Buchauszug Hansjörg Haack und Lutz Böttger: „Patientenrechte und Behandlungsfehler. Recht bekommen und durchsetzen“

Lutz Böttger (l.) und Hansjörg Haack (Foto: Privat)
Die verschiedenen Arten von Behandlungsfehlern
Entsprechend den verschiedenen Stadien, die eine ärztliche Behandlung durchläuft, wird auch nach verschiedenen Arten von Behandlungsfehlern unterschieden. Am Anfang einer Behandlung steht stets die Anamneseerhebung. Wird die Anamnese nicht vollständig erhoben, weil die Krankengeschichte oder Vorerkrankungen nicht abgefragt werden, hat dies häufig eine unzureichende oder unterlassene Befunderhebung zur Folge. Dies hat häufig eine falsche Diagnose zur Folge. Im Anschluss an die Diagnose erfolgt die Therapie. Hierbei passieren am häufigsten Behandlungsfehler, wenn zum Beispiel eine Operation fehlerhaft durchgeführt wird.
Schließlich kann es auch nach einer überstandenen Behandlung noch zu Fehlern kommen, wenn sich zum Beispiel der Patient im Krankenhaus mit Keimen infiziert oder beim Duschen nicht ausreichend von der Pflegekraft gestützt wird, sodass er stürzt und sich hierbei weitere Verletzungen zuzieht. Diese Behandlungsfehler werden unter dem Oberbegriff „Organisationsfehler“ zusammengefasst.
Eine weitere Unterscheidung fragt danach, ob es sich um einen einfachen oder um einen groben Behandlungsfehler handelt. Diese Unterscheidung ist für den Patienten von enormer Bedeutung. Grundsätzlich muss der Patient für die erfolgreiche Durchsetzung seiner Ansprüche nicht nur das Vorliegen eines Behandlungsfehlers beweisen, sondern darüber hinaus auch die Kausalität, also die Ursächlichkeit zwischen dem Behandlungsfehler und seinem Gesundheitsschaden.
Der Patient muss also das Gericht davon überzeugen, dass sein Gesundheitsschaden unmittelbar auf den von ihm bereits bewiesenen Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Diese Beweisführung ist, nachdem der Beweis eines Behandlungsfehlers bereits schwierig ist, für den Patient häufig nicht zu erbringen, da auch andere Einflüsse, zum Beispiel frühere Erkrankungen, zu dem Gesundheitsschaden geführt haben können. In dieser Situation hilft dem Patienten, wenn das Gericht einen groben Behandlungsfehler festgestellt hat. Ein grober Behandlungsfehler ist ein schwerwiegender Behandlungsfehler, der dem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.
Definition: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 7.11.2017 –
VI ZR 173/17) liegt ein grober Behandlungsfehler vor, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt des entsprechenden Fachs schlechterdings nicht unterlaufen darf.“
In diesen Fällen vermutet das Gericht, dass der Gesundheitsschaden des Patienten tatsächlich auf den groben Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Der Patient muss also diesen Zusammenhang nicht mehr beweisen. Der Arzt kann allerdings das Gegenteil beweisen, also, dass der Gesundheitsschaden nicht ursächlich auf den groben Behandlungsfehler zurückzuführen ist. Diese Beweisführung gelingt dem Arzt aber im Regelfall nicht.
1. Die fehlerhafte Diagnose
Stellt der behandelnde Arzt nach Auswertung der vollständig erhobenen Befunde (zum Beispiel Laborwerte oder Bildgebung) eine unzutreffende Diagnose, so ist juristisch zwischen einem nicht vorwerfbaren Diagnose-Irrtum und einem vorwerfbaren Diagnosefehler zu unterscheiden. Irrtümer bei der Diagnosestellung kommen in der Praxis nicht selten vor, da die Symptome einer Erkrankung nicht immer eindeutig sind, sondern auf verschiedene Ursachen hinweisen können. Auch kann jeder Patient wegen der Unterschiedlichkeiten des menschlichen Körpers die Anzeichen ein und derselben Krankheit in anderer Ausprägung aufweisen.
In der Rechtsprechung ist daher anerkannt, dass Diagnoseirrtümer, die auf eine Fehlinterpretation der erhobenen Befunde zurückzuführen sind, nur mit Zurückhaltung als Behandlungsfehler gewertet werden können (BGH, Urteil vom 08.07.2003 –VI ZR 304/02).
