Buchauszug Cornelia Tanzer, Jens Vogt, Jörg Mildner: „Lead now! Wirksam führen im 21. Jahrhundert“

Buchauszug Cornelia Tanzer, Jens Vogt und Jörg Mildner „Lead now! Wirksam führen im 21. Jahrhundert“

 

 

 

Das Systemklima: Großwetterlage und individuelle Wohlfühltemperatur zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Dieses Modell füllt den orangefarbenen Kreis des XLNC Frameworks mit Leben und Inhalt. Es stellt dazu das Klima in einem Team anhand von neun verschiedenen Dimensionen dar. Diese neun Dimensionen sind in den drei Klimafaktoren Leistung, Vertrauen und Zusammenarbeit gebündelt. Das Modell kombiniert also harte, leistungsbezogene Aspekte mit weicheren Aspekten der Zusammenarbeit und Zufriedenheit. Statistisch gesehen sind die neun Klimadimensionen im Modell diejenigen, die den größten Einfluss auf die Leistungsmotivation und die Bindung von Mitarbeitenden ausüben. Weiterhin haben sie den großen Vorteil, dass sie alle im direkten Einflussbereich der Führungskraft liegen und unmittelbar von deren Führungsstil-Profil beeinflusst werden können. Faktoren, die lediglich durch die Organisation gesteuert werden – also etwa die Vergütungsstruktur, Aufstiegschancen oder die Arbeitgebermarke – sowie externe Faktoren wie Markt oder Wettbewerber sind hier nicht berücksichtigt. Eine Analyse des Systemklimas ermöglicht es der Führungskraft, die Ergebnisse zu nutzen, um ihr Führungsverhalten so weiterzuentwickeln, dass es einen positiven Einfluss auf das Klima hat.

 

Cornelia Tanzer (PR/Books on Demand)

 

Klimafaktoren und -dimensionen im Überblick

Klimafaktor Vertrauen

Vertrauen spielt für die Qualität des Klimas und der Unternehmenskultur eine zentrale Rolle. Dieser Faktor wird allein durch das Verhalten der Führungskraft beeinflusst. Vertrauen ist der Schlüssel zur Arbeitszufriedenheit, zur Bindung an das Unternehmen sowie zur Motivation der Mitarbeitenden.

 

Vertrauen lässt sich in den drei folgenden Dimensionen abbilden:

  1. Glaubwürdigkeit

Die Glaubwürdigkeit der Führungskraft ist eine wichtige Grundlage, auf der eine Vertrauenskultur entstehen kann. Wenn die Führungskraft als Vorbild agiert, eine klare Werteorientierung zeigt sowie verbindlich zu ihren Aussagen und Entscheidungen steht und danach handelt, kann sich Glaubwürdigkeit entwickeln.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Glaubwürdigkeit näher bestimmen:

Können sich die Mitarbeitenden im Team auf die Aussagen der Führungskraft verlassen?

Zeigt die Führungskraft eine klare Linie und bleibt sich treu?

Verkörpert die Führungskraft in ihrem Verhalten gegenüber den Mitarbeitenden eine Stimmigkeit zwischen Worten und Taten?

 

Jörg Mildner (Foto: PR/Books on Demand)

  1. Autonomie

Für eine Vertrauensbildung stehen weiterhin eine Selbstverantwortung sowie die Entscheidungs- und Handlungsspielräume der Mitarbeitenden im Vordergrund. In einem von Autonomie geprägten Klima haben Mitarbeitende den Freiraum, eigenverantwortlich ihre Arbeit zu gestalten und eigenständig Entscheidungen zu treffen.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Autonomie näher bestimmen:

Wird das Team zum selbstständigen Arbeiten ermutigt?

Können die Mitarbeitenden im Team selbst entscheiden wie, wann und mit welchen Mitteln sie ihre Aufgaben erledigen?

Wird im Team Eigenverantwortung gefordert und gefördert?

