Wenn sich Unternehmen in immer kürzeren Abständen neu erfinden müssen, brauchen sie Mut, Offenheit und vor allem radikale Ideen. Wer kann die liefern? Rebellen, die sich über Konventionen und Normen hinwegsetzen. Um echte Innovationen zu ermöglichen. Die Transformationsexperten von der WU Executive Academy in Wien, der Ökonom Fred Luks und der Führungskräfte-Coach Markus Platzer haben ein Kurzprogramm entwickelt, um Managern und Führungskräften dabei zu helfen, den Rebellen in ihnen und ihren Mitarbeitern zu erwecken. (Gastbeitrag)

Fred Luks (Foto: PR/Christina Häusler)
Warum Unternehmen Rebellen brauchen
Die großen Meilensteine der Gesellschaft gäbe es ohne Rebellen nicht: Das Frauenwahlrecht oder das Ende der Apartheid zum Beispiel. Allerorts gingen Menschen als treibende Kräfte voran, setzten sich leidenschaftlich und mit vollem Einsatz über Konventionen und Normen hinweg – und riskierten dabei sogar ihr Leben.
Auch Unternehmen müssen angesichts des steigenden Veränderungs- und Digitalisierungsdrucks ihre Prozesse und Geschäftsmodelle von Grund auf infrage stellen – adaptieren und reagieren reicht nicht.

Markus Platzer (Foto: WU Wien/PR)
Nett austauschen reicht nicht: Mutige, die sich mehr trauen als andere, sind nötig
Rebellen sind per Definition Menschen, die Regeln und Autoritäten hinterfragen, herausfordern und bewusst umgehen. Dringend notwendige Veränderung ist in Unternehmen selten positiv besetzt und wird oft mit diversen Mitteln verhindert. Dabei: Man braucht Personen, die bewusst für Irritation, Ärger und Verwunderung sorgen – Dinge zu tun, die sich andere nicht trauen und dadurch auch tatsächlich grundlegende Veränderung in Gang bringen – sich über Ideen nett austauschen, ist in der Regel zu wenig.
Allerdings ist es mit Offenheit in Unternehmen nicht getan. Eine offene Unternehmenskultur ist die Voraussetzung für Innovation, sie alleine reicht aber nicht. Nötig sind Leute, die mutig sind, vorangehen und Dinge ausprobieren, die andere nicht tun würden.
Umgekehrt würden Rebellen in einem sehr starren System ohne Offenheit keine Chance haben. In solchen Kulturen beißen sie sich die Zähne aus.
Regeln sind da, um gebrochen zu werden – vor allem die ungeschriebenen
Zum Rebellentum gehört der gepflegte Regelbruch – im legalen Rahmen. Ohne Rebellen, die nicht Regeln gebrochen hätten, würden wir noch auf Bäumen sitzen. Man muss aber nicht unbedingt die formellen Regeln im Unternehmen brechen, um ein Rebell zu sein: Es gibt genügend ungeschriebene Regeln, die Veränderung verhindern. Rebellen bräuchten für ihr aufrührerisches Tagwerk allerdings Durchhaltevermögen, ein hohes Energielevel und eine starke intrinsische Motivation.
Unfassbar viel unproduktive Zeitvergeudung für politische Spielchen
Strategischer Regelbruch ist legitim. Gerade in großen Organisationen muss man innerhalb der Regeln spielen und Allianzen schmieden, nur: Unfassbar viel Zeit wird für politische Spielchen unproduktiv vergeudet.
Mit Fragen wie diesen: Bei wem positioniere ich welche Themen in geeigneter Form? Wer spricht diese Themen an, welches Sicherheitsnetz müssen wir vorab bauen und wen dürfen wir keinesfalls verärgern?
Man stelle sich vor all diese Zeit würde tatsächlich produktiv eingesetzt werden – welchen Wettbewerbsvorteil könnten Unternehmen gegenüber ihren Mitbewerbern generieren?