Kommt es zu einem nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum, liegt ein Behandlungsfehler in der Regel nicht vor. Die Rechtsprechung hat zum Beispiel in den folgenden Fällen einen nicht vorwerfbaren Diagnoseirrtum angenommen:
– Diagnose „Verstopfung“ statt „Nierenarterienverschluss“ vertretbar und nicht fehlerhaft, wenn Ultraschall und Röntgenbild der Niere ohne Auffälligkeiten waren
– Gelenkinfekt bei rückläufigen Entzündungswerten und guter Heilung der Operationswunde verkannt, kein vorwerfbarer Diagnoseirrtum
– Bandscheibenvorfall wird auf MRT-Aufnahmen vertretbar als Stufenbildung des Wirbelkörpers interpretiert
– Bauchspeicheldrüsenkrebs verkannt, weil keine bestimmten, für die Krankheit typischen Symptome vorlagen
Kommt es hingegen auf Grundlage der erhobenen Befunde zu einer nicht beziehungsweise nicht mehr vertretbaren Diagnose oder gar zu einer völlig unvertretbaren beziehungsweise gänzlich unverständlichen Befundinterpretation, so ist ein Behandlungsfehler beziehungsweise sogar ein grober Behandlungsfehler anzunehmen. Die Rechtsprechung hat zum Beispiel in den folgenden Fällen unvertretbare beziehungsweise völlig unvertretbare Diagnosestellungen angenommen:
– Herzinfarkt nicht diagnostiziert, obwohl Patient erhebliche Risikofaktoren, eindeutige Symptome und ein auffälliges EKG aufgewiesen hat
– Übersehen eines eindeutig auf dem Röntgenbild erkennbaren Bruchs
– Trotz deutlicher Anzeichen wird eine bakterielle Infektion verkannt
2. Die unterlassene Befunderhebung, § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB
Gelangt der behandelnde Arzt zu einer fehlerhaften Diagnose, da er den Patienten unzureichend beziehungsweise unvollständig untersucht hat, ist nicht von einem Diagnosefehler beziehungsweise -irrtum, sondern von einer unterlassenen Befunderhebung auszugehen. Dem Arzt ist dann nicht die fehlerhafte beziehungsweise irrtümliche Interpretation der erhobenen Befunde vorzuwerfen, sondern eine unzureichende und daher fehlerhafte Untersuchung beziehungsweise Diagnostik. Der Arzt hätte weitere Untersuchungen durchführen müssen, bevor er die – rückblickend
– unzutreffende Diagnose stellt. Die Rechtsprechung hat in den nachfolgenden Fällen unterlassene Befunderhebungen angenommen:
– Radiologe erkennt auf CT einen verdächtigen Lungenrundherd. Er unterlässt es aber, eine sofortige feingewebliche Untersuchung zu veranlassen, um sicher abzuklären beziehungsweise auszuschließen, ob es sich um Krebs handelt
– Bei dem Verdacht auf eine Blinddarmentzündung wird eine Ultraschallschall- oder eine CT-Untersuchung unterlassen
– Unterlassene röntgenologische Untersuchung der Hand nach einem Sturz
– Unterlassene CT- oder MRT-Untersuchung bei Schlaganfallsymptomatik
Die Besonderheit bei der Annahme einer unterlassenen Befunderhebung ist, dass der Patient – wie bei Vorliegen eines groben Behandlungs- oder groben Diagnosefehlers – in den Genuss einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Gesundheitsschaden kommt, wenn er zusätzlich beweisen kann, dass der hinzugedachte unterlassene Befund mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (mehr als 50 %) ein reaktionspflichtiges Ergebnis gezeigt hätte und eine Nichtreaktion auf diesen hypothetischen Befund grob fehlerhaft gewesen wäre.
Ein Diagnoseirrtum ist in der Regel kein Behandlungsfehler!
War die Diagnose rückblickend zwar falsch aber in der Behandlungssituation vertretbar, liegt in der Regel kein Behandlungsfehler vor.
Ist aufgrund der aktenkundigen Erkenntnisse aus der weiteren Behandlung bekannt, dass der Patient tatsächlich einen Schlaganfall erlitten hat und lagen bereits frühzeitig wegweisende Symptome vor, die eine frühzeitigere Bildgebung des Schädels erforderlich gemacht hätten, ist durchaus denkbar, dass ein Sachverständiger zu der Wertung gelangen wird, dass eine hypothetisch frühzeitigere CT-Untersuchung einen entsprechenden Befund gezeigt hätte und eine hypothetische Nichtreaktion als grob behandlungsfehlerhaft gewertet werden müsste.
Dann käme der Patient in den Genuss der Beweislastumkehr und der Prozess könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit gewonnen werden.
3. Therapiefehler
Erfolgt eine Behandlung nicht nach den Regeln der ärztlichen Kunst, wird von einem Therapiefehler gesprochen. Da es für die meisten Krankheiten mehrere Behandlungsmethoden gibt, hat der Arzt grundsätzlich ein Wahlrecht welche Therapie er anwendet. Dieses Beurteilungsermessen des Arztes wird „Therapiefreiheit“ genannt. Der Arzt kann also entscheiden, welche Therapie ihm für den Patienten am besten geeignet erscheint, solange er eine Therapie anwendet, die dem Facharztstandard genügt.