 

  1. Sicherheit

Eine ebenso wichtige Dimension bei der Vertrauensbildung ist die von den Mitarbeitenden empfundene psychologische Sicherheit. In einem durch ein Sicherheitsgefühl geprägten Klima fühlen sich die Mitarbeitenden ausreichend über alle relevanten Unternehmensthemen informiert und die Führungskraft vertritt die Interessen des Teams nach außen. Im Team wird offen mit Fehlern und Unsicherheiten umgegangen.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Sicherheit näher bestimmen:

Gibt es im Team regelmäßige Informationen über anstehende Veränderungen durch die Führungskraft – und können die Mitarbeitenden sich dazu offen äußern?

Schafft die Führungskraft Transparenz über die Entscheidungen und Strategien des Unternehmens?

Können die Mitarbeitenden Fehler machen und sie gegenüber der Führungskraft offen eingestehen, ohne Angst vor negativen Reaktionen zu haben?

Vertrauen sich die Mitarbeitenden des Teams auch gegenseitig?

 

(Foto: PR/Books on Demand)

Cornelia Tanzer, Jens Vogt, Jörg Mildner: „Lead Now! Wirksam führen im 21. Jahrhundert“ – Books on Demand, 29,90 Euro, 228 Seiten https://www.bod.de/buchshop/lead-now-cornelia-tanzer-9783756841530

 

Klimafaktor Leistung

Der Faktor Leistung bildet diejenigen Aspekte und vor allem die Voraussetzungen ab, die notwendig sind, um gute Leistungen in einem Team zu ermöglichen und zu fördern. Ein entsprechendes Klima wird dadurch begünstigt, dass alle Mitarbeitenden Orientierung haben und genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Dazu ist es wichtig, dass sie neue Ideen einbringen können, dass Leistung durchgehend gesehen und wertgeschätzt sowie gerecht be- und entlohnt wird.

 

Leistung kann sich in den folgenden vier Dimensionen entfalten:

  1. Klarheit

Eine bedeutsame Dimension des Klimafaktors Leistung ist die Klarheit. In einem von Klarheit geprägten Klima haben die Mitarbeitenden ein klares übergeordnetes Bild, kennen die Unternehmensstrategie, die Ziele und Erwartungen und wissen um den eigenen Leistungsbeitrag zum Team- und Unternehmenserfolg. Die Abläufe und Prozesse, sowie Rollen

und Verantwortlichkeiten im Team sind transparent und nachvollziehbar und Aufgaben werden sinnvoll geplant und strukturiert.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Klarheit näher bestimmen:

Kennen und verstehen die Mitarbeitenden im Team die mittel- und langfristige Ausrichtung des Unternehmens?

Ist den Mitarbeitenden im Team klar, was ihr konkreter Beitrag zur Erreichung der Team- und Unternehmensziele ist?

Sind die Rollen und Verantwortungen im Team eindeutig geregelt?

 

  1. Flexibilität

In einem von Flexibilität geprägten Klima ermutigt die Führungskraft ihre Mitarbeitenden, eigene Ideen einzubringen und neue Wege zu beschreiten. Effizienz und Leistungsfähigkeit werden durch neue Vorgehensweisen oder Prozesse gefördert und die Führungskraft zeigt sich geistig offen für sinnvolle Veränderungen und flexibel im Umgang mit neuen Herausforderungen. Flexible Anpassungen sind möglich – ob vorausschauend oder reaktiv.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Flexibilität näher bestimmen:

Erhalten neue, innovative Ideen von Mitarbeitenden im Team Raum und Anerkennung?

Zeigt sich die Führungskraft offen für Veränderungen und veränderte Vorgehensweisen?

Ist es erlaubt, etablierte Prozesse und deren Sinnhaftigkeit zu hinterfragen?

