Ein Teller Salat mit Baurechtler Stephan Freund, der das ewige Warten auf Gerichte und Sachverständige satt hat

Nur um mal in eine Bauakte einer Behörde hineinsehen zu dürfen, muss man sechs Monate auf den Termin warten, stöhnt Baurechtler Stephan Freund von der Kanzlei Heuking. Ganz neu ist mir sein Ärger über solche Zeitverluste nicht, aber seine Erzählungen und Beispiele werden jedes Jahr skurriler. Und tragischer. Früher berichtete er von der Genehmigung für einen Wintergarten an einem Reihenhaus, für den das Bauamt ein Jahr brauchte. Digitale Akten in den Behörden, die das Tempo beschleunigen könnten? Pustekuchen. Die Devise heißt Warten, Warten und wieder Warten – auf Beamte, auf Richter und Gerichte und vor allem Bausachverständige.

Im „Ash“ im Düsseldorfer Norden erzählt er von einem Zwischenfall, den er kürzlich erlebte bei einem Millionen-Prozess, der schon seit sieben Jahren läuft: Beim letzten Termin vor einigen Monaten erschien ein Zeuge nicht, der Richter terminierte neu – „aufs Frühjahr“, sagte der. Na gut, dachte Feund und sagte: „Also in ungefähr sechs Monaten?“ Doch der Düsseldorfer Jurist erntete nur Hohngelächter. „Nein, nicht im kommenden Frühjahr, sondern im Frühjahr 2023“, korrigierte ihn der Richter, berichtet Freund.

 

Stephan Freund (Foto: C.Tödtmann)

 

War das eine Ausnahme? Nein, eher der Normalfall. Weitere Beispiele gefällig? Freund erzählt von einer Luxemburger Firma, seiner Mandantin. Die wartet  jetzt seit zweieinhalb Jahren auf den ersten Termin für die mündliche Gerichtsverhandlung, erzählt der Rheinländer. Was sie tun könnten, um das Verfahren zu beschleunigen, wollten die Luxemburger von ihm wissen? „Nichts“, musste er antworten. Man könnte sich nur beim Gerichtspräsidenten beschweren, das brächte aber auch reinweg nichts.

 

Null Handhabe gegen die Missstände

Was er denn seinen Mandanten dann noch sagen kann? Dass er alles Juristische für sie tun kann, auch Chancen und Risiken auszuloten – aber er könne kein Gericht in Gang bringen. Niemand kann das, dafür gibt es keine Handhabe, keinen Paragrafen, nichts.

Ob denn die Digitalisierung, die die ganze Welt wegen der Pandemie von jetzt auf gleich mitmachte, an der Justiz vorbeigegangen ist? So sieht´s aus, sagt Freund. Seine allererste Zoom-Gerichtsverhandlung habe er erst kürzlich, im Januar 2022 zugeteilt bekommen – knapp zwei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie.

 

Die Folgen sind für manchen Klienten nicht nur teuer, sondern richtig tragisch: Etwa für die Dame, die vor acht Jahren von einem Bauträger ein altersgerechtes Haus für sich bauen lassen wollte. Damals war sie Mitte 60 und fit, Zeit genug, so schien´s. Seitdem steht aber erst der Rohbau und etwas mehr, die Mängelliste umfasst 200 einzelne Punkte von Rissen im Mauerwerk bis hin zu Fehlern an der Elektroanlage. Der Streit landete beim Gericht. Die Richter beauftragten vier verschiedene Sachverständige nacheinander. Nicht etwa gleichzeitig ihre jeweiligen Expertisen zu den jeweiligen Problempunkten abgeben und die Rückfragen des Gerichts beantworten können, spottet Freund. Nein, nur alle nacheinander. Schön der Reihe nach. Dann sind schnell sieben Jahre weg, denn ein Gutachten für Bausachen dauert im Schnitt ein bis anderthalb Jahre, rechnet Freund vor. Wann und ob die ältere Dame jemals in ihr Haus für den Ruhestand einziehen kann, steht in den Sternen.

 

Alles nur der Reihe nach – Parallelarbeiten sind nicht gewollt

Warum das so ist?  Etwa auch darum, weil immer nur ein- und dieselben Akten in Papierform hin- und herwandern zwischen allen Beteiligten. Freund habe mal dem Richter angeboten, dass die Akten auf Kosten seines Mandanten viermal kopiert werden und dann alle vier Gutachter gleichzeitig loslegen können, erzählt er. Nach zwei Telefonaten habe der Richter dann ein Einsehen gehabt und sich bereit erklärt, die Genehmigung für solch ein Procedere einzuholen – geklappt hat´s am Ende aber doch nicht. Warum nicht? Freund zuckt nur mit den Achseln.

 

Wischi-Waschi-Antworten kommen von den schlechteren Gutachtern

Und warum die Gutachter so lange Zeit brauchen, will ich wissen. Ob es zu wenige Sachverständige gibt? Ja, meint Freund, jedenfalls von den Guten. Die anderen gäben nur Wischiwaschi-Antworten, reden keinen Klartext und drücken sich um deutliche Aussagen herum, erzählt der Düsseldorfer. Mit solchen Antworten könnten auch die  Richter nichts anfangen. Richter wollten Vergleiche zwischen den Parteien und Sachverständigen, die knackige Ergebnisse liefern. Dann brauchen auch sie sich nämlich auch nicht mehr die Arbeit machen, ein Urteil zu schreiben.

 

 

 

Ein Teller Rucola-Salat mit Heuking-Baurechtler Stephan Freund: „Bauen ist das letzte große Abenteuer“

 

 

 

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