Beispiel für die Therapiefreiheit bei Fersensporn:
Leidet der Patient zum Beispiel an einem Fersensporn kann der Arzt unter den verschiedensten Therapien wählen: Dehnübungen, Akupunktur, Physiotherapie, Einlegesohlen, Stoßwellentherapie oder operative Maßnahmen.
Es ist selbstverständlich, dass die Therapiefreiheit des Arztes nicht grenzenlos ist. Wie bereits bei der Definition des Behandlungsfehlers gezeigt, muss die vom Arzt gewählte Therapie den zum Zeitpunkt der Behandlung anerkannten Standards entsprechen. Im Zweifel, wenn es zum Streit über die gewählte Therapie kommt, entscheiden medizinische Sachverständige darüber, ob die gewählte Therapie dem Facharztstandard entspricht. Sie können sich hierbei meist auf Richtlinien der Bundesärztekammer oder auf Leitlinien, die von Facharztverbänden herausgegeben werden, stützen. Dabei sind die Richtlinien der Bundesärztekammer, zum Beispiel die Richtlinie zur Transplantationsmedizin, stets verbindlich. Demgegenüber stellen die Leitlinien nur Handlungsempfehlungen dar, von denen in begründeten Fällen abgewichen werden kann oder sogar muss.
Im Rahmen der Therapiefreiheit kann der Arzt zwischen verschiedenen
Behandlungsmethoden frei wählen. Dies gilt aber nur dann, wenn die
Methoden in Bezug auf Heilungsaussichten, Eingriffsbelastung und
Schadensrisiken im Wesentlichen als gleichwertig anzusehen sind. In
diesen Fällen kann der Arzt die Therapie wählen, die er am besten
beherrscht.
Beispiel für echte Behandlungsalternative:
Besteht die echte Behandlungsalternative einer langwierigen konservative
Behandlung im Gegensatz zu einem operativen Eingriff, muss der Arzt
den Patienten entsprechend aufklären, ihm die Vor- und Nachteile von
konservativer und operativer Behandlung erläutern und hierbei auf die
jeweiligen Heilungsaussichten und vor allem Schadensrisiken hinweisen.
Danach entscheidet dann der Patient über die Behandlungsmethode.
Im Rahmen der Therapiefreiheit muss der Arzt eine Behandlungsmethode
wählen, die dem aktuellen Stand der Medizin entspricht. Dies
bedeutet aber nicht, dass der Patient einen Anspruch darauf hat, stets
nach den modernsten Therapieverfahren oder beispielsweise mit den
neuesten Diagnosegeräten behandelt zu werden. Sofern es sich um
bewährte Therapieverfahren oder Diagnosegeräte handelt, muss der Arzt
noch nicht einmal darauf hinweisen, dass es modernere Verfahren oder
Geräte gibt.
Therapiefehler sind von der Rechtsprechung etwa in folgenden Fällen
anerkannt worden:
– Bei Verdacht auf eine akute Blinddarmentzündung darf die Operation
nicht unnötig hinausgezögert werden, ansonsten liegt ein Therapiefehler
vor.
– Ist das CTG bei einer Entbindung nicht nur kurzfristig pathologisch,
liegt ein Therapiefehler vor, wenn nicht unverzüglich ein Kaiserschnitt
(sectio) durchgeführt wird.
– Therapiefehlerhaft ist es, einen Patienten trotz nicht nachlassender
Beschwerdesymptomatik und ohne eine Überprüfung der klinischen
Auffälligkeiten und Laborwerte aus der stationären Behandlung zu
entlassen.
– Wird beim Einsatz einer Hüftgelenksprothese ein zu großer Endo-
Prothesenschaft gewählt, der zu einer Sprengung des Femurschafts
führt, so liegt hierin ein Therapiefehler.
– Ebenso liegt ein Therapiefehler vor, wenn der Arzt bei einer Hüft-OP
Spongiosaschrauben zu tief einbringt und nicht die Lage der Schrauben
im Hüftkopf überprüft.
Holen Sie sich eine zweite Meinung ein und fragen Sie nach, wieviel Erfahrung das Krankenhaus mit dem konkreten Eingriff hat! Gerade bei größeren Eingriffen, wie zum Beispiel komplizierten Operationen, sollte der Patient sich daher vor Durchführung des Eingriffs eine zweite Meinung einholen und sich insbesondere auch darüber informieren, ob das Krankenhaus in diesem Fachbereich über ausreichend Erfahrung und eine spezielle Abteilung verfügt.
– Therapiefehlerhaft ist es, wenn der Zahnarzt nach einer Karies- oder Parodontalbehandlung die Brücke sogleich dauerhaft einsetzt.
– Einen Therapiefehler stellt es schließlich dar, wenn bei einer Überkronung der Zähne die geschliffene Zahnsubstanz nicht vollständig von der künstlichen Krone abgedeckt wird.