 

  1. Anerkennung

Die Frage danach, ob Leistung sich lohnt, steht im Mittelpunkt dieser Klimadimension. Wird die individuelle Leistung im Team gewürdigt? Werden die Mitarbeitenden nach vergleichbaren Leistungsstandards beurteilt? Und werden gute Ergebnisse gesehen und wertgeschätzt? Sowie reduziertes Engagement und unbefriedigende Ergebnisse deutlich benannt und hinterfragt? Dann sind wichtige Voraussetzungen für ein von Anerkennung geprägtes Klima gegeben.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Anerkennung bestimmen:

Wird Leistung anerkannt und gelobt?

Besteht ein wertschätzender Umgang miteinander?

Wird die Leistung im Team gerecht beurteilt?

Wird es von der Führungsseite klar benannt und hinterfragt, wenn im Team jemand weniger gibt als sein Bestes?

 

  1. Entwicklung

Eine Klimadimension, die in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist Entwicklung. Mitarbeitende suchen verstärkt nach Möglichkeiten, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln sowie an neuen und herausfordernden Aufgaben zu wachsen. Sie möchten sich entfalten, ihre Potenziale entdecken und nutzen sowie ihre Karriere vorantreiben. Darum ist Entwicklung die vierte wesentliche Dimension des Klimafaktors Leistung.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Entwicklung näher bestimmen:

Werden die Mitarbeitenden im Team in ihrer persönlichen und fachlichen Entwicklung unterstützt?

Werden individuelle Entwicklungsperspektiven aufgezeigt?

Gibt es eine offene und konstruktive Feedbackkultur?

 

Klimafaktor Zusammenarbeit

Zusammenarbeit ist der dritte grundlegende Faktor im Systemklima. Er bezieht sich einerseits auf die Beziehungsebene der Mitarbeitenden untereinander und andererseits auf die Beziehung der Mitarbeitenden zu ihrer persönlichen Arbeit, zu dem Team und dem Unternehmen insgesamt. Er beschreibt auch, wie sehr sich Mitarbeitende mit ihrem Team, dem Unternehmen und ihrer Aufgabe identifizieren und wie das Miteinander im Team wahrgenommen wird. Wesentliche Aspekte des Miteinanders sind dabei die Atmosphäre im Team, ein konstruktiver Umgang mit Konflikten und gegenseitige Unterstützung.

 

Bei Zusammenarbeit geht es vor allem um zwei Dimensionen:

  1. Identifikation

Zu dieser Klimadimension gehören eine hohe Identifikation mit dem Team, den Aufgaben und Zielen. In einem von Identifikation geprägten Klima sind die Mitarbeitenden auf ihre Arbeit und das Team stolz, äußern sich positiv über das Team und legen ein hohes Commitment an den Tag. Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Identifikation näher bestimmen:

Sprechen die Mitarbeitenden im Team positiv über ihr Team und ihre Kollegen?

Möchten die Mitarbeitenden auch zukünftig Teil des Teams sein?

Teilen die Mitarbeitenden die Werte, die innerhalb des Teams gelebt werden?

 

  1. Teamgeist

Ein von Teamgeist geprägtes Klima zeichnet sich durch ein hohes Zusammengehörigkeitsgefühl im Team sowie einen positiven und toleranten Umgang miteinander aus. Die Mitarbeitenden unterstützen sich gegenseitig (auch moralisch), haben Spaß an der gemeinsamen Arbeit, stehen füreinander ein und lösen ihre Konflikte konstruktiv.

Mithilfe folgender Schlüsselfragen lässt sich die Ausprägung der Dimension Teamgeist näher bestimmen:

Unterstützen sich die Mitarbeitenden im Team gegenseitig?

Herrscht eine positive und wertschätzende Atmosphäre im Team?

Werden Konflikte rechtzeitig und offen besprochen sowie konstruktiv gelöst?

