Profifußballerinnen können nicht von ihrem Sport leben, Profifußballer verdienen dagegen klotzig – Gleichstellung Fehlanzeige (Gastbeitrag)

Gender Pay Gap im Fußball: Rote Karte für die Gehälterlücke – ein Gastbeitrag.

Über fast alle Branchen und Industrien hinweg verdienen Männer nach wie vor deutlich mehr als gleich qualifizierte Frauen. Doch ist die geschlechtsspezifische Kluft zwischen den Gehältern nirgends deutlicher sichtbar als im Profifußball, sie klafft exorbitant auseinander. Während die Profi-Fußballer sich auf ihren Sport konzentrieren können, sind die Profi-Fußballerinnen meist noch in Brotjobs verhaftet, weil der Fußballsport für sie kaum zum Leben reichen würde.

 

Fans bei der Fußball-WM 2018 (Foto: BBC)

 

Warum das so ist und welche Lösungen es gibt, um die Gehaltschere zu verringern, erklären die Gehaltsexpertin Martina Ernst, Gründerin des Coachingunternehmens SalaryNegotiations und Präsidentin des Female Leaders Network an der WU Executive Academy und der WU-Forscher und Fußball-Insider Jonas Puck, Leiter des MBA Energy Management der WU Er ist als Vizepräsident des Wiener Fußballklubs First Vienna FC für den Frauenfußball in der zweiten Bundesliga zuständig.

 

DFB-Teambank (Foto: Commerzbank)

 

In einem interdisziplinären Forschungsprojekt haben wir weltweit Fußballvereine beider Geschlechter und deren Gehälter unter die Lupe genommen. Das bisherige Fazit der noch laufenden Studie: Männliche Fußballspieler verdienen 50 bis 200 Mal mehr als die Fußballspielerinnen derselben Liga. Die Faustregel: Je höher die Liga, desto größer wird der Gender Pay Gap.

Jonas Puck (Foto: WU/PR)

An der absoluten Spitze finden sich einige wenige Frauen, die gut vom Profifußball leben können – sie verdienen wohl maximal 400.000 Euro im Jahr. Geschätzt gibt es weltweit nicht mehr als 50 Profifußballerinnen, die über 300.000 Euro brutto im Jahr verdienen. Bei den Männern sind unter den Fußballstars allerdings exorbitante Summen möglich – die auch innerhalb der Männerkohorte beachtlich herausstechen. Christiano Ronaldo macht laut Wirtschaftsmagazin „Forbes“ bei Juventus Turin in der Saison 2020/21 98,61 Millionen Euro (59 Millionen Euro Gehalt, 39,61 Millionen Euro Werbeeinnahmen), Lionel Messi beim FC Barcelona sogar 106,19 Millionen Euro (77,54 Millionen Euro Gehalt, 28,66 Millionen Euro Werbeeinnahmen).

 

Profifußball: Frauen müssen arbeiten gehen, Männer verdienen exorbitant

Tatsache ist: Frauen können auch in der ersten Bundesliga nicht vom Fußball leben. In Österreich erhält die große Mehrheit der Fußballerinnen in der Ersten Liga nicht mehr als unglaubliche 500-600 Euro brutto im Monat, die Männer dagegen liegen im Schnitt inklusive Prämien erheblich über 10.000 Euro. In Deutschland verdienten die Frauen in der Ersten Bundesliga in 2018 zwar 43.000 Euro im Jahresgehaltsschnitt (Anm.: Zahl aus 2018), die Männer dagegen ein Vielfaches: beim FC Paderborn etwa ist es mit 420.000 Euro im Schnitt das Zehnfache über alle Kaderspieler hinweg, beim FC Bayern München dagegen sind es 8,12 Millionen Euro Jahresgehalt – FC Bayern Star Robert Lewandowski verdient in der aktuellen Saison 19,5 Millionen Euro (siehe https://www.vermoegenmagazin.de/bayern-muenchen-gehaelter/, 6.5.2021)

 

Gender Pay Gap in der Wirtschaft

268 Jahre wird es laut statista.com (https://www.statista.com/chart/11667/the-long-road-to-gender-equality/) dauern, bis Frauen und Männer weltweit gleich viel verdienen. In Österreich darf man in hundert Jahren damit rechnen. Wirft man alle Branchen und Teilzeit- wie Vollzeitjobs in einem Topf, verdienen Frauen unbereinigt gar um 36,4 Prozent weniger (Statistik Austria 2019). Natürlich sollte man nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber dass Frauen in Teilzeitjobs und in Geringverdiener-Branchen arbeiten, ist vor allem auch ein strukturelles Problem. Nur mit mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten haben Frauen echte Wahlmöglichkeiten, wie sie leben und arbeiten wollen. Genauso wichtig ist es, ein gesetzlich verankertes Pensionssplitting einzuführen, das der Frau langfristig mehr finanzielle Unabhängigkeit erlaubt – und vielleicht auch mehr Männer in Teilzeitarbeit und Elternkarenz bringt.