Exkurs: Ein klassischer Therapiefehler ist das Auftreten von Druckgeschwüren (Dekubitus). Im Krankenhausalltag kommen Dekubiti, die bei bettlägerigen Patienten bei fehlerhafter Lagerung entstehen, leider recht häufig vor. Je nach Schweregrad und Größe des Druckgeschwüres werden die Dekubiti in Grad 1–4 eingeteilt. Ganz wichtig ist, dass insbesondere bei Risikopatienten, dies sind zum Beispiel Diabetiker oder Menschen mit hohem Blutdruck, eine Dekubitusprophylaxe durchgeführt wird. Über die Dekubitusprophylaxe, zu der beispielsweise sorgfältige Hautpflege, Mobilisation, Lagerungswechsel im Abstand von 2–3 Stunden, Einsatz von Weichlagerungsmatratzen und Kissen gehören, muss die Dokumentation genau Aufschluss geben. Fehlt es hieran, indiziert dies nach der Rechtsprechung einen Therapiefehler.
Eine Unterart des Therapiefehlers ist das sogenannte Übernahmeverschulden. Hierunter werden verschiedene Fälle erfasst, die mit der Frage in Zusammenhang stehen, ob der Arzt oder das Krankenhaus tatsächlich geeignet sind, den Patienten zu behandeln oder ob der Patient nicht vielmehr an einen Spezialisten weiter zu verweisen ist.
Vor Beginn jeder Behandlung muss der Arzt prüfen, ob er die erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse hat und über die für die konkrete Behandlung notwendigen technisch-apparativen Ausstattungen verfügt. Erkennt der Arzt, dass der konkrete Fall über seine Fachgrenzen und Fähigkeiten hinausgeht, muss er den Patienten an einen Spezialisten oder ein spezialisiertes Krankenhaus verweisen.
4. Organisationsfehler
Krankenhäuser aber auch Arztpraxen müssen gewährleisten, dass sie mit dem vorhandenen ärztlichen und nichtärztlichen Personal und funktionstüchtigen medizinischen Geräten ihre Aufgabe nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse erfüllen. Sie schulden somit eine funktionierende Organisation. Hierzu gehört, dass ausreichend qualifizierte Ärzte, aber auch fachlich einwandfrei geschultes Hilfspersonal vorhanden ist.
Die medizinischen Geräte müssen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen und vor allem funktionstüchtig sein. Zur Organisation von Arztpraxis und Krankenhaus gehört ferner, dass die jeweiligen Abläufe aufeinander abgestimmt sind, also zum Beispiel die Abstimmung zwischen Arzt und Krankenschwester.
Zu den am häufigsten auftretenden Organisationsfehlern zählen mittlerweile
die Krankenhaus-Keime und die hieraus resultierenden Infektionen. Man spricht hier von sogenannten „Nosokomialen Infektionen“, worunter verstanden wird, dass sich Patienten im Krankenhaus mit Bakterien oder Viren infizieren. Besonders problematisch sind hier die MRSA-Keime, da sie multiresistent sind und viele Antibiotika nicht mehr gegen sie wirken. Gerade bei älteren oder geschwächten Patienten führen Keiminfektionen nicht selten zu Todesfällen.
Nach einer Hochrechnung des Robert-Koch-Institutes und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten wird geschätzt, dass jährlich 400.000 600.000 Menschen in Deutschland an nosokomialen Infektionen erkranken. Ferner wird davon ausgegangen, dass es in diesem Bereich zu 10.000–15.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland kommt.
Nach der bisherigen Rechtsprechung war es für Patienten schwierig, den Nachweis zu führen, dass sich die Keiminfektion im Krankenhaus oder in der Arztpraxis ereignet hat. Der Patient muss grundsätzlich den Behandlungsfehler und die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den Schadenseintritt darlegen und notfalls auch beweisen, soweit die Gegenseite dies – was regelmäßig erfolgt – bestreitet. Für Keiminfektionen oder Hygieneverstöße bedeutete dies, dass der Patient die Keiminfektion im Krankenhaus oder in der Arztpraxis beweisen musste.
Nach der bisherigen Rechtsprechung kam dem Patienten lediglich eine Beweislastumkehr zugute, die unter dem Stichwort „hygienisch beherrschbarer Bereich“ diskutiert wurde. Erfasst wurden hiervon Fälle, in denen zum Beispiel eine infizierte Arzthelferin bei der Operation mitwirkte oder ein Tubus verwandt wurde, der nachweisbar infiziert war. In diesen Fällen musste der Patient beweisen, dass die Arzthelferin beziehungsweise der Tubus infiziert war. Der „hygienisch beherrschbare
Bereich“ wurde somit dann angenommen, wenn sich das Risiko, dass sich beim Patienten verwirklicht, aus einem Bereich stammte, dessen Gefahren ärztlicherseit objektiv voll ausgeschlossen werden können und müssen. Letztendlich war mit dieser Beweislastumkehr dem Patienten aber alles andere als geholfen: Wer kann schon beweisen, dass eine Arzthelferin oder ein bei der OP verwandter Tubus infiziert war?