 

Das beschriebene Modell wird durch das entsprechende Diagnostik-Instrument XLNC_c unterstützt. Mit dessen Hilfe lässt sich das Systemklima in einem Team recht genau bestimmen. Anhand der Ausprägung der verschiedenen Klimadimensionen lassen sich z.B. folgende Fragen klären: Wie vertrauensbildend und motivierend erleben Mitarbeitende Führung, Führungskultur und Arbeitsatmosphäre in ihrem Team? Oder: Wie stark nehmen sie ihr Arbeitsumfeld als Umgebung wahr, in der Leistung anerkannt und Zusammenarbeit gefördert werden?

 

Durch eine Online-Befragung werden sowohl Ist- als auch Soll-Werte gemessen. Die Ist-Werte der Führungskraft bzw. des Teams liefern die Einschätzung des aktuellen Klimas; die Soll-Werte entsprechend die des gewünschten Klimas. Aus einem Abgleich dieser Ergebnisse lässt sich dann ableiten, wo sich die Führungskraft oder das Team mehr (oder weniger) Aspekte von bestimmten Klimadimensionen wünschen.

 

Ein „ideales“ Soll gibt es nicht, da das Soll sowohl von den Bedürfnissen als auch dem Reifegrad der Mitarbeitenden in einem Team abhängt. Das dargestellte Soll bildet jedoch das gewünschte Klima innerhalb eines Teams ab und wirft so Licht darauf, welche Aspekte bei den Mitarbeitenden für eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit, Leistungsfähigkeit und Bindung besonders wichtig sind.

Insgesamt wird das Systemklima in hohem Maße vom Führungsverhalten einer Führungskraft geprägt – wie schon im XLNC Framework in Kapitel fünf abgebildet.

Nun der Blick auf den Einsatz dieses Instruments in der Praxis mit den schon bekannten Protagonisten:

Anwendungsbeispiel eins – Stefan Krohn, Senior Vice President Automotive Development

Stefan Krohn und seine Diagnostik-Expertin beschließen, auch die zweite Perspektive der XLNC Instrumente zu nutzen. Diesmal geht es um Stefan Krohns eigene Einschätzung und die seiner Mitarbeitenden zum Thema „Systemklima“. In einer kurzen Initialisierungs-Session machen er und sein Team sich also mit dem Modell sowie den drei Klimafaktoren und den neun Klimadimensionen vertraut. Darauf folgt die Onlinebefragung, zu der Stefan Krohn alle Teammitglieder einlädt.

 

Es zeigt sich ein ähnliches Bild …

Als das Auswertungsgespräch ansteht, ist Stefan Krohn sehr gespannt auf die Ergebnisse aus seiner Selbsteinschätzung. Wie erwartet, sieht er, dass alle Klimadimensionen in seiner eigenen „Ist-Einschätzung“ stark ausgeprägt sind. Er wünscht sich anscheinend lediglich bei einigen Dimensionen in seinem „Soll“ eine geringfügig stärkere Ausprägung und bei einer weiteren (Autonomie) eine etwas geringere Ausprägung. Signifikant ist aber keine dieser Abweichungen. Darum denkt er, dass er Grund hat, mit dieser Auswertung zufrieden zu sein. Er bremst sich aber ein wenig, in eine zu große Euphorie zu verfallen, bevor er alle Ergebnisse gesehen hat.

 

Das erweist sich als richtig, denn es bieten sich für ihn auch hier wieder weit reichende Lernerkenntnisse. Sein Team hat ein anderes Bild des vorherrschenden Klimas als er: Das Diagramm des Fremdbilds zeigt, dass Krohns Team nur die Klimadimension Klarheit im „Ist“ als „stark“ ausgeprägt wahrnimmt; die anderen acht Dimensionen bewegen sich im mittleren oder sogar im gering ausgeprägten Bereich. Dafür wünschen sich Krohns Mitarbeitende aber im „Soll“ noch weitere sechs Dimensionen in einer starken Ausprägung. Die Abweichungen zwischen „Ist“ und „Soll“ sind teilweise sehr groß; besonders fallen hier die Klimadimensionen „Anerkennung“ und „Sicherheit“ auf.

