Je mehr virtuelles Arbeiten aus dem Homeoffice, umso weniger Tempo und Qualität, zeigt eine Umfrage

Heimeliges Homeoffice? Vielleicht. Aber nicht effizient. Management Consultant Petrit Isufi von der IT-Unternehmensberatung Kobaltblau zeigt auf, wieso. (Gastbeitrag)

 

Petrit Isufi (Foto: Kobaltblau)

Je pandemischer die Lage, desto heimeliger das Office. Nur: Die Qualität der Arbeit in den heimischen vier Wänden scheint oft nicht so doll zu sein. Dies meinen zumindest 58 Prozent der süddeutschen Entscheider in den Top-100-Unternehmen, die für unsere Kobaltblau-Studie befragt wurde. Die erleben nämlich einen signifikanten Qualitätsverlust.

 

Wie genau das festzustellen ist? Zunächst dauert es viel länger bis etwas überhaupt losgeht. Entscheidungsprozesse werden verlangsamt, wenn man mehrere Leute zum Video-Call zusammenbringen muss.

 

Virtuell dauert länger als mal eben übern Gang zu gehen

Der kurze Dienstweg, der schnelle Gang zum Schreibtisch oder Büro gegenüber, wird virtuell viel länger. Und man wartet viel länger auf Arbeitsergebnisse, was bei Projekten  mit Fristsetzung zu Problemen führt. Oder die Qualität sinkt, wenn es am Ende nach langen virtuellen Abstimmungen doch ganz schnell gehen muss. Auch die Kreativität leidet, wenn man nicht mal eben in der Kaffeeküche in der Firma brainstormen kann, Ideen aufschnappt und sich mal eben auf dem Gang austauschen kann.

 

Und auch an der Digitalisierung hapert`s nach wie vor. Ganz banale Prozesse bedürfen  noch viel manuellen Aufwands. Anstelle von digitalen Unterschriften müssen zum Beispiel im öffentlichen Dienst noch Dokumente im Büro unterschrieben und eingescannt werden. Dies frisst Zeit und Nerven der Mitarbeiter.

 

Auch immerhin 39 Prozent der privaten Unternehmen sagen, dass sie nicht alle IT-Kernprozesse abbilden können und 36 Prozent müssen auf Support-Leistungen, wie etwa auf einen voll-digitalen Help-Desk, verzichten. Im besten Fall folgt dann nur ein unnötiger Arbeitsschritt, nämlich der Griff zum Telefon. Schlimmer noch und leider gang und gäbe: Für den Urlaubsantrag oder irgendwelche Freigaben sind noch richtige Unterschriften nötig, hinter denen sonst der Referent aus der Personalabteilung mit seiner Unterschriftenmappe unterm Arm dem Linienmanager hinterherrennt. Oder der Kollege bringt den streikenden Laptop mal eben in die IT-Abteilung. Das klappt im Home-Office nicht.

 

Manager ohne Datenzugriff

Schlimmer noch: Ein Drittel der Manager können nicht einmal uneingeschränkt auf die firmeneigenen Daten und Systeme zugreifen. Warum nicht? Bei 60 Prozent liegt dies vor allem an einer heterogenen, wild gewachsenen Prozess-Landschaft. Das heisst, wenn im Laufe der Jahre ohne klare IT-Strategie mal hier und da mal immer mal wieder  ein Tool oder eine Software angebaut wurde.

 

Hinzu kommt holprige Technik in den Unternehmen: Heute gibt es für jeden Bedarf  Cloud-Lösungen, die jedem den Remote-Zugriff auf seine relevanten Daten erlauben – wäre da nicht die technische Umsetzung in den Unternehmen oft so schlecht.

 

Der Kontrollwahn der Mikromanager multipliziert Dauer und Aufwand

Immerhin 20 Prozent der Manager sehen aber auch kulturelle beziehungsweise mentale Hürden bei Ihren Mitarbeitern. Denn: Für Mikromanager ist Remote-Arbeit eine echte Herausforderung. Nicht permanent zu wissen, was der Mitarbeiter gerade treibt, potenziert Kontrollwahn und multipliziert Dauer und Aufwand in Abstimmungs- und Arbeitsprozessen. Fehlende Regelungen tun ihr Übriges, sorgen für Unsicherheiten beziehungsweise führen zum Nicht-Entscheiden. Weil man ja einen Fehler machen könnte oder schlicht nicht weiß „darf ich das jetzt entscheiden?“

Und Fehler scheinen irgendwie remote doppelt zu zählen, weil die, nicht immer konstruktive, Kritik via Tastatur viel leichter fällt als face-to-face. Die Folge: Wer Angst hat abgestraft zu werden, macht bestenfalls Dienst nach Vorschrift. Natürlich sind nicht alle Homeoffice-Worker gleich, der eine blüht allein am Küchentisch auf, der andere muss online viel mehr gepusht werden.

 

Die häufigsten vier Homeoffice-Typen sind diese:

Die einsamen Single, die kaum äußere Struktur haben und brauchen, der Job gibt ihnen den Alltagsrahmen und der Weg zur Arbeit trennt buchstäblich Job und Privatleben. Ihnen fehlt die menschliche Interaktion als soziale Komponente im Büro extrem.

Die Freiheitsliebenden, die von der aktuellen Situation prinzipiell begeistert sind, zuhause genauso produktiv sind wie im Büro. Die Zunahme an Selbstbestimmung steigert ihre Produktivität. Sie strukturieren sich ihren Tag selbst, sie muss man aber auch bei der Stange halten, denn sie können bei jedem Unternehmen funktionieren;

Die frustrierten Kreativen, mit gemischten Gefühlen-, Privat- und Berufsleben kommen in der aktuellen Situation gefühlt zu kurz. Sie kommen zwar schnell und gut mit der neuen digitalen Technik zurecht, aber ihnen fehlt der spontane, kreativitätsfördernde menschliche Austausch;

Die Überarbeiteten, die nun jeden Tag mit sich teils widersprechenden Anforderungen zurechtkommen müssen: Meeting und Kinderbetreuung/Homeschooling, gerade Frauen sind die Leidtragenden.

 

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Auf ersten Blick sind die meisten Unternehmen zwar mittlerweile recht gut auf das Remote-Arbeiten eingestellt. Schaut man aber genauer hin, gibt es erhebliche technische und kulturelle Hindernisse in vielen Firmen.

Anscheinend besser ergeht es den 45 Prozent der Manager, die sagen, dass ihre Unternehmen darauf angewiesen seien, ihre Mitarbeiter vor Ort einzusetzen und deshalb (vorgeblich) kein  Homeoffice anbieten können. Häufigste Begründungen: Qualitätskontrollen sind nur vor Ort möglich, Meetings mit neuen Lieferanten oder Probearbeiten sind nun mal schwer remote durchzuführen und „der Kunde will uns persönlich sehen, bevor er sein Geld ausgibt“.

 

 

 

 

 

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