Diese Schwierigkeit hat im Jahr 2016 auch die Rechtsprechung gesehen und entsprechend reagiert. Seitdem gilt der Grundsatz, dass der Patient bei einer Keiminfektion im Krankenhaus oder in der Arztpraxis nur konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vortragen und beweisen muss. Gelingt ihm dies, muss das Krankenhaus beziehungsweise der Arzt beweisen, dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen haben, um das Risiko beziehungsweise dessen Realisierung zu vermeiden.
Gemäß § 630h Abs. 1 BGB wird ein Fehler des Behandelnden vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und zur Verletzung des Körpers des Patienten geführt hat (voll-beherrschbares Risiko). Die Behandlungsseite muss dann darlegen und beweisen, dass sie alle erforderlichen organisatorischen und technischen Vorkehrungen ergriffen hat, um die Realisierung des Risikos zu vermeiden. Die Behandlungsseite hat dann
die Vermutung der objektiven Pflichtwidrigkeit sowie des Verschuldens zu widerlegen. Diese Beweislastumkehr betrifft ausdrücklich nicht die Ursächlichkeit zwischen dem Fehler und dem Schaden des Patienten (vergleiche BGH, Urteil vom 28.8.2018 – VI ZR 509/17).
Kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Patient selbst Träger des Keims war oder der Keim durch einen Besucher übertragen wurde, verbleibt es bei der Beweislast des Patienten für den Hygienefehler und das Verschulden.
Den Krankenhausträger beziehungsweise den Arzt trifft jedoch dann eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast, wenn der Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß vorgetragen hat. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Patient darauf hinweist, er sei frisch operiert neben einem Mitpatienten gelegt worden, der unter einer offenen, infizierten Wunde gelitten und sein offenes Knie allen Anwesenden gezeigt habe. Die Behandlerseite muss dann vortragen, welche Maßnahmen sie getroffen hat, um eine sachgerechte Organisation und Koordinierung der Behandlungsabläufe und die Einhaltung der Hygienebestimmungen sicherzustellen (interne Qualitätssicherungsmaßnahmen, Hygienepläne, Arbeitsanweisung und so weiter).
Erst wenn der Behandlungsseite dieser Beweis nicht gelingt und ein grober Behandlungs- beziehungsweise grober Hygienefehler angenommen werden kann, kommt es zu einer Beweislastumkehr im Hinblick auf die Ursächlichkeit des Hygienefehlers für den Eintritt des Gesundheitsschadens beziehungsweise der Infektion.
Der Fall: BGH vom 16.8.2016, Aktenzeichen: -VI ZR 634/15-: Der Kläger befand sich im beklagten Krankenhaus zur operativen Versorgung seiner Beschwerden im rechten Ellenbogen, sogenannter Tennisarm. Im Anschluss an die Operation wu de der Kläger mit einem Patienten im Zimmer untergebracht, der unter einer offenen, eiternden und mit Keimen infizierten Wunde litt. Zwei Tage später wurde der Kläger zunächst bei reizlosen Wohnverhältnissen in die hausärztliche Nachsorge entlassen. Aufgrund starker Schmerzen im Bereich des angeschwollenen rechten Ellenbogengelenks und sichtbarer Eiterbildung musste nach zwölf Tagen eine Revisions-OP durchgeführt werden. Aus der alten Wunde entleerte sich Eiter, ein Abstrich wurde genommen sowie anschließend die Wunde sowie deren Infektion versorgt. Eine Untersuchung des entnommenen Abstrichs ergab eine Wundinfektion mit MRSA, der multisensibel auf Antibiotika reagierte. Der Kläger musste anschließend noch ein drittes und viertes Mal am betroffenen Ellenbogen operiert werden. Er leidet nach wie vor unter Bewegungs- und Funktionseinschränkungen sowie unter Ruhe- und Belastungsschmerz am Ellenbogen.
Der BGH formulierte hier folgende Grundsätze: Zwar muss grundsätzlich der Patient alle Tatsachen behaupten, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Dieser Grundsatz bedarf einer Einschränkung, wenn die primär darlegungsbelastete Partei, hier:
der Patient, außerhalb des von ihm vorzutragenden Geschehensablaufs
steht und ihm eine nähere Substantiierung nicht möglich oder nicht
zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen
kennt oder unschwer in Erfahrung bringen kann und es ihm zumutbar ist,
nähere Angaben zu machen. Diese Voraussetzungen sah der BGH als
gegeben an, da der Patient konkrete Anhaltspunkte für einen Hygieneverstoß
vorgetragen habe. Er habe insbesondere darauf hingewiesen, dass er
als frisch operierter Patient neben einen Patienten gelegt worden sei, der
unter einer offenen, mit einem Keim infizierten Wunde im Kniebereich gelitten habe. Dieser Vortrag, so der BGH, genüge um eine erweiterte Darlegungslast des Krankenhauses auszulösen.