Im Gespräch weist der Diagnostik-Expertin Stefan Krohn darauf hin, dass bei so großen Abweichungen zwischen den Ist- und den Sollwerten die Wahrscheinlichkeit steigen kann, dass die Mitarbeitendenzufriedenheit und -bindung sowie die Leistungsfähigkeit hinter den Möglichkeiten zurück bleiben. Positiv zu bewerten sei aber, dass die Mitarbeitenden ihre Bedürfnisse und Wünsche im Hinblick auf das Systemklima klar äußerten. „Das deutet darauf hin, dass „etwas passieren muss“, führt der Experte weiter aus, „und es ist gut, wenn Sie nun sehen, dass Handlungsbedarf besteht.“

 

Der direkte Ist-Vergleich zeigt Stefan Krohn bei sieben von neun Klimadimensionen dann auch, dass seine eigene Einschätzung der entsprechenden Ausprägungen deutlich zu hoch war. Er ist dankbar für den Hinweis und nimmt es eher sportlich. Zum wiederholten Male realisiert er, welches Potenzial er noch freisetzen kann durch seine Führung. Der Schlüssel zu einem produktiven Systemklima liegt in seinen Händen!

 

Aber dass er sich so durchgängig überschätzt, gibt ihm schon ein wenig zu denken. Es gelingt ihm vielleicht noch nicht ausreichend, die Wirkung seines Führungsverhaltens auf sein Team richtig einzuschätzen. Im Auswertungsgespräch erkennt er nämlich auch, dass sich genau daraus die Diskrepanz ergibt, wie er einerseits und sein Team andererseits das Klima in ihrem System einschätzen.

 

„Da wartet eine schöne Aufgabe auf mich – und auf uns“

Stefan Krohn bleibt entschlossen, etwas zu bewegen und sich weiter zu entwickeln. Im anschließenden Transferworkshop spielt er wieder mit offenen Karten: Wie gehabt, teilt er alle Ergebnisse mit seinem Team, bedankt sich für das Feedback und spricht offen darüber, wie sehr ihn die Ergebnisse überrascht und bewegt haben. In sehr konstruktiver Atmosphäre erarbeiten Krohn und seine Mitarbeitenden konkrete Situationen, die die unterschiedlichen Wahrnehmungen illustrieren. In zwischen geschalteten, kleinen Moderationen wirft die Diagnostik-Expertin dann ein wenig Licht auf mögliche Zusammenhänge zwischen dem Einsatz bestimmter Führungsstile und der Ausprägung bestimmter Klimadimensionen. Im Auswertungsgespräch hatte die Diagnostik-Expertin Krohn bereits unter vier Augen darauf hingewiesen, dass sich die recht guten Werte in den Dimensionen Glaubwürdigkeit, Klarheit und Entwicklung wahrscheinlich auf seinen häufigen und situationsgerechten Einsatz des direktiven bzw. normativen Führungsstils zurückführen ließen. Dabei solle er aber gerne im Hinterkopf behalten, dass diese beiden Stile meist eher die kurzfristige Aufgabenerledigung durch die Mitarbeitenden beträfen. Langfristig würde er seine Direct Reports nämlich aller Voraussicht nach eher mithilfe des coachiven Führungsstils entwickeln. Und dass genau der bei Stefan Krohn selbst noch im Entwicklungsbereich läge, könne mit dafür verantwortlich sein, dass die Dimensionen Sicherheit und Anerkennung eher schwach ausgeprägt seien. Ganz ähnlich könne der Fall auch beim inspirativen Führungsstil liegen, den die Mitarbeitenden ebenfalls als schwach ausgeprägt erlebten: Denn es deute vieles darauf hin, dass dieser Stil mit der Dimension „Identifikation“ sehr stark korreliere und dass das die Ursache für die geringe Ausprägung dieser Dimension sei.

