach aktuellem Stand noch nicht möglich, da bislang zu wenige Unternehmen ihren Mitarbeitern Urlaub auf Vertrauensbasis anbieten. Es wird also noch etwas dauern, bis wir sagen können, ob das Modell Erfolg versprechend ist oder nicht.

 

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sich mit den Generationen Z und Alpha insgesamt in den nächsten Jahren sowohl bei flexiblen Arbeitszeiten als auch beim Vertrauensurlaub einiges ändern wird. Viele Angehörige der jungen Generation wünschen sich solche neuen Modelle und fordern sie direkt oder indirekt ein, indem Unternehmen mit entsprechendem Angebot stärker von Bewerbern frequentiert werden und weil die Wahrscheinlichkeit eines abzuwendenden Fachkräftemangels die Entwicklung zu solchen Modellen beschleunigen wird.

 

 

 

 

 

 

 

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