Top-Führungskräfte-Training bei Nestlé: Ein zwölf-Wochen-Training für 370 Vorgesetzte, um Verhaltensänderung auf allen Ebenen zu erreichen. Ein Gastbeitrag

 

 

 

 

Ralf Hengels (Foto: Nestlé/PR)

„Wir haben keine 50 Jahre mehr Zeit“

Wir bei Nestlé stehen vor großen Herausforderungen: Das Unternehmen muss seine Produkte klimaneutral und das gesamte Sortiment gesünder machen, aber dafür haben wir keine 50 Jahre mehr Zeit. Es muss in kürzester Zeit geschehen.

Um diese großen Herausforderungen zu meistern, muss die Art zu führen weiterentwickelt werden. Hierfür hat sich Nestlé eines ungewöhnlichen Werkzeugs bedient: Mindset-Wandel, also dem Wandel der eigenen Denkweise.

 

Zwölf Wochen, die uns veränderten….

Wie lösen wir die Herausforderungen der Zukunft? Wie stärken wir unsere Zusammenarbeit? Wie fördern wir eine offene Feedback- und Lernkultur? Wie können wir die gute Nestlé Unternehmenskultur in Deutschland weiterentwickeln und eine Bewegung starten, um auch in der Zukunft weiter erfolgreich zu sein? Diesen Fragen haben wir, Ralf Hengels (Personalvorstand) und Boris Stojevic (Talent- und Trainingsleiter), uns schon vor zwei Jahren gestellt.

 

Boris Stojevic (Foto: Nestlé)

 

Der Drahtseilakt der Führungskräfte

Wir stehen vor großen globalen Herausforderungen oder müssen plötzlich komplett unerwartete Ereignisse bewältigen wie Digitalisierung, Klimawandel, Globalisierung, Corona-Pandemie oder der schreckliche Krieg gegen die Ukraine, alles sehr komplexe Aufgaben.

Während sich die Welt immer schneller dreht, brauchen wir einen gedanklichen Tapetenwechsel. Wir wollen und müssen wir heute flexibler, offener und innovativer sein. Unsere Führungskräfte treffen Entscheidungen dabei nicht mehr allein. Sie sind auf die Erfahrungen und kreativen Vorschläge des Teams angewiesen und suchen Team-übergreifend neue Lösungen. Gleichzeitig vorgegebene Prozesse einzuhalten, absolut präzise zu arbeiten und verlässlich zu bleiben, ist ein Drahtseilakt. Insbesondere in der Ernährungsindustrie. Und weil wir den Wandel nicht von heute auf morgen schaffen, sind Zeit und vor allem Training nötig.

 

Der Gedanke, einen solchen Wandel herbeizuführen, reifte bei Nestlé schon länger. Auf Papier gab es schon Anfang 2020 eine Vision, wie Zusammenarbeit und Führungskultur künftig aussehen sollen. Die wichtigsten Punkte: Wie lösen wir die Herausforderungen der Zukunft? Wie stärken wir unsere Zusammenarbeit?

Wie fördern wir eine offene Feedback- und Lernkultur? Wie können wir die gute Nestlé-Unternehmenskultur in Deutschland weiterentwickeln, um auch in der Zukunft erfolgreich zu sein?

 

Was aber fehlte, war die praktische Umsetzung. Ein spezielles Programm für die Führungskräfte sollte ein elementarer Baustein für die Transformation sein. Denn Führungskräfte spielen eine sehr wichtige Rolle bei der Zusammenarbeit in den Teams. Ganz klassisch haben wir zunächst die Idee verfolgt, Workshop-Formate in Präsenz mit zwei bis drei Tagen in einem Hotel mit externen Trainern anzubieten. Dann kam aber plötzlich die Pandemie und hat alles auf den Kopf gestellt. Letztlich reifte dann im Jahresverlauf unser Mut und die Entscheidung, mit der jungen Firma TheNextWe einen sehr innovativen Weg einzuschlagen.

 

 

Gespräche über das persönliche Mindset liefern die Grundlage

Gemeinsam mit dem Team von TheNextWe entwickelten wir ein maßgeschneidertes Programm für Nestlé Deutschland, das jeden Teilnehmer individuell unterstützt. Dafür haben wir zunächst mit rund 100 Kollegen aus allen Bereichen gesprochen – mit und ohne direkte Führungsverantwortung – und auch mit Betriebsräten. Durch den detaillierten Input der zukünftigen Programm-Teilnehmern wurden dann drei individuelle Lernpfade mit unterschiedlichen Schwerpunkten entlang unserer Vision von Führung und Zusammenarbeit entwickelt. Maßgeschneidert.

 

Zuerst die Analyse des persönlichen Mindsets: der inneren Haltung zu den wichtigsten beruflichen Themen

Die hinderliche Haltung: Viel Arbeit, Überstunden und selber machen

Als diese Basis gelegt war, starteten die ersten 50 Kollegen, darunter das gesamte oberste Führungsteam (inklusive CEO und Vorstände), mit dem Pilot für unser zwölfwöchiges Programm, und zwar mit einer Analyse des persönlichen Mindsets: der inneren Haltung zu den wichtigsten beruflichen Themen. Ein Beispiel für eine hinderliche Haltung: „Karriere und gute Ergebnisse erreiche ich als Führungskraft nur durch viel Arbeit, Überstunden und selber machen.“ Eine wünschenswertere Haltung hier wäre: „Der Erfolg meiner Führung ist die gelungene Weiterentwicklung von Menschen. Sie erfahren Wertschätzung durch Aufgaben und Verantwortung.”

