Karriereplanung mit Gudrun Happich (2): Im Topmanagement sind fleissige Arbeitstiere fehl am Platz

Gudrun Happich ist Führungskräfte-Coach für Unternehmen wie Henkel oder Lufthansa Systems und Autorin. Hier in Folge 2 Ihrer Gastbeitrags-Serie geht es um die neue Regeln und Werte, die im Topmanagement gelten: Nicht Leistung, sondern Beziehung, Einfluss und Verhandlungsgeschick sind die neuen Erfolgsparameter. Und echtes Feedback gibt es nicht.

 

Gudrun Happich (Foto: Privat)

 

Der Weg ins Top-Management – Folge 2

Wer in die obere Führungsriege aufsteigt, hat es geschafft. So die landläufige Meinung über einen Job in der Geschäftsleitung beziehungsweise im Vorstand eines Unternehmens. Doch der Preis für eine Position im Topmanagement ist mitunter hoch. Oft kann der Traum auch zum Albtraum werden.

 

Topmanagement – für viele karrierebewusste Menschen das Traumziel schlechthin. Für sie bedeutet die obere Führungsetage Freiheit, Gestaltungsmöglichkeiten, Macht und Einfluss. Das stimmt auch – einerseits: Topmanager haben Einfluss auf wesentliche Entscheidungen im Unternehmen und steuern es entscheidend mit. Doch wer ins Topmanagement aufsteigt, gelangt nicht nur in eine Welt der Einflussnahme, sondern auch in eine Welt des politischen Taktierens. Während im mittleren Management Werte wie Berechenbarkeit, offene Kommunikation und Klarheit zählen, ist die Kommunikation im Topmanagement oft doppelbödig: Man kann dem Gesagten nie blind vertrauen beziehungsweise davon ausgehen, dass der Andere auch wirklich meint, was er sagt. Misstrauen in der oberen Chefetage ist entsprechend weitverbreitet.

 

Kritik gradeaus ist tabu – Vorsicht ist angebracht

Ein Gespräch auf Augenhöhe? Kritik gerade heraus? Das ist in der oberen Chefetage fehl am Platz. Ungeschminktes Feedback gilt hier als Tabu – was gerade für Neulinge im Topmanagement schlimme Folgen haben kann. Denn der Betroffene ahnt womöglich nicht, dass er längst in Ungnade gefallen ist. Wie auch? Schließlich informiert ihn niemand über sein unangebrachtes Verhalten. Da liegt es nahe, eine ausbleibende Kritik als Zustimmung zur eigenen Leistung zu interpretieren. „Wenn man mit mir unzufrieden wäre, würde man es mir doch sagen!“ ­– ein gefährlicher Trugschluss, der einem schnell wieder den Traumjob im oberen Management kosten kann. Daher ist Vorsicht in der oberen Führungsetage angesagt.

 

Neue Regeln und Werte: Nicht Leistung, sondern Beziehung, Einfluss und Verhandlungsgeschick sind die neuen Erfolgsparameter

Für manchen Aufsteiger entpuppt sich der ersehnte Vorstandsposten gar als Albtraum. Insbesondere für jene, die glauben, dass in der oberen Führungsetage der Job genauso gemacht wird, wie sie es im mittleren Management gelernt und erfahren haben. Und die zudem glauben, dass Leistung immer noch das Wichtigste sei. Doch was sie bislang als Leistung definiert haben, wird „von denen da oben“ als selbstverständlich vorausgesetzt und nicht weiter beachtet. Plötzlich zählen vor allem Beziehungen, Einfluss und Verhandlungsgeschick. In den Ebenen darunter ist dieser Unterschied kaum bekannt oder nicht ausreichend verinnerlicht. Und so kann der Traum der Unternehmensleitung statt zur beruflichen Erfüllung ganz leicht zum Stolperstein für die Karriere werden. Wehe also dem, der sich auf vertraute Werte, Erwartungen und Regeln verlässt.

 

Unbekannte Regeln des Topmanagements: Strategische Einflussnahme

Das Problem beim Karriereschritt aufs C-Level ist, dass die Regeln, die in der oberen Führungsetage herrschen, selten thematisiert werden. Was Führungskräfte in den Medien lesen oder auf Seminaren lernen, ist meist aufs mittlere Management abgestimmt. So kommt es, dass die meisten Aufsteiger völlig unvorbereitet ins Topmanagement gelangen. Ihnen ist nicht bewusst, dass sie sich auf hochpolitisches Parkett begeben, wo strategisch kluge Einflussnahme mehr zählt als Leistung und Arbeitsweise. Auch die Umgangsformen sind andere als im Mittelmanagement. Nicht jeder beziehungsweise jede ist dem gewachsen. Andere wiederum können sich mit dieser speziellen Welt nicht identifizieren, viele wollen es auch gar nicht. Da kann man sich wahrlich vorstellen: Wer hier hineingerät ohne sich der Regeln im Topmanagement bewusst zu sein, dem steht in den meisten Fällen ein wahrer Leidensweg bevor.

 

Weitverbreitet: ein falsches Karriereverständnis – die fleissigen Arbeitstiere werden da oben unglücklich

Freilich ist nicht alles schwarz oder weiß, und in den Unternehmen ändert sich auch teilweise die Kultur. Der Großteil der Führungsetagen funktioniert allerdings nach dem beschriebenen Muster – was nicht für alle Menschen hinderlich sein soll: Strategen und Taktierer finden in der obersten Unternehmensetage ihr ideales Tätigkeitsfeld. Fleißige Arbeitstiere indes werden eher unglücklich werden. Insgesamt führt ein falsches Karriereverständnis zur falschen Entscheidung: Man lässt sich von äußeren Einflüssen leiten – dem hohen Gehalt, dem Renommee und der Strahlkraft einer Stelle, „die man auf keinen Fall ausschlagen darf“.

Doch auch für eine Position im Topmanagement sollte der Grundsatz gelten: Inne halten und sich auf die eigenen Stärken besinnen. Ist die Stelle da oben tatsächlich der richtige Platz? Wer was bewegen will, ohne sich zu verbiegen, ist an der Unternehmensspitze gut aufgehoben, wenn er die Klaviatur der Hohen Schule der Politik nicht nur kennt, sondern auch gut auf ihr spielen kann. Dann macht es im Topmanagement so richtig Spaß, und die betreffende Führungskraft kann die Zukunft des Unternehmens maßgeblich mitgestalten.

 

Folge 1: https://blog.wiwo.de/management/2021/05/21/karriereplanung-mit-fuehrungskraefte-coach-gudrun-happich-wer-keinen-alptraum-erleben-will-sollte-zuerst-seinen-traum-abpruefen-1/

 

 

 

 

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