 

Im Ergebnis des Workshops wird allen deutlich, dass hier beide Seiten Einfluss auf eine positive Entwicklung der Klimadimensionen und des gesamten Systemklimas nehmen können. Nicht nur Stefan Krohn als Führungskraft, sondern jeder in seinem Team, kann dazu beitragen, das Klima so zu verändern, dass Zufriedenheit und Leistungsmotivation insgesamt steigen. Gemeinsam legen dann alle jeweils einige konkrete Verhaltensweisen fest, die sie zukünftig umsetzen wollen: So etwa ein virtuelles Lob- und Kritik-Feedback-Board, um die gegenseitige Anerkennungskultur zu pushen. Außerdem bildet Krohns Mannschaft aus ihren Reihen ein „Identifikations-Team“, das z.B. Informationen rund um den starken Beitrag des Teams zum Unternehmenserfolg sammelt, analysiert und dann präsentiert – und damit deutlich macht, warum das Team unverwechselbar ist.

 

Im nächsten Kapitel treffen wir noch ein weiteres Mal auf Stefan Krohn und erfahren dann, was er mit dem Persönlichkeits-Modell über seine eigene Führungspersönlichkeit lernt …

 

Anwendungsbeispiel zwei – Angela Brandt, Bereichsleiterin einer global agierenden Werbeagentur

Auch Angela Brandt begegnen wir an dieser Stelle wieder: Sie und ihr Team machen im Zuge des angestrebten Kulturwandels ebenfalls Bekanntschaft mit dem Systemklima-Modell und der entsprechenden Diagnostik. „Aha, es geht um das Klima in unserem System – dem Führungsteam“, denkt sie, „was für ein treffender Name.“ In der Kick-off-Session reflektiert sie das noch einmal für sich. „Gut, dass wir auch hier eine Standortbestimmung machen“, überlegt sie weiter. „Denn je präziser die ausfällt, desto besser für unseren Entwicklungsprozess. Und ich muss mich dann nicht nur auf meine eigenen Einschätzungen verlassen.“

 

Im Außen wie im Innen…

Als der Tag des Auswertungsgespräches kommt, ist Angela Brandt sehr gespannt. Ihre Ergebnisse im Selbstbild findet sie eher enttäuschend – wie sie anscheinend auch das faktische Systemklima an sich kritisch betrachtet.

 

Auffällig ist, dass sie sich sieben von neun Dimensionen (teilweise erheblich) stärker ausgeprägt wünscht. Nur bei Flexibilität und Anerkennung liegen ihr Ist- und ihr Soll-Wert ganz auf einer Linie. Darüber hinaus sieht sie nur zwei Dimensionen überhaupt als stark ausgeprägt an (Anerkennung und Sicherheit). Sie hätte aber drei weitere auch gerne in der starken Ausprägung. Das Gespräch macht ihr klar, dass dies insgesamt auf eine grundlegende Unzufriedenheit mit dem Systemklima hindeutet – weil eben sehr viele ihrer Ist- und Soll-Werte weit auseinander liegen.

 

Erkenntnisgewinn, die zweite

„Auch die nächste Grafik birgt überraschende Erkenntnisse“, denkt Angela Brandt, als sie einen Blick auf das Fremdbild wirft. „Wie kann es sein, dass ich die Unterschiede als viel größer einschätze als meine Mitarbeitenden?“, fragt sie sich. Denn während bei ihr in sechs Klimadimensionen signifikante Abweichungen vorlagen, sieht sie hier bei ihrem Team nur vier vorliegen. Allerdings sind drei davon wirklich groß, wie sie bei weiterer Betrachtung erkennt. Beim Blick auf die „Glaubwürdigkeit“ fragt sie sich: „Wie komme ich bloß rüber? Kann es damit zu tun haben, dass ich mit dem Einsatz meiner Führungsstile in bestimmten Situationen daneben liege?“ Tatsächlich bestätigt der Diagnostik-Experte ihre Einschätzung. „Sie könnten noch mal darüber nachdenken, zu welchen Zeitpunkten Sie die jeweiligen Führungsstile einsetzen. Mit etwas Reflexion können Sie da eine positive Entwicklung anstoßen. Dasselbe gilt wohl auch für die Lücke bei der ‚Klarheit’“, ergänzt er noch. „Denn schließlich sind Sie gerade mit Ihren ‚Führungsstil-Botschaftern’ und der Erlaubnis für die Hinweise aus dem Team gestartet.“