Fazit:
Bei stationären Krankenhausaufenthalten aber auch bei ambulanten Operationen sollte man stets auf die Einhaltung üblicher Hygienestandards achten. Wichtig ist, dass sich Arzt und Arzthelferin die Hände desinfizieren, gegebenenfalls Schutzkleidung tragen und es zu einer ordentlichen Reinigung des Krankenhauszimmers kommt. Das Robert-
Koch-Institut hat diverse Richtlinien zur Einhaltung von Hygienestandards in den verschiedensten Situationen erlassen.
INFEKTIONSPRÄVENTION DES ROBERT-KOCH-INSTITUTS (SOGENANNTE
„KRINKO“) BEISPIELSWEISE:
– Prävention postoperativer Infektionen im Operationsgebiet,
– Anforderungen der Hygiene bei Operationen und anderen invasiven Eingriffen,
– Anforderungen der Hygiene beim ambulanten Operieren im Krankenhaus und Praxis.
Die vorgenannten Abhandlungen, die von der Homepage des Robert-Koch-Instituts heruntergeladen werden können, beinhalten konkrete Angaben zu Hygienevoraussetzungen innerhalb der jeweiligen Eingriffe. Ein weiterer Organisationsfehler stellt die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten dar. Das Krankenhaus oder die Arztpraxis haben Vorsorge zu treffen, dass der Patienten nicht durch andere Personen im Krankenhaus oder in der Arztpraxis zu Schaden kommt. Das Krankenhaus muss zum Beispiel sicherstellen, dass unbefugte Personen die Säuglingsstation nicht betreten können, um die Säuglinge zu entwenden oder überhaupt an diese heranzukommen.
Recht häufig sind auch sogenannte Lagerungsschäden: Bei durchgeführten Bewegungs- und Transportmaßnahmen darf es nicht zu Stürzen des Patienten kommen. Das Krankenhaus oder die Arztpraxis schuldet dem Patienten bereits aufgrund des Behandlungsvertrages eine sachgerechte pflegerische Betreuung. Die Lagerung des Patienten auf einer Krankenhausliege kann für das Krankenhaus einen „voll beherrschbaren Bereich“ darstellen. Kommt es in diesem Bereich zu Verletzungen des Patienten, muss das Krankenhaus darlegen und beweisen, dass alle erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung des Risikos ergriffen wurden. Gelingt dem Krankenhaus oder der Arztpraxis dieser Entlastungsbeweis nicht, so können dem Patienten Schadensersatzansprüche zustehen.
Beispiel für einen Sturz in der Dusche: Es kommt vor, dass Patienten beim Duschen im Krankenhaus vom Duschstuhl abgleiten und sich hierbei gravierende Verletzungen zuziehen. Ist der Patient noch nicht vollständig mobilisiert, müssen die Pflegekräfte beim Duschvorgang behilflich sein und deutlich und eindringlich auf die bestehende Kippgefahr des Duschstuhls hinweisen. Der Patient muss aus diesem Grund darüber aufgeklärt werden, sich absolut ruhig zu verhalten und nicht nach einem Handtuch zu greifen. Kommt das Pflegepersonal diesen Verpflichtungen nicht nach und kommt es sodann zu einem Sturz, so liegt eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht des Krankenhauses vor, die zu einer Haftung führen kann.
Ein weiterer Fall eines Organisationsfehlers ist die unterbliebene beziehungsweise unzureichende Befundübermittlung. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der behandelnde Arzt sicherzustellen hat, dass der Patient von bedrohlichen Befunden – und einer gegebenenfalls angeratenen Behandlung – Kenntnis erhält. Dies gilt auch dann, wenn diese Befunde erst nach dem Ende des Behandlungsvertrages bei dem Arzt eingehen. Unterbleibt eine Information des Patienten über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gibt, handelt es sich um einen groben Behandlungsfehler (vergleiche BGH, Urteil vom 26.06.2018 – VI ZR 285/17).
Beispiel für den nicht weitergeleiteten Befund: In den entschiedenen Fall hatte die Hausärztin des Patienten eine Krankenhauseinweisung wegen Schmerzen im Bein und Fuß ausgestellt. Im Verlauf hatte sich der Patient dann in einem Krankenhaus vorgestellt. Die dortige Untersuchung hatte den Befund eines bedrohlichen bösartigen Nervenscheidentumors ergeben. Dieser Befund war der beklagten Hausärztin schriftlich mit der Bitte übermittelt worden, den Patienten in einem onkologischen Spezialzentrum vorzustellen. Eine Weiterleitung dieses Schreibens oder eine sonstige Information des Patienten durch die Hausärztin erfolgte jedoch nicht.
5. Koordinationsfehler, Arbeitsteilung
Eng mit den Organisationsfehlern sind die Koordinationsfehler verbunden, worunter die Haftung infolge von Arbeitsteilung verstanden wird. Bei der medizinischen Behandlung greifen einzelne Arbeitsschritte ineinander, sodass es mitunter schwierig ist, eine haftungsrechtliche Zuordnung vorzunehmen. Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen horizontaler und vertikaler Arbeitsteilung. Unter horizontaler Arbeitsteilung
wird die weisungsfreie kollegiale Zusammenarbeit von Ärzten verschiedener Fachgebiete verstanden. So wirken zum Beispiel bei einer Operation der Chirurg, der Anästhesist und eventuell der Radiologe zusammen. Demgegenüber bezeichnet die vertikale Arbeitsteilung die fachliche Über- / Unterordnung, also zum Beispiel das Verhältnis von Chefarzt, Oberarzt, Assistenzarzt, Krankenschwester.
Zur horizontalen Arbeitsteilung gehört es, dass ein niedergelassener Arzt den Patienten, dessen Behandlung in das Gebiet eines anderen Facharztes fällt oder dessen Behandlung von ihm aufgrund unzureichender Ausstattung oder fachlicher Spezialisierung nicht übernommen werden kann, an einen anderen Facharzt oder in ein Krankenhaus überweist. Auch der in einem Krankenhaus tätige Arzt hat bei sich andeutender Überschreitung der Grenzen seines Fachwissens einen Konsiliararzt, also
einen Arzt einer anderen Fachabteilung, beziehungsweise einen niedergelassenen
Facharzt hinzuzuziehen oder die Überweisung des Patienten in die entsprechende Fachabteilung des Krankenhauses beziehungsweise in eine Spezialklinik zu veranlassen.
In der horizontalen Arbeitsteilung gilt der Vertrauensgrundsatz. Das bedeutet, jeder Arzt muss den Gefahren begegnen, die in seinem Aufgabenbereich bestehen. Der später
tätige Facharzt kann sich folglich grundsätzlich auf die fehlerfreie Vorarbeit des Allgemeinmediziners verlassen. Gegenseitige Überwachungspflicht besteht bei offensichtlichen Fehlleistungen des Vorbehandlers!
Es besteht grundsätzlich keine gegenseitige Überwachungspflicht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn offensichtliche Fehldiagnosen oder Fehlbehandlungen vorliegen. In diesem Fall muss auch der nachbehandelnde Arzt unverzüglich tätig werden, um sich nicht einer Mithaftung auszusetzen.
Eine weitere Ausnahme gilt, wenn zwei Ärzte des gleichen Fachgebietes nacheinander den Patienten behandeln. In diesem Fall ist der Nachbehandler gehalten, sich der Richtigkeit der Diagnose des Vorbehandlers zu vergewissern.
Besonders praxisrelevant ist die Abgrenzung der Haftung im Rahmen einer Operation. In Rede stehen hier insbesondere die Verantwortungsbereiche des Operateurs und die des Anästhesisten.
Wofür haftet der Operateur:
– Allgemeine Operationsfähigkeit des Patienten,
– Überprüfung der Lagerung bei Beginn und während der Operation,
– Allgemeine Wundinfektionsprophylaxe,
– postoperative Nachsorge und therapeutische Nachbehandlung nach dem Abklingen der Narkosewirkungen,
– Nachsorge nach erfolgter Übergabe des Patienten auf die Krankenstation.
Wofür haftet der Anästhesist:
– Vorbereitung und Durchführung der Narkose einschließlich der entsprechenden Aufklärung,
– Entscheidung über das Anlegen einer Kanüle, deren Durchführung und Kontrolle,
– Beurteilung der Narkosefähigkeit des Patienten,
– richtige Dosierung von nach Narkotika, Sedativa, undsoweiter,
– Erkennung und Reaktion auf spezifische Anästhesiekomplikationen,
– Lagerung zur Verabreichung des Hypnotikums, Anästhetika undsoweiter und die intraoperative Kontrolle der Lagerung des Patienten,
– Erhebung der zur Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen und Narkosefähigkeit erforderlichen Befunde,
– Überwachung des Patienten während der OP,
– Kontrolle des Blutdrucks und Behebung eines Volumenmangels während und in der ersten Zeit nach der OP,
– vorbeugende Kontrolle eingesetzter Infusionsschläuche und Verweilkanüle,
– Durchführung der Narkose, weitere kontinuierliche Beatmung und Überwachung des Patienten nach der OP,
– postoperative Kontrolle der Kreislauf- und Atmungsstabilität,
– Kontrolle in der operativen und postnarkotischen Phase bis zur Wiedererlangung der Schutzreflexe, wie zum Beispiel Spontanatmung, Normalisierung von EKG und Blutdruck.