Fussballfans (Foto: C.Tödtmann)

 

Auch wenn man die Gehaltsunterschiede bereinigt und nur ganzjährig Vollzeitbeschäftigte betrachtet, bleibt eine Lücke zwischen den Geschlechtern von 14,3 Prozent laut aktuellen Statistik Austria Daten. Sieht man sich aber den EU-weiten Gender Pay Gap der Eurostat Datenbank an, der nicht Vollzeit-Jahreseinkommen sondern durchschnittliche Bruttostundenverdienste vergleicht, dann liegt Österreich als eines der reichsten Länder der EU beschämenderweise mit 19,9 Prozent (2019) weit über dem EU-27-weiten Durchschnitt von 14,1 Prozent und bildet mit Estland und Lettland das Schlusslicht.

 

 

Martina Ernst (Foto: PR/WU)

 

Wichtig sind auch die Faktoren des Gender Bias. Denn von diesen 19,9 Prozent Gehaltsunterschied im Bruttostundenlohn zwischen den Geschlechtern in Österreich sind nur fünf Prozent durch externe Faktoren wie etwa Branche, Berufswahl oder Teilzeitquote erklärbar. Die knapp 15 Prozentpunkte bleiben unerklärt.

 

 

 

Bewertungen, Vorurteile und ein oft zu kritisches Selbstbild

Der Gender Bias – also unbewusste Bewertungen und Vorurteile – spielt eine große Rolle. Etwa haben die gleichen Lebensläufe weniger Response und Jobchancen, wenn die Bewerberin eine Frau ist. Unbewusst werden Männern häufig mehr Kompetenz und Durchsetzungskraft zugeschrieben als Frauen. Hinzu kommt, dass Frauen selbst einem Gender Bias erliegen und sich und andere Frauen oft als weniger kompetent einstufen als Männer, zeigt eine Studie des Beratungsunternehmens Mercer aus dem Jahr 2020.

Das allzu kritische Selbstbild wirkt sich auch auf Gehaltsverhandlungen aus. Frauen tendieren dazu, sich selbst unter Wert zu verkaufen und bei Gehaltsverhandlungen zu wenig zu fordern. Zumal: 70 Prozent der Frauen glauben immer noch, für ihre Extraleistung und ihren Fleiß von Vorgesetzten honoriert zu werden, ohne dass sie dies einfordern müssen. Dabei: Das wird nicht passieren, sie müssen schon selbst aktiv werden. Die meisten Frauen haben kein Problem, die Extrameile zu gehen: Dieser Mehrwert sollte aber auch seinen Preis haben, sonst fragen die anderen, warum eine Frau sich mit so wenig Gehalt oder Honorar zufriedengibt.

 

Die Lösung im Fußball: Förderung und Sensibilisierung

Auch in der Fußballwelt ist der Gender Bias offensichtlich vorhanden, wenn es um individuelle Honorarverhandlungen geht. Das zeigt sich, wenn globale Marken und Unternehmen Werbeverträge mit bekannten Profifußballerinnen abschließen und diese – wenn überhaupt – oft einen nur vierstelligen Jahresbetrag erhalten – während die Stars unter ihren männlichen Pendants das Hundert- bis Tausendfache kassieren.

 

Die Sozialisierung wirkt noch stark – mehr als hundert Jahre war Fußball männlich konnotiert. Noch fehlen den Mädchen die Role Models, aber: Fußball wird bei den Mädchen durchaus interessanter. Je mehr Mädchen Fußballvereinen beitreten, desto mehr Talente wird es geben. Wir untersuchen auch die Motive von Mädchen und Frauen, Fußball zu spielen. Während Buben einen Cristiano Ronaldo mit Luxusleben als Role Model haben, fehlt die Vorbilder den Mädchen – schlicht, weil es solche Bestverdienerinnen unter den Profifußballerinnen nicht gibt. Die Untersuchung lässt vermuten, dass Mädchen und Frauen stärker intrinsisch über den Sport selbst motiviert sind und bei den Buben auch der Traum von viel Geld und sozialer Anerkennung eine Rolle spielt.

 

In den USA wird Mädchenfußball stärker gefördert

In den USA wird Mädchenfußball deutlich stärker gefördert als etwa in Österreich, „in Österreich spielen Leistungszentren eine wichtige Rolle: und hier ist es wichtig auch die Eltern und Mädchen für den Sport zu sensibilisieren und zu begeistern, damit mehr weibliche Talente nachrücken. Dennoch gibt es positives Veränderungspotenzial. Die Wertschätzung gegenüber dem Frauenfußball steigt. Und es ist eine Chance für Unternehmen, sich als Sponsoren im Bereich Corporate Social Responsibility und Gender Equality zu positionieren. Das ist mit Herrenfußball nicht möglich.

Auch Vereine haben durch die zusätzliche Frauensparte eine doppelte Chance, Spiele zu gewinnen. Sogar die UEFA und die FIFA werden zunehmend in den Frauenfußball investieren: Die weiblichen Role Models werden immer sichtbarer. Über Sponsoren und mit dem steigenden Interesse der Öffentlichkeit wird es auch bei den Gehältern zu einer Aufwärtsspirale kommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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