 

Der Blick auf den direkten Vergleich der Ist-Werte stimmt Angela Brandt dann wieder positiv: „Der Teamgeist allerdings scheint ja prima zu sein, und flexibel sind wir auch – obwohl ich da, wenn ich ehrlich bin, ja gerne ein bisschen die Bremse ziehen würde“, gesteht sie sich ein. „Ich kann für mich festhalten, dass sowohl ich als auch das Team ein bisschen ‚zerklüftet’ sind im Ist- und im Soll“, denkt sie weiter. „Jetzt werden wir versuchen, das in den einzelnen Dimensionen besser übereinander zu bekommen. Und ich werde mich dahingehend entwickeln, dass ich besser einschätzen kann, wie ich wirke.“

 

Gemeinsame Reflexion ist angesagt

Nach den sehr guten Erfahrungen vom ersten Mal geht Angela Brandt wieder in aller Offenheit in den zweiten Transferworkshop. Sie bedankt sich bei ihrem Team und hält auch nicht damit hinter dem Berg, dass sie die Ergebnisse überrascht haben. Dann suchen alle gemeinsam nach konkreten Situationen, die beispielhaft die unterschiedlichen Wahrnehmungen anschaulich machen. Dabei moderiert der Diagnostik-Experte Zusammenhänge zwischen dem Einsatz bestimmter Führungsstile und der Ausprägung bestimmter Klimadimensionen an.

 

Hier geht es vor allem um die gering ausgeprägten Dimensionen Klarheit und Glaubwürdigkeit: Weder nutzt Angela Brandt häufig den direktiven noch den inspirativen Führungsstil, die beide auf eine stärkere Ausprägung dieser Dimensionen einzahlen würden. Dafür sind die Dimensionen Teamgeist und Flexibilität gut ausgeprägt, was mit ihrem häufigen Einsatz des partizipativen und integrativen Führungsstils zusammenhängt. „Da wären die Auswirkungen allerdings noch positiver, wenn Sie die Stile noch mehr der jeweiligen Situation angemessen einsetzen würden“, gibt der Diagnostik-Experte zu bedenken. „Denn das würde – wie schon gesagt – auch auf Ihre Glaubwürdigkeit einzahlen.“

 

Die große Erkenntnis des Workshops ist für Angela Brandt, dass sie beim Systemklima nicht alleine in der Pflicht steht. Zu positiven Veränderungen im Systemklima kann und soll das Team durchaus seinen Teil beitragen. Gemeinsam erarbeiten alle konkrete, erwünschte Verhaltensweisen, die sich bei entsprechender Bewusstheit leicht umsetzen lassen: So etwa die Absprache, dass für jedes reguläre Teammeeting ein Zeitfenster eingeführt wird, in dem immer wieder kurz der Stand der Entwicklung der Klimadimensionen beleuchtet wird. Und mit Bezug zu der besonders niedrig ausgeprägten Klimadimension „Klarheit“ regt der Diagnostik-Experte einen Workshop an, der die eindeutigen Rollen, Ziele und Aufgaben aller Teammitglieder zum Gegenstand haben wird.

 

 

 

 

 

Copyright: @Claudia Tödtmann. Alle Rechte vorbehalten.

Möchten Sie Blog-Beiträge nutzen, um nicht von Links abhängig zu sein? Kontakt für Nutzungsrechte, um Inhalte dauerhaft zu sichern: claudia.toedtmann@wiwo.de

Alle inhaltlichen Rechte des Management-Blogs von Claudia Tödtmann liegen bei der Blog-Inhaberin. Jegliche Nutzungen der Inhalte bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung. 

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*