 

Praktische Erkenntnisse: Höre ich mehr zu als ich spreche? Lasse ich Raum für Antworten?

Sich aufmerksam angucken – das gelingt am besten mit einem Spiegel. Daher sind gerade in den ersten Wochen die persönlichen Gespräche mit den professionellen Coaches von TheNextWe wichtig. Hier werden die für den eigenen Job relevanten persönlichen Haltungen erkannt und überdacht. Das fängt mit ganz praktischen Beobachtungen an: Höre ich mehr zu als ich spreche? Lasse ich Raum für Antworten? Wenn nicht: Warum tue ich das? Mit solch einfachen Fragen, Ehrlichkeit und Vertrauen gelingt eine Selbsterforschung, die zeigt, wo man nicht weiterkommt – obwohl man es eigentlich gerne hätte.

 

Austausch via App im Handy übers eigene Verständnis von gutem Führungsstil 

Der Austausch erfolgte über eine App, in der sich Teilnehmer und Coaches via Chat und telefonisch unterhielten. Im Fokus dabei: der eigene Blick auf die Welt, das grundsätzliche Verständnis von einem guten Führungsstil, persönliche Einstellungen und konkrete, individuelle Ziele. Dazu gehörte auch das Verhältnis zu Feedback. Viele Menschen halten das für Kritik und etwas Negatives. Wenn wir aber eine offene Lernkultur erreichen möchten, in der Feedback offen gegeben und positiv angenommen wird, müssen wir diesen persönlichen Standpunkt loslassen.

 

Üben, üben, üben – theoretisches Wissen ändert nichts an unserer Einstellung 

Das Motto der folgenden Wochen lautete dann: Üben, üben, üben! Nur mit theoretischem Wissen ändern wir unsere Einstellung nicht. Es geht auch um Ausprobieren von neuen Verhaltensweisen. Und das ist wie ein Muskel, der trainiert werden muss. Dabei halfen sowohl die wöchentlichen Aufgabenstellungen und Impulse der Coaches als auch begleitende Angebote in der App.

 

Video: TheNextWe – Wie können wir Führung neu denken? – YouTube

 

Der Plan geht auf: Mehr als jeder dritte Vorgesetzte lernte, besser zuzuhören, jeder fünfte mehr Antworten Raum zu geben

Der Erfolg des Pilot-Programms setzte sich fort, als danach mehr als 370 Führungskräfte mitmachten. Das Programm hatte eine extrem hohe Beteiligung und Abschlussrate: Von 2.298 geplanten Coaching-Gesprächen fanden nur neun nicht statt. Diese Zustimmung bewirkte eine hohe Quote beim Erreichen der gesteckten Ziele. In den praktischen Aspekten von Führungsarbeit berichteten die Führungskräfte von großen Verbesserungen: „Ich höre mehr zu, als ich spreche“ – diese Kompetenz erfuhr eine Steigerung von 37 Prozent. „Ich lasse Raum für Antworten“ – das schätzten Teilnehmer nach dem Programm an sich um 21 Prozent stärker ein als zuvor. „Ich wage täglich Neues“: die Zustimmung zu dieser Aussage wuchs um 28 Prozent – ein Mindset, das Mitarbeiter zu echten Entwicklern des Unternehmens macht.

Was für die ersten 50 Führungskräfte wirkte, funktionierte auch für mehr als 370: Die schnelle und effektive Skalierung, so viele Trainer gleichzeitig im Einsatz, war ein Riesenvorteil des Programms. Und sehr beeindruckt hat uns das positive Feedback. Über 96 Prozent der Teilnehmer waren mit den Programm sehr zufrieden und mehr als 90 Prozent sagen, dass ihr neues Mindset sehr zur persönlichen Entwicklung und zur Entwicklung der Unternehmenskultur beigetragen hat. Auch die jeweiligen Teams berichten uns von spürbaren und positiven Veränderungen.

 

Hier geht es zu einem Podcast von Marc-Aurel Boersch und Insa Klasing über das Projekt: #12 New Leadership für alle. Mit Marc-Aurel Boersch – TheNextWe Mindset:Wandel | Podcast auf Spotify

 

 

 

Management-Blog jetzt unter den Top-Ten im Blogger-Relevanzindex 2022 – es gibt was zu feiern! Wer die Top-100 Blogs sind – hier die ganze Liste | Management-Blog (wiwo.de)

(Foto: C.Tödtmann)

 

 

 

 

Copyright: @Claudia Tödtmann. Alle Rechte vorbehalten. 

Kontakt für Nutzungsrechte: claudia.toedtmann@wiwo.de

Alle inhaltlichen Rechte des Management-Blogs von Claudia Tödtmann liegen bei der Blog-Inhaberin. Jegliche Nutzung der Inhalte bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung.

Um den Lesefluss nicht zu behindern, wird in Management-Blog-Texten nur die männliche Form genannt, aber immer sind die weibliche und andere Formen gleichermaßen mit gemeint.

 

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*