Manager, die früher nur Kosten senken und Effizienz steigern brauchten, müssen künftig Abhängigkeiten und Risiken händeln können

Gastkommentar von Burkhard Wagner, Gründer und Chef der Unternehmensberatung Advyce über die Kompetenzen, die Managern bislang fehlen – ohne die es aber künftig nicht mehr gehen wird. Es wird schwerer für die Unternehmenslenker.


 

 

Das Risikomanagement haben die großen Unternehmen als Teil guter Corporate verankert, aber oft als eine Pflichtaufgabe, die sie nur abhaken. Vor der Corona-Krise  war durchaus Platz für abstrakte Planspiele – solange sie kein Geld kosteten. Und  nicht zu Lasten kurzfristiger Profite gingen.

Doch jetzt, seit der Corona-Pandemie wird Risikomanagement plötzlich eine ganz andere Hausnummer. Manager müssen Aussagen von Medizin, Epidemiologie, Wirtschaft, Soziologie und Ethik gleichermaßen bewerten. Sie müssen auf Basis dieser Erkenntnisse einerseits den Schutz der Mitarbeiter maximal sicherstellen, Ängste und Sorgen ernst nehmen, aber gleichzeitig das Unternehmen auf eine Rückkehr zur Normalität vorbereiten. Diese Normalität wird allerdings eine andere sein als 2019.

 

Neudefinition von Nachhaltigkeit, Effizienz und Innovation

Bislang folgten Manager und auch Aufsichtsräte kurzfristigen, quartalsgetriebenen Plänen, sie ordneten sich dem stark Kapitalmarkt-dominierten Profitabilitätsgedanken unter. Langfristige Ziele kamen vielen Managern gar nicht erst in den Sinn. Wieso auch? Einerseits orientierten sich die Unternehmensziele am kurzfristigen Shareholder-Value, also auch die Vorgaben des Aufsichtsrats an den Vorstand. Andererseits hat sich die Verweildauer auf den DAX-Vorstandsetagen in den vergangenen zehn Jahren mal eben fast halbiert: Sie liegt aktuell bei nur noch knapp etwas über fünf Jahren. Welchen Stellenwert können in einer solchen Konstellation langfristige Zielsetzungen haben? Nachhaltigkeit wird auf Hauptversammlungen nicht wirklich wertgeschätzt und die Früchte der eigenen Arbeit erntet im Zweifel der eigene Nachfolger.

Gesteuerte Manager

Aufsichtsräte möchten das Verhalten ihres Top-Managements möglichst vorhersehbar machen. Ihr Mittel zum Zweck: Die Steuerung der Manager durch Boni, die an immer kurzfristigere Ziele gekoppelt sind. Das macht den Manager wiederum unfreier, unkreativer und eben unvorbereiteter – wenn er unvorbereitet handeln muss. Hinzu kommen immer schnelleren Zyklen und Markteinführungen, sich immer schneller ändernde Geschäftsmodellen und Opportunitäten, die die Tendenz zur Kurzfristdenke wiederum befeuert.

Der Kostenspar-Manager hat ausgedient

Wahrscheinlich wird Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren wichtiger. Je nachdem wie gut das Gedächtnis von Anteilseignern, Gesellschaftern und Aufsichtsräten ist. Jahrelang konnten sich Manager mit nur einer Strategie über Wasser halten: Kosten sparen. Nun aber müssen sie nachhaltige Konzepte finden, die auch profitabel sind, eben weil sie das Geschäftsmodell besser gegenüber Risiken absichern. Der neue Kostenmanager muss Kosten im Kontext der eigentlichen Wertschöpfung neu bewerten. Ein simples Beispiel sind Dienstreisen. Sie dürften nach der Krise einen niedrigeren Stellenwert haben. Denn dank Digitalisierung – so hat es sich plötzlich gezeigt – geht es oft auch ohne teure Reisen.

Eher komplex sind diese neuen Fragen: Einsparpotenziale, die bislang dank Globalisierung und Fertigungen im Ausland möglich waren – wie ist das künftig zu werten. Wenn Lieferketten, die zwar bislang finanziell günstig waren, sind tatsächlich fragil. Sie können von einem Tag auf den anderen zusammenbrechen und zum völligen Stillstand einer Produktion hierzulande führen. Wer Die generelle Möglichkeit eines weltweiten Shut-downs gehört ab sofort in jede Unternehmensstrategie.

 

Risikoreports mit teureren Notfallplänen

Maschinenbauer etwa können sich nie mehr sicher sein, dass ihre Lieferketten krisenresistent sind. Sie müssen in ihren Risikoreports darauf eingehen, dass chinesischer Zulieferer wegbrechen können und einen Notfallplan mit heimischen Ersatzlieferanten parat haben. Auch wenn es teurer wird.

Insofern müssen Manager einen Blick über den Tellerrand werfen, nicht einfach nur die Profitabilität als Priorität Nummer eins bestimmen, sondern nationale und sogar regionale Alternativszenarien stark gewichten. Sie müssen beantworten, welche Abhängigkeiten ihre Unternehmen eingehen sollten, wie diese nachhaltig zu bewerten sind. Im Klartext, welche Kosteneinsparungen stehen gegen welche Risiken?

 

Neue, alte Vertriebsformen

Auch innovative Ideen für den Vertrieb bekommen eine andere Bedeutung. Es geht beispielsweise um die Fähigkeit, Kunden anzusprechen. Dass man ihre Adressen hat und ihre Wünsche kennt. Unternehmen, die dieses Wissen in der Zeit vor der Corona-Krise nicht ernst genommen und aufgebaut haben, wissen im Ernstfall nicht ihre Kunden zu erreichen. Sie konnten ihre Vertriebskanäle nicht umstellen, per Mail Kunden ansprechen, auf Historien in der Kundenbeziehung hinweisen, über Facebook oder Instagram um Unterstützung bitten und besondere Angebote in der Krise aufzubereiten.

Der Wert solcher Daten und die Präsenz in den sozialen Medien wird gerade in Zeiten wie diesen manchem Unternehmen erst viel zu spät bewusst. Wer keine Daten und Wege via soziale Medien hat, dessen Geschäftsmodell taugt womöglich nicht mehr. Dieses Phänomen zeigt sich etwa in der Gastronomie: Manche Restaurantbesitzer bewerkstelligten nach dem ersten Schock einen Lieferdienst oder organisierten einen aus-dem-Fester-Verkauf und informierten ihre Stammkunden darüber, um mit Online-Hilfe zumindest einen Teil des weggebrochenen Umsatzes zu kompensieren.

 

Effizienzsteigerungswut muss Kompetenz weichen

Manager brauchen für ihren Job ab jetzt mehr Kompetenz außer dem unbedingten Kostensparwillen und Effizienzsteigerungswut. Wer – erstens – die Digitalisierung bislang nicht ernst genommen und nur versucht hat, sie weg zu delegieren, wurde von der Realität gerade überholt. Um nicht zu sagen: kalt erwischt.

Das neue, alte Kriterium, das sie nunmehr priorisieren müssen heißt Abhängigkeiten erkennen, gewichten und minimieren. Und das ist mindestens so wichtig wie das alte Zauberwort Einsparpotenzial. Denn da gilt die alte Faustformel:  Kosten senken kann jeder. Auch jeder ohne Managerkompetenzen. Mit Komplexitäten umgehen aber nicht.

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