Es ist Zeit für radikale Offenheit, um nicht immer mit großen Augen gen Silicon Valley schauen zu müssen.
Kuschel-Diskussionskultur statt Konfrontation: Rebellentum ermöglichen reicht
Zu scheitern, ist in Österreich, Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern ein Stigma. In Österreich herrscht zudem eine Kuschel-Diskussionskultur, die Konfrontation vermeidet und Harmonie sucht. Dabei wäre eine offene Diskussionskultur, ja Freude am Diskurs, entscheidend, damit echte Innovation überhaupt gelingen kann.
Von den Kollegen und Mitarbeitern Rebellentum zu erwarten, wenn sie dabei gleichzeitige ihre Jobs gefährden, ist allerdings der falsche Weg. Es ist auch Aufgabe der Führungskräfte, Rebellentum zu ermöglichen. Sie müssen nicht unbedingt selbst rebellisch sein.
Wichtig sei hier Diversität im Unternehmen: Also ein guter Mix von unterschiedlichen Meinungen und Fähigkeiten – auch etwa im Hinblick auf Alter, Herkunft, Geschlecht und bunten Lebensläufen.
An einer rebellen- und damit innovationsfreundlichen Unternehmenskultur sollte jedenfalls über Employer Branding hinaus gearbeitet werden: Verspricht das Jobinserat mehr, als die Unternehmenskultur hält, zieht man junge Talente an, die sich drei Tage nach Jobbeginn fragen, ob sie im falschen Film gelandet sind? Auf einmal ist von der angepriesenen agilen Unternehmenskultur, dem wertschätzenden Miteinander und den flachen Hierarchien wenig übrig. Diese Talente verlassen das Unternehmen – wenig überraschenderweise – bald wieder.
Rebellen-Guide: Wie Rebellen erfolgreich überzeugen können
Rebellen, die sich leidenschaftlich für ihre unkonventionellen Ideen und Überzeugungen einsetzen, können für die Veränderungs- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen von unschätzbarem Wert sein. Jedoch mit dem Kopf um jeden Preis durch die Wand zu wollen, ist sicher nicht die beste Strategie. Dieser kleine Rebellen-Guide soll ihnen helfen, mit ihren Ideen auch bei ihren Führungskräften und Kollegen Gehör zu finden:
- Langer Atem
Prüfen Sie sich selbst auf Ihren eigenen Antrieb. Wie wichtig ist Ihnen Ihre Idee? Welche Vision haben Sie dazu? Seien Sie sich bewusst, dass Sie einen langen Atem für diverse Diskussionen benötigen.
- Strategische Vorgehensweise
Sie wollen eine andersartige Idee durchsetzen? Dann unterlegen Sie diese faktenbasiert und mit Kennzahlen. Überzeugen Sie in einer äußeren Form, die den Entscheidungsträgern bekannt ist.
- Allianzen schmieden
Suchen Sie sich Sparringpartner und schmieden Sie Allianzen mit Mitstreitern für Ihre Idee.
- Starten und zur Not später entschuldigen
Fragen Sie nicht lange um Erlaubnis, sondern starten Sie einfach im Kleinen los: in Ihrem Team, im Rahmen Ihrer Möglichkeiten. Experimentieren Sie, probieren Sie aus, adaptieren Sie bei Bedarf. Ist die Umsetzung Ihrer Idee von Erfolg gekrönt, berichten Sie davon und überzeugen andere Führungskräfte, es Ihnen gleichzutun. Seien Sie da ruhig etwas naiv, was Regeln betrifft – oder tun Sie zumindest so. Entschuldigen Sie sich im Nachhinein.
- Wenn Sie sie nicht überzeugen können, verwirren Sie sie.
Sorgen Sie für Irritation, wo es nötig ist
- Die Königs-Idee
Wenn es die einzige Möglichkeit ist, um Ihr Ziel zu erreichen: Hängen Sie den Erfolg am Ende Ihrem Vorgesetzten um. Das ist zwar old school, aber besser als keine Veränderung.