Die Beraterzunft erlebte in den vergangenen Jahren einen Boom, jetzt beantragen viele von ihnen Kurzarbeitergeld. Zwar florieren die Geschäfte der meisten Sanierungsberater, IT-Berater und Outplacementspezialisten (66 Prozent). Die Mehrzahl der Personalberatungen (71 Prozent) jedoch leiden stark unter der Coronakrise. Insgesamt glauben aber die Strategie- wie IT-Beratungen, dass sie Juni/Juli bereits wieder soviel umsetzen wie im Vorjahresvergleich. Das zeigt eine Umfrage des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU) unter 703 Beratungen. Denn klar sei: Die Unternehmenskunden brauchen Unterstützung nicht nur bei der Sicherung ihrer Liquidität, sondern auch der Digitalisierung. Ralf Strehlau, Präsident des BDU, liefert Erklärungen.
Herr Strehlau, wird die Beraterbranche dieses Jahr zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr wachsen und ausgerechnet der – kurzfristige – Corona-Lockdown den Trend nach so vielen erfolgreichen Jahre stoppen?
Ralf Strehlau: Der Umsatz der Consultingbranche ist in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt jedes Jahr um 7,3 Prozent gestiegen, das war eine absolute Erfolgsgeschichte. Und ja, der lange Steigflug hat infolge der Pandemie-Auswirkungen erst einmal eine Ende gefunden. Der BDU geht aber davon aus, dass wir das Geschäftsjahr 2020 mit einer schwarzen Null beenden werden. Ob die Branche mit einem blauen Auge aus der Krisenzeit hervorgehen wird, hängt maßgeblich von der Entwicklung im vierten Quartal ab.
Warum wollen die Beratungen dann weiter noch mehr Berater einstellen?
Zwei Gründe sind hierfür ausschlaggebend. Erstens: Die Marktteilnehmer gehen überwiegend von einem weiteren Branchenwachstum aus. Zweitens: Die Notwendigkeit in der deutschen Wirtschaft, Organisationsabläufe, Beschaffung und Lieferketten oder ganze Geschäftsmodelle auf Grund der Pandemie-Erfahrungen anzupassen oder zu erneuern, ist immens.
Und: Der Digitalisierungsdruck hat sich aufgrund der gemachten Erfahrungen nochmals verstärkt. Viele Unternehmen werden sich bei diesen Themen von Consultants unterstützen lassen. Der Bedarf an Beratungsleistungen wird daher ziemlich zeitnah wieder deutlich steigen.
Human-Resources-Beratungen sind am stärksten von den Corona-Auswirkungen betroffen, zeigt Ihre Umfrage. Brauchen Unternehmen nach Corona denn keine Führungskräfte und Spezialisten mehr?
Ja, die einzelnen Beratungsfelder sind sehr unterschiedlich betroffen. In der Human-Resources-Beratung werden viele Trainings- und Coaching-Leistungen erbracht. Das setzt in der Regel die physische Präsenz vor Ort beim Kunden voraus. Das war aber in den letzten knapp drei Monaten so gut wie unmöglich. Darum sind viele Beratungsprojekte in diesem Beratungsfeld verschoben oder auch gestrichen worden. Für die Personalgewinnung gilt: Die Firmen sind je nach Branche durch die mit den Corona-Auswirkungen verbundenen Unsicherheiten vorsichtiger im Recruiting geworden. Aber die Personalberater unseres Verbands sagen auch, dass die meisten Unternehmen strategisch wichtige Positionen weiterhin besetzen.
Ihre Umfrage zeigt auch dies: Je größer die Unternehmensberatung ist, umso mehr Kurzarbeit in der Pandemiekrise. Warum?
Größere Unternehmensberatungen arbeiten üblicherweise in größeren und längeren Beratungsprojekten. Werden diese Projekte von den Kunden coronabedingt verschoben oder gestrichen, können die Berater, die eigentlich für die Arbeit beim Kunden vorgesehen sind, nicht eingesetzt werden. Schnell verfügbare Einsatzalternativen in Unternehmen fehlen aber momentan. Das führt zu vermehrter Kurzarbeit.
Outplacementberater legen signifikant zu, haben Sie bei der Befragung Ihrer Mitglieder ermittelt. Ist das eine Folge der Corona-Krise oder liegt das nicht auch an bereits längerfristig absehbaren Entwicklungen wie etwa bei Daimler, wo laut „managermagazin“die Outplacementberatung von Rundstedt die Führungskräfte für Kündigungsgespräche mit 10.000 Mitarbeitern rüstete?
Durch Corona entlassen mehr Firmen Mitarbeiter. Die Zahl der Arbeitslosen steigt und der Trend wird vorerst anhalten. Da es die Aufgabe von Outplacementberater ist, betroffenen Mitarbeitern im Auftrag und auf Kosten des bisherigen Arbeitgebers auch in Krisenzeiten zu einer neuen Stelle zu verhelfen, fragen Firmen immer häufiger die Unterstützung dieser spezialisierten Unternehmensberater an.