Bei der vertikalen Arbeitsteilung geht es um die Frage welche Aufgaben jeweils auf die nächstniedrigere Hierarchiestufe verlagert werden dürfen. Also welche Tätigkeiten darf der Arzt beispielsweise der Krankenschwester übertragen und inwieweit bedarf es einer Kontrolle? Für die Delegierbarkeit ärztlicher Leistungen hat die Rechtsprechung drei Kriterien entwickelt:
– Es darf kein besonderes ärztliches Fachwissen oder eine besondere ärztliche Erfahrung erforderlich sein. Kernaufgaben ärztlicher Tätigkeiten dürfen nicht übertragen werden.
– Das Maß der Gefährdung des Patienten ist zu berücksichtigen. Die übertragene Aufgabe darf sich nicht als schwierig darstellen. Die Möglichkeit einer Gefährdung des Patienten muss relativ fern liegen.
– Schließlich muss die ausführende Person die notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse zur Bewältigung der übertragenen Aufgabe haben und sich fachlich zur Ausübung dieser Tätigkeit qualifiziert haben.
Beispiel für nicht delegierbare Leistungen: Nicht auf das nichtärztliche Personal dürfen übertragen werden:Sämtliche operativen Eingriffe, neben der Diagnosestellung und Befundung auch Einspritzungen in Katheter, Ports bei zentraler Lage in herznahe Venen, in das Ventrikelsystem, das arterielle System, den Periduralraum, sowie das Peritoneum. Das Anlegen von Bluttransfusionen und das Wechseln von Blutkonserven. Ärztliche Untersuchungen, Diagnostik, ärztliche Beratung des Patienten einschließlich
der Aufklärung. Intravenöse Injektionen eines Röntgenkontrastmittels.
Folgende Leistungen dürfen auf das nichtärztliches Personal übertragen werden: Subkutane, intravenöse sowie intramuskuläre Injektionen, wenn die Krankenschwester oder Krankenpfleger mit den hierfür erforderlichen Kenntnissen und Erfahrungen ausgestattet sind. Intraarterielle und intraartikuläre Injektionen sind umstritten.
Bei der vertikalen Arbeitsteilung geht es aber nicht nur um das Verhältnis zwischen Arzt und nichtärztlichem Personal, sondern auch um das Verhältnis zwischen Ober- oder Chefarzt und Assistenzarzt. Grundsätzlich ist die Übertragung einer selbstständig durchzuführenden Operation auf einen Assistenzarzt unzulässig. Gleiches gilt für die eigenverantwortliche Übertragung einer Geburt auf einen nicht ausreichend qualifizierten Assistenzarzt. Eine Haftung des Assistenzarztes kommt in diesen Fällen aber nur dann in Betracht, wenn er aufgrund seines Ausbildungsstandes hätte Bedenken haben müssen und eine Gefährdung des Patienten hätte voraussehen müssen. Unabhängig hiervon haftet aber der übergeordnete Arzt, der die Übertragung der Operation auf den Assistenzarzt angeordnet hat.
Hinweise für den Arzt: Dokumentieren Sie, wenn Sie anderer Meinung
sind als Ihr Vorgesetzter!
Vornehmlich in Krankenhäusern kommt es vor, dass ein hierarchisch nachgeordneter Arzt (zum Beispiel Assistenzarzt) eine Symptom- oder Befundlage anders einschätzt als der vorgesetzte Arzt (zum Beispiel Chefarzt) und unterschiedliche Ansichten über die zu ergreifenden Maßnahmen bestehen. Da der Chefarzt „das letzte Wort“ haben wird, empfiehlt es sich, die eigene abweichende Meinung zu dokumentieren, um sich persönlich in einem späteren Haftungsfall freizeichnen zu können.
Behandlungsfehler können dramatische Folgen für den Patienten haben. In Extremfällen können Behandlungsfehler zu einer jahrelangen Belastung durch körperliche oder seelische Schmerzen führen. Häufig ist der Patient in einer beklagenswerten Situation: Der erwünschte Heilungserfolg ist ausgeblieben, stattdessen sind neue Beschwerden hinzugetreten und dem Patienten geht es schlechter als zuvor. Viele Patienten fühlen sich in dieser Situation alleingelassen und ohnmächtig. Häufig haben sie nicht mehr die Kraft, sich gegen den Behandlungsfehler


Copyright: @Claudia Tödtmann. Alle Rechte vorbehalten.
Kontakt für Nutzungsrechte – wer Interesse hat, sich Inhalte – über den Link hinaus und ohne davon abhängig zu sein – zu sichern: claudia.toedtmann@wiwo.de
Alle inhaltlichen Rechte des Management-Blogs von Claudia Tödtmann liegen bei der Blog-Inhaberin. Jegliche Nutzung der Inhalte bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung.
Haack / Böttger | Patientenrechte und Behandlungsfehler | 2. Auflage | 2022 | beck-shop.de