Ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten als Expat, ist heute kein Karriereschub mehr, sondern eher so etwas wie ein Bonbon – bunt, spaßig und bereichernd. Sechs Fragen dazu beantwortet Stefan Remhof, Professor für Internationales Management an der IU Internationalen Hochschule in Erfurt .

Stefan Remhof (Foto: Privat)
Herr Remhof, Sie warnen alle Arbeitnehmer davor, mit allzu großen Hoffnungen auf eine nachfolgende Beförderung ins Ausland zu gehen. Warum?
Ganz gleich welche Position: Ich erlebe immer mehr Expats, die zurück kommen nach Deutschland und dann auf dem Abstellgleis landen. Sie verlassen wenig später frustriert ihr Unternehmen, weil ihre Erwartungen nicht erfüllt wurden. Dumm nur, dass sie das vorher nicht ahnen.
Früher waren wenige, ausgewählte international mobile Mitarbeiter vorgesehen, um an die Konzernspitze durchzumarschieren. Sie bauten Niederlassungen in Indien auf oder betreuten wichtige Werke in Brasilien. Anschließend konnten sie sich Hoffnungen auf einen Vorstandsposten machen. Heute gibt es diese Positionen im Ausland zwar immer noch. Dazu kommen viele Experten, die einfach mal in einer anderen Kultur arbeiten wollen, in einem wärmeren Klima, in einem neuen Kulturkreis.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Erst kürzlich konnte ich dies beobachten: Ein deutscher Manager hatte mehrere große Werke in China geleitet und wollte wegen seiner Familie zurück nach Deutschland, wo er die Leitung eines kleinen Werks im Schwarzwald angeboten bekam. Es nahm das Angebot an, obwohl es ein beruflicher Rückschritt war. Eine andere Chance zurückzukommen, gab es für ihn nicht. Er konnte sich aber nicht in die kleineren Aufgaben einfinden, er kam immer seltener ins Büro und schließlich gar nicht mehr – er kündigte nämlich. Das hätte nicht sein müssen. Auf solche Situationen können sich beide Seiten vorbereiten – der Expat wie auch das Unternehmen.
Für viele Manager gehörten ein paar Jahre im Ausland zum Feinschliff, um ins Top-Management zu kommen. Warum ist das jetzt kein Karriereturbo mehr?
Ein paar Jahre im Ausland zu arbeiten, ist heute eher ein Bonbon für die Angestellten als eine schwere Aufgabe, zu der man sich durchringen muss und die nur sehr qualifizierte, erfahrene, empathische und durchsetzungsstarke Menschen bewältigen können. Früher ging es bei Entsendungen zumeist um den Wissenstransfer zwischen dem Headquarter und den Auslandstöchtern – und das auf Top-Ebene. Diese Funktion kann heute digital ausgefüllt werden. Durch die Pandemie hat sich der virtuelle Wissenstransfer sogar noch beschleunigt und ist normal geworden.
Zudem sind die Expertenpositionen in jedem Land inzwischen gut besetzt, meist mit einheimischem Fachpersonal. Die üblichen Vakanzen gibt es überall und die Unternehmen fördern mit internen Programmen den grenzüberschreitenden Austausch. Die Konzerne müssen nicht mehr so stark in Personal investieren, es dazu bewegen, im Ausland zu arbeiten, denn die internationalen Strukturen sind heute vorhanden.
Das Angebot, als Expat zu arbeiten, ist nur noch ein Faktor unter vielen, der einen Arbeitgeber attraktiver machen soll, richtig?
Irgendwie schon: Heute geht es mehr darum, beim internationalen Austausch die Kollegen und ihre andere Arbeitsweise kennenzulernen, sich kulturell zu bereichern – Expats und Entsendungen sind eher wie ein Schüleraustausch geworden. Oft erledigen Expats vor Ort dieselbe Arbeit wie in einem Büro, das in München sein könnte. Nur dass sie jetzt an einem Schreibtisch in Surabaya sitzen und vor dem Fenster Palmen im Wind rauschen.
…. dann darf jeder mal ins Ausland und nicht nur Top-Talente?
Fast alle internationalen Unternehmen werben heute mit interner Mobilität um neue Fachkräfte und bieten ihnen Arbeitsmöglichkeiten in einer Niederlassung in Rio de Janeiro oder New York. Dabei werden nicht unbedingt die Top-Qualifizierten angesprochen und die Konditionen sind auch längst nicht mehr immer so gut, wie sie mal waren – nämlich mit vielen Zulagen und der lebenslangen Garantie, nach der Rückkehr befördert zu werden. Manche Unternehmen passen die Gehälter von Expats sogar dem lokalen Gehaltsniveau und der lokalen Kaufkraft an.
Ins Ausland zu gehen ist also kein Karriere-Ticket, sondern so etwas wie ein Sabbatical oder Elternzeit mit Weltreise?
Image und Umfeld der Expats hat sich gewandelt. Die Unternehmen sollten Qualifizierungs- sowie Weiterbildungsangebote machen und die Auslandsentsendung als persönliche Bildungsinvestition ansehen. Expat zu sein, ist alltäglich geworden.
Und was ist, wenn Expats ihre Einsätze unvorhergesehen abbrechen müssen und in der Zentrale kein freier Posten für sie ist?
Je unsicherer das Land, umso besser sind die vertraglichen Konditionen. Und immer mehr Länder sind von Krisen bedroht, egal ob wirtschaftliche, politische oder ökologische. Gibt ein Unternehmen zum Beispiel sein komplettes Russlandgeschäft auf – das ist der Extremfall – müssen auch die Expats zurück. Dann ist das Unternehmen